Tor 23: Mit ganzem Herzen dabei

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Auch Amateursportler feiern Comebacks.  Ein erstes Spiel nach langem Ausfall kann schließlich das Herz eines Erben höher schlagen lassen.

Alex Feuerherdt, bessere Hälfte und Freund bayerischer Außenverteidiger, macht das Happy End komplett und kehrt wie aus dem Ei gepellt zurück. Ein tolles Fußballerlebnis des Jahres 2013 mit angehängter Drohkulisse:

Wenn man als Bayernfan gefragt wird, was man persönlich als das Fußballereignis des Jahres betrachtet, wäre es naheliegend zu antworten: natürlich das Champions-League-Finale. Oder das DFB-Pokal-Endspiel, mit dem das Triple perfekt gemacht wurde. Vielleicht auch das Supercupfinale mit der Revanche gegen Chelsea. Und selbstverständlich habe ich bei und nach allen diesen großartigen Partien unbändige Freude empfunden. Trotzdem ist mein Highlight ein ganz anderes – nämlich ein sportlich eher unbedeutendes Kleinfeldturnier schwul-lesbischer Freizeitmannschaften am 6. Juni in Köln, das Turnier um den „Hot Pott“. Dort habe ich mein Comeback als Schiedsrichter gegeben, was an sich nicht unbedingt der Rede wert wäre. Aber dieses Comeback hat eine Vorgeschichte.

Ich bin seit 1985 Schiedsrichter und habe auch mal in den höheren Amateurklassen gepfiffen, genauer gesagt: bis zur Oberliga. Nach der Saison 2004/05 musste ich, wie man so schön sagt, die Pfeife mehr oder weniger an den Nagel hängen. Grund war eine hartnäckige Meniskusverletzung, die über Jahre hinweg immer wieder aufbrach und auch durch diverse Operationen und konservative Therapien nicht in den Griff zu bekommen war. Seit dem Sommer 2005 bin ich deshalb nur noch als offizieller Schiri-Beobachter unterwegs sowie als verantwortlicher Aus- und Fortbilder der Kölner Referees. Um den Umgang mit der Pfeife aber nicht ganz zu verlernen, habe ich nach dem „offiziellen“ Schlussstrich gelegentlich – das heißt, etwa vier- bis fünfmal pro Saison – Partien in den Kölner Kreisligen geleitet. Dort sind das Tempo und die körperliche Belastung nicht so intensiv wie in der Oberliga, das macht also auch ein geschundenes Knie einigermaßen mit.

Am 13. April 2012, einem Freitag, hatte ich ein solches Kreisligaspiel zu pfeifen, nämlich die Begegnung zwischen Vorwärts Spoho 98 und dem SC Köln-Mülheim Nord. Während der Partie fühlte ich mich noch gut und fit, aber auf dem Heimweg begann ein seltsames, undefinierbares Ziehen in meiner linken Schulter. Als ich wieder zu Hause war, wurde das Ziehen immer stärker, immer unangenehmer, und es erweiterte sich auf den Brustbereich. Ich setzte mich hin, ich stand wieder auf, ich legte mich erst auf die Couch, dann aufs Bett und danach auf den Fußboden. Als das Ziehen unerträglich wurde, rief die Liebste schließlich den Notarzt. Das ist das Letzte, woran ich mich noch erinnern kann, bevor ich das Bewusstsein verlor.

Bis heute ist unklar, welche Ursachen eigentlich zu diesem Herzinfarkt führten, den ich nur mit knapper Not, einer engagierten Reanimation und einer nächtlichen Operation überlebt habe. Klar ist aber, dass das Kreisligaspiel ihn beschleunigt hat. Für medizinische Laien (wie mich): Durch die inzwischen ungewohnte körperliche Beanspruchung hatten sich Ablagerungen in den Gefäßen gelöst und eine Arterie fast komplett verstopft. Das hat für den Infarkt gesorgt. Als ich in der Kölner Uniklinik nach fünf Tagen wieder zu mir kam und schließlich auch ansprechbar war, verstand ich zunächst nicht so recht: Kreisligaspiel? Welches Kreisligaspiel? Ich hatte doch gar kein Kreisligaspiel! Dafür hatte die Liebste aber meine Spielnotizkarte aufbewahrt. Tatsächlich, das war meine Schrift. Es ist bis heute das einzige Spiel mit mir als Schiedsrichter, an das ich keine einzige Erinnerung habe. Alles weg.

