Ich mag, wie Michael Ashelm unermüdlich und trotz geringer Resonanz und herber Anfeindungen seiner Sache nachgeht. Dass sich für jede Auslosung ein Aufhänger, ein Bezugspunkt findet. Dass kein Verein inmer gewinnt und keiner ewig verliert. Dass Favres Erbe gewürdigt wird. Dass eine Mystifizierung von innen bröckelt. Ich mag den Vergleich, Völler habe geschimpft »als habe er gerade 0:0 auf Island gespielt«, überraschende Torwartleistungen, lakonischen Pessimismus, lakonische Ignoranz und wie Thomas Kistner »Asiaten« sagt.
All das: heute. Hier.
1. Bevor wir uns in die Niederungen der Bundesliga begeben: Ein Moment des Innehaltens für den unverfälschten Volkssport zwei bis drei Ligen tiefer:
Nach Bankenrettung und Griechenlandrettung gilt die Rettung maroder, schlecht geführter oder einfach nur nicht wettbewerbsfähiger Fußballunternehmungen inzwischen ebenso als systemrelevant. Fußball sei ein schützenswertes Kulturgut, wird behauptet – so wie Schlösser oder einzigartige Naturlandschaften. Fußballstadien haben den Status von Kathedralen. Aus der Tradition wird ein Mythos gestrickt.
Michael Ashelm (FAZ) hat sich in einem ausführlichen Artikel einem seiner Spezialgebiete gewidmet: Der Bezuschussung des Fußballgeschäfts durch die öffentliche Hand. Diesmal nur in einer Nebenrolle: Die »Mutter der Steuergeldverschwendung« aus der Pfalz. Nicht behandelt wird die Anschlussfrage, warum die von öffentlicher Hand maßgeblich finanzierten Stadionbauten in Liga 3 und 4 regelmäßig weniger kosteneffizient sind als jene, die in Augsburg oder Sinsheim im Wesentlichen oder vollständig privat finanziert wurden.
2. Ein kurzer Blick auf den Wettbewerb, in dem der geschickt agierende Unterklassige die in ihn gesteckten Hoffnungen und Geldbeträge rechtfertigen kann (im Idealfall bei gleichzeitigem Verzicht auf das Werfen von Gegenständen): Das Achtelfinale des DFB-Pokals wurde gestern Abend ausgelost. Zwei der acht Partien werden in München ausgetragen, drei weitere im restlichen Bayern. Mit Unterhaching – Leverkusen harrt eine Schlüsselpartie der jüngeren deutschen Fußballgeschichte ihrer Neuinszenierung. Die Partien im Überblick beim kicker.
3. Dann zum Wettbewerb, in dem die Bayern nicht mehr jedes Spiel gewinnen: 0:0 in Frankfurt. Constantin Eckner (Spielverlagerung) hat den überraschenden Nichtsieg aus taktischer Sicht untersucht. Sollte sich etwa neue Spannung für die Saison anbahnen? Wie tot andere Ligen im Vergleich schon sind, trägt Trainer Baade zusammen (Ausnahme: Andorra).
4. Jedes Spiel gewinnt dagegen derzeit André Schubert. In seinem sechsten Bundesligaspiel errang er den sechsten Sieg und führte die Mönchengladbacher Borussia zu einem 4:1 in Berlin. Stefan Hermanns (Tagesspiegel) beschäftigt sich mit den derzeitigen Fohlen und Schuberts Aussichten auf längerfristige Beschäftigung.
5. In Bremen verkürzte der BVB den Rückstand auf den FC Bayern um zwei Punkte. Hendrik Buchheister (Spiegel) war vor Ort. In Erinnerung bleiben wird das Spiel voraussichtlich wegen des Laufduells zwischen Bremens Junuzovic und BVB-Verteidiger Sokratis, bei dem der Grieche dreifach getunnelt wurde (Troll Football). Außerdem: Neuigkeiten über den Umgang in der Dortmunder Kathedrale (11Freunde):
Zwar zeigen erste Fotos eindeutig jene Personen, die die Plakate hochhalten, doch diese sollen, so heißt es in Fankreisen, von den eigentlichen Tätern unter Gewaltandrohung dazu gezwungen worden seien. Eine Form der Spurenverwischung. […] »Die haben Bock auf die Provokation«, heißt es aus Fankreisen. »0231 riot« will die »Machtposition« innerhalb der Kurve zur Schau tragen.
