Tor 9: Comeback


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Mit der Rückennummer 9 durfte ich wohl noch nie antreten. Zu gering wurden meine Torjägerqualitäten geschätzt. Umso schöner, dass ich mich an dieser Stelle selbst einwechseln kann. 

Man mag vermuten, dass an dieser Stelle eine Hommage an den letzten Auftritt der Roten Riesen in der Europa League gegen Anschi Machatschkala folgt. Das war zwar schön, aber das Fußballerlebnis des Jahres 2013 erlebte ich außerhalb der großen Stadien. Auf einem Ascheplatz in Köln-Zollstock:

Ich habe fast immer Fußball gespielt. Eine kurze Handball-Only-Episode gab es Anfang des Jahrtausends. Aber die Erfolgserlebnisse als Spieler bei den Cologne Kangaroos mit der – Dank des Talents des Älteren – zumindest einseitig gefürchteten Flügelzange der Gebrüder Reese endete abrupt nach Kahn- und Daumenbruch.

Danach wendete ich mich wieder dem Kreisklassenfußball zu. Die Raderthal Kickers boten die Fußballmomente, die ein Wochenende bieten sollte. Von nasskalt bis tropisch heiß. Auf Asche, Kunstrasen oder dem Heimspielrasen in der „Poller Hölle“. Ich war ein zu lauter Libero, der Mannschaftskollegen und Schiedsrichter mit seiner Brüllerei nervte. Dann ein ruhigerer Sonntagskicker, der bei einer Wette beziehungsweise erzieherischen Maßnahme fünf Kisten Bier gewann, weil er eine Saison ohne eine Gelbe Karte auskam.

Ich kickte so oft es zeitlich ging. In der Halle, im Park oder am See. Bis mir ein Mitspieler unglücklich in einem Zweikampf auf den Knöchel fiel. Der Fuß schwoll an. Auftreten wurde unmöglich. Die Schwellung wich zwar nach ein paar Tagen zurück, kam aber nach wenigen Minuten im Laufschritt wieder. Ein erster Comebackversuch machte die Sache nicht besser. Ein Desaster für den Bewegungsdrang. Für die Laune. Für die Figur.

In der Folge hing ich viel bei Ärzten rum. Man wollte operieren. Verödungen wurden geplant, von mir allerdings schnell verworfen. Von Bekannten hatte ich schließlich Horrorgeschichten über Fußoperationen und ihre Folgen gehört. Ich wollte lieber warten. Irgendwie musste das doch wieder gehen. Mein Heilfleisch hatte mich bis dahin noch nie im Stich gelassen.

Nach Tagen ging die Schwellung zurück. Nach Wochen versuchte ich wieder zu laufen und saß dann mit schmerzendem Fuß am Rhein. Monatelang ging das so. Bis ich einfach gar nichts Sportliches mehr machte. Nicht mal den verhassten Heimtrainer nutzte ich noch.

Es wurden 43 Wochen Fußballpause bis ich am 2.Juno zum letzten Saisonspiel meiner Kickers zusagte. Auf einem Ascheplatz in Zollstock war ich der 12.Mann. Nein, nicht der Fan, der von sämtlichen Fußballvereinen unisono wenig kreativ als solcher bezeichnet wird. Ich war tatsächlich die Nummer 12 und wartete auf meinen Einsatz. Die Mannschaftskameraden begrüßten mich. Teils gleichgültig, teils freudig mit der „Schön, dass du wieder da bist!“-Umarmung. Den meisten war schlicht nicht bewusst wie viel mir dieses Spiel bedeutete.

Schon beim Anziehen der Stutzen, der Hose und des seltsam kleinen Trikots war ich aufgeregt wie ein Kind vor der Bescherung. Um mich die Geschäftigkeit eines stinknormalen Kreisligakicks, der für beide Mannschaften am letzten Spieltag keine große Bedeutung mehr hat. Die Gastgeber von Arminia hörten tumbe Bum-Bum-Musik, um sich zu motivieren. Um mich herum drehten sich die Gespräche um ein Gelage vom Vorabend und um das Pokalfinale. Ich schnürte meine Schuhe so fest als möglich, damit die überteuerte Knöchelbandage nicht verrutschen konnte. Übernahm das Warmschießen des Torwarts und setzte mich an den Spielfeldrand.

An das Spiel kann ich mich nicht mehr recht erinnern. Nach Anpfiff zur 2.Halbzeit begann ich damit mich Warmzulaufen. Wechselte schnell ob akuter Kurzatmigkeit zum Dehnen. Ich glaube, dass ich beim Spielstand von 2:1 für den Gegner eingewechselt wurde. War aber auch egal. Etwa ab der 70. Minute sollte ich mich auf dem rechten Flügel versuchen.

Die Asche staubte an diesem warmen Junitag als ich nach 301 Tagen Pause seit dem ersten Versuch wieder kicken ging. Die ersten Bälle versprangen auf dem harten Geläuf. Kleines dickes Reese hatte mit der Koordination und nach zwei „schnellen Sprints“ auch mit der Kondition zu kämpfen. Dann gelang ein Einwurf, ein Pass, gar ein Flankenwechsel. Ich legte eine Torchance auf und schloss einmal selbst ab.

Der Spielstand blieb. Die Kickers verloren gegen das Team, das sie noch eine Woche zuvor mit 5:2 bezwungen hatten. Der Ärger hielt sich in Grenzen. Bei mir sowieso. Zu glücklich war ich darüber, dass der Fuß nicht wieder angeschwollen war. Ich lobte die Mitspieler. Setze mich dann ins Gras und entledigte mich der Schuhe. Klappte die Schienbeinschoner nach vorn und ließ mir ein Kölsch reichen.

Neben uns ließen drei Halbstarke Pyro und Rauchtöpfe abbrennen. Ich blinzelte in die Sonne, nahm einen großen Schluck und merkte wie sehr mir das gefehlt hatte. Der Sport, die Jungs und der überragende Geschmack des ersten kühlen Bieres nach einem Kick am Sonntagnachmittag.

 

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