Natürlich ist der Fußball im Zusammenhang mit einem solchen Ereignis eigentlich völlig unwichtig. Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass ich die ganze Geschichte nur dann einigermaßen verarbeiten kann, wenn ich irgendwann mal wieder auf dem Platz stehe. Denn den Gedanken, die aktive Schiedsrichterei mit einem Herzinfarkt unwiderruflich beschlossen zu haben, fand ich schwer zu ertragen. Das Ereignis sollte und durfte einfach kein Menetekel sein, und so fragte ich zu Beginn dieses Jahres meinen Kardiologen, ob ich trotz der Maßgabe, einen (durch Betablocker gedämpften) Puls von mehr als 120 möglichst zu vermeiden, irgendwann wohl noch einmal als Schiedsrichter würde aktiv werden können. „Das kriegen wir hin“, brummte der Mann, „wenn Sie Ihren Körper langsam wieder an eine solche Belastung gewöhnen“. Zum Beispiel durch ein regelmäßiges Training auf dem Fahrrad-Ergometer. Kein Problem, hab ich zu Hause, wird gemacht.

Als ich dann gefragt wurde, ob ich Lust hätte, beim „Hot Pott“-Turnier zu pfeifen, schien mir das genau die richtige Gelegenheit für eine Rückkehr zu sein: Kleinfeld, kurze Spieldauer (zweimal zehn Minuten pro Partie), mutmaßlich bedächtige Freizeitkicker. Kurz: Aller Voraussicht nach nichts, was mich überlasten und überfordern würde. Sicherheitshalber sprach ich noch einmal mit meinem Hausarzt, einem Internisten, der selbst Herzpatient ist und trotzdem Sonntag für Sonntag in der Kölner Kreisliga B spielt. „Keine Einwände“, sagte er, „Ihre Werte sind ausgezeichnet, da kann nichts passieren“. Genau das wollte ich hören.

Am Turniertag war ich aufgeregter als jemals zuvor, wenn ich ein Spiel zu leiten hatte. Adrenalin, mein alter Freund, schön, dich wieder zu spüren! Ein gigantisches Gefühl, die Sporttasche zu packen, zum Platz zu fahren, die Schiedsrichterkollegen zu begrüßen, das Trikot überzustreifen, die Schuhe zu schnüren, Pfeife und Karten in den Brust- und Hosentaschen zu verstauen, das Latschenkieferöl zu riechen. Eine Pulsuhr und der dazugehörige Brustgurt gaben mir die letzte Sicherheit. Raus auf den Platz, Mannschaften begrüßen, Seitenwahl, anpfeifen. Ich bin den ganzen Tag lang nicht über den Kunstrasenplatz gelaufen, ich bin geschwebt. Das Vertrauen in den eigenen Körper, das durch den Infarkt so erschüttert worden war, es kehrte mit jedem Schritt ein bisschen mehr zurück. So fühlt sich Glück an. Die Kollegen ließen mich später sogar das Finale pfeifen, das werde ich ihnen nie vergessen. Der anschließende Muskelkater war heftig, aber er war auch der Beweis: Es geht wieder!

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Mein nächstes Ziel ist nun die Rückkehr aufs Großfeld, für ein normales, 90-minütiges Ligaspiel. Vielleicht in der Rückrunde, anlässlich einer Kreisligapartie der Raderthal Kickers oder des SC Rondorf 1912, wo die „Fokus Fußball“-Mitstreiter Klaas Reese respektive Thomas Reinscheid spielen. Seht euch also vor, Jungs, vielleicht wird das ja mein Fußballereignis des Jahres 2014!

5 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Eine tolle Story (die mir teils schon bekannt war), und schönerweise mit Happy End beziehungsweise spannendem Cliffhanger. Sei stets vorsichtig, lieber Alex, auf dass Du uns noch lang erhalten bleibst.
    Abseits Deiner Worte: Zufälligerweise bist Du heute in einem ganz anderen, wichtigen Fußballkalender zu lesen, aber das hat Dir der Herr Kamke sicher schon erzählt.

  2. „So fühlt sich Glück an.“ Und wie glücklich ich ebenfalls bin, dass es diesen Text gibt. Weiterhin … äh … kenne den Gruß unter Schiedsrichterkollegen gar nicht: „Gut Pfiff“? In jedem Falle noch viel Kreisligafußball!

  3. Muskelkater? Nach einem Kleinfeldturnier? Ich dachte, da dürften sich die Schiris regelbedingt nicht weiter als drei Meter von der Mittellinie entfernen dürfen? (Vermutlich nehmen die den Job halt nicht so ernst wie Du …)

    Aber das nur am Rande.
    Schön, dieser Text, in so vielerlei Hinsicht.

  4. Pingback: Tor 24: Bescherung | Fokus Fussball

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