6. Huub Stevens debütierte in Köln als Trainer der TSG Hoffenheim. Dabei ließ sich auf dem Platz eine gewisse stilistische Annäherung an den gegnerischen FC feststellen (nicht unbedingt in den Augen von Spielverlagerung). Neben dem Platz war Stevens bemüht, dem Klischee des Defensivtrainers entgegenzuwirken (und andere weiträmigere Einschätzungen im Spiegel)
7. Abendspiel des Samstags war Wolfsburg – Leverkusen (2:1). Wie sich nach genauer Betrachtung der Wiederholungen belegen ließ, war einer der Treffer irregulär. Rudi Völler schimpfte daraufhin, »als habe er gerade 0:0 auf Island gespielt« (Christian Spiller, ZEIT). Collinas Erben (n-tv.de) erläutern den Vorgang. Zur anschließend aufgeworfenen Frage nach der Qualität deutscher Bundesligaschiris gibt es Meinungsartikel. Für eine dem Volkszorn entgegenkommende Position wird man erwartungsgemäß in der WELT fündig. Christian Hönicke (Tagesspiegel) hält die Kritik an den Leistungen der Schiedsrichter dagegen für übertrieben und ruft jene zum Streik auf.
8. Sonntag in Stuttgart. VfB-Sieg über Darmstadt. Garant für den schwäbischen Sieg: Przemysław Tytoń aus Zamość. Mit seinen Fähigkeiten im 1-gegen-1 und auf der Linie ermöglichte »Titti from the Block« (Vertikalpass) den Stuttgarter Offensivkräften, keinem Rückstand hinterherlaufen zu müssen. 2:0.
9. Hinter der Mannschaft gibt es Neues in Hannover: Christian Möckel, der als Scout zu Hoffenheimer Zweitligazeiten einst Demba Ba und andere aufspürte, wird Sportdirektor bei 96 (Spiegel). Auf dem Platz dagegen: Alles beim Alten. Niemals allein erläutert einmal mehr, dass Hannover »gewohnt schlecht« sei und nimmt den 2:1-Sieg in Hamburg mit einem Schulterzucken hin.
10. Ein kurzer Blick ins Ausland: In England gelang Liverpool (mit Klopp) ein Auswärtssieg bei Chelsea (mit Baby-Mourinho). Constantin Eckner (Spielverlagerung) hat das Spiel analysiert und teilt seine Erkenntnisse mit den Lesern. Ganz anders: José Mourinho, der nichts zu sagen hatte (YouTube) und sich damit in die Tradition der Strokes stellte (YouTube).
11. Neuigkeiten rund um den DFB: Mit Günter Netzer habe sich wohl der erste Kläger gegen Theo Zwanziger gefunden, berichtet die FAZ. Der maltesische Verbandschef wundert sich über Geldflüsse, in der SZ fällt auch hier Netzers Name. Thomas »Klandestin« Kistner mit einer Zusammenfassung der und Einschätzung zur Lage in der Affäre (DLF). Er warnt vor einer peinlichen Enthüllung durch schweizerische oder US-amerikanische Behörden. Dem möchte auch der Sportausschuss des deutschen Bundestages zuvorkommen (dessen Vorsitzende Dagmar Freitag im DLF).
Geburtstagskind des Tages
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Die Beschreibung der Rolle Alfred Draxlers durch den BILDblog: »Der DFB-Außenverteidiger«
Field Reporter
Die Fußballreportage ist bis heute ein Klassiker des Hörfunks und hat nichts von ihrer Faszination verloren. Allerdings machen einige Fans ihre Reportagen inzwischen selbst – zum Beispiel beim Fanradio des Tennis Borussia Berlin, das übers Internet zum empfangen ist. Dank des technischen Fortschritts ist das im digitalen Zeitalter nur noch ein Kinderspiel. Welche Auswirkungen hat das auf den Journalismus?
Heute über die Field Reporter früher und heute, 90 Jahre nach der ersten Radioübertragung eines Fußballspiels in Deutschland – ein Gespräch im Deutschlandradio Kultur.
Mixed Zone
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Herzlichen Glückwunsch, Zvonimir Soldo!
Und ja, da ist viel Mögenswertes bei, lieber Herr Bimbes.
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