Die beste Mannschaft aller Zeiten. Das spektakulärste Spiel seit Erfindung des Spiels. Historische Momente. – Es geht im Sport- und insbesondere im Fußballjournalismus selten eine Nummer kleiner. Aufmerksamkeit scheint nur durch Höher-Schneller-Weiter-Meldungen generiert werden zu können. Besonders wenn „alle Welt“ nur auf ein Spiel zu schauen scheint.
Benjamin Kuhlhoff, Redakteur bei 11 Freunde, war schon arbeitsbedingt voll im Rummel der Vorberichterstattung gefangen und wurde erst kurz vor Anpfiff um eine wichtige Erkenntnis reicher.
Was war das ein grandioser Hype rund um das Champions-League-Finale von Wembley. Zwei deutsche Mannschaften. In England. Schnappatmung.
Jeder äußerte sich zu diesem Spiel, selbst Menschen, die allerhöchstens Mal ein Tischfußballspiel in der Kneipe beobachtet haben, wurden zu Bayern- bzw. BVB-Fans hochstilisiert. Das ZDF versuchte gar den Begriff »Germanico« für dieses Spiel zu etablieren. Es schien, als teile sich die Republik in Rot-Weiß und Gelb-Schwarz. Dazwischen gab es nichts.
Ich bin Fan des FC Schalke, weswegen die Entscheidung Pro Bayern bzw. Pro Lüdenscheid in etwa gleichzusetzen ist mit der Entscheidung zwischen Pest oder Cholera. Und so haderte ich Tage vor dem Finale damit, wem ich denn nun eigentlich den Titel noch ein bisschen weniger gönnen würde. Letztlich trieben mich die leidlichen Bond-Vergleiche Jürgen Klopps bis kurz vor dem Anpfiff in die Arme des FC Bayern. Neunzig Minuten würde ich hoffen, dass Müller, Lahm und Co. den Hypeklub der vergangenen zwei Jahre in Grund und Boden rennen würden. Das würde schmerzhaft werden. Dachte ich zumindest.
Doch es wurde noch viel schlimmer, denn kurz vor dem Anpfiff traten plötzlich Lars Ricken und Paul Breitner in Ritterrüstungen auf den Rasen. Hinter ihnen folgten Legionen von Laiendarstellern, die sich mit Gummiäxten, Gummipfeilen und Gummischwertern bekämpfen. Es war eine lächerliche, teilweise erniedrigende Darbietung, in deren Mittelpunkt zwei Vereinsikonen gestellt wurde, denen man ansah, dass sie das alles so nicht gewollt hatten. Mir hat dieser Moment geholfen, weil ich dank ihm noch vor dem Anpfiff merkte, was für ein grandioser Schwachsinn dieses Finale eigentlich ist. Dass es Unsinn ist, sein Herz für neunzig Minuten einem anderen Klub zu leihen, nur weil er um die Krone im größten Zirkus von allen kämpft. Ich lehnte mich zurück und genoss einfach das Spiel. Als Schalke-Fan. Es war toll.
Vor einigen Wochen gestand Paul Breitner in einer Talkshow, dass er tatsächlich die ersten zwanzig Minuten des Finales verpasst hatte, weil er nicht aus seiner Ritterrüstung kam. Vielleicht hat auch er daraus eine Lektion für das Leben gelernt. Es wäre ihm zu wünschen.
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