Clubberer haben es in diesem Jahr ähnlich schwer wie die Hamburger Jungs. Einen Trainerwechsel und Spielabgänge galt es zu verkraften, die Mannschaft kämpft mit dem Fußball anstatt ihn zu spielen und gegen ausgerechnet – in diesem Fall darf dieses Wort mal genutzt werden – die Spielvereiningung aus Fürth wurde verloren.
Alexander Endl von den Clubfans United hat dieses Jahr mit all seinen Schwierigkeiten mitgelitten. Ein Fußballerlebnis des Jahres war nicht dabei. Das erlebte er in einer Turnhalle in Hessen und das Spiel muss sich kein bisschen hinter dem Triumph der Dortmunder gegen Málaga verstecken:
Neulich in der Selbsthilfegruppe: “Ich heiße Alexander und ich bin ein Clubfan!” “Hallo Alexander…”
“Mein schönstes Fußball-Erlebnis im Jahr”? Wie soll man als Fan des 1. FC Nürnberg im Dezember 2013 über sowas schreiben? Soll ich gedanklich zurückspulen und in Verzückung geraten, dass wir nach dem Weihnachts-Osterei 2012 aka “Hecking” im Frühjahr nicht gleich auseinanderfielen? Oder nachträgliche Freudentränen über erste Dreier unter Wiesinger vergießen, über ein 2:1-Erfolg gegen Borussia Mönchengladbach schwadronieren, wie es einem die Hoffnung gab, dass man die Rückrunde vielleicht nicht nur schadlos, sondern sogar ordentlich überstehen würde? Oder wie wäre das 3:0 gegen die Schalker Freunde, was immerhin das siebte Spiel ohne Niederlage in Serie war? Glorreich war das Spiel allerdings nicht wirklich…
Nein, ich passe. So verbiegen kann man sich gar nicht und sich der aktuellen Tristesse entziehen, man kann sich jetzt nicht an die schönen Dinge erinnern, während die eigene Mannschaft im Keller steht. Und Hand auf’s Herz – so wirklich schön waren die Momente eben dann auch eher selten. Natürlich gab es schöne Augenblicke, wie das versöhnliche Saisonende mit den Siegen gegen Düsseldorf und Bremen, und es waren genugtuende dazu, denn man hatte es “trotz Hecking” doch geschafft, aber die ganz große Begeisterung sieht dann doch anders aus.
Das Fußball-Jahr 2013 begann mit durchmischten Gefühlen, gab im Mittelteil phasenweise Anlass zu Optimismus für die Zukunft, erhielt gegen Sandhausen einen bösen Dämpfer und wurde spätestens im Spätherbst von einer Blutgrätsche des Fußball-Gottes zurück auf den Boden eines vereisten Hartplatzes zurückgeholt.
Für einen Adventskalender-Eintrag war 2013 schlicht und ergreifend untauglich.
Aber es geht auch anders!
16. Februar, Samstagmorgen, 10 Uhr, irgendwo in Hessen in einer Kreissporthalle. Gut gefüllte Ränge auf beiden Seiten des Spielfeldes, erwartungsfroh angespannte Atmosphäre bei den Protagonisten – und die hießen nicht Ribery, Lewandowski, Diego oder Kiyotake, sondern hatten Namen wie Nils, Marcel, Sergen oder Jonathan. 11 Teams aus dem gesamtem Kreis hatten sich durch jeweils vier Qualifikationsturniere gemüht und sich gegen 50 andere Mannschaften durchgesetzt. Nun das Finalturnier – und er war mitten drin dabei: mein Sohn Lorenz, E-Jugend-Torwart beim VfB Unterliederbach, gerade 10 Jahre geworden. Und sein Team überstand mit Bravour die Vorrunde und Zwischenfinales, nun ging es ins Finale und da um Alles – und das ausgerechnet gegen den großen Rivalen im Kreis.
Anstoß. Der Gegner spielte im 2-1-1, während man selbst das offensivere 2-2 bevorzugte. Aber was dieser 1-Mann-Sturm des Gegners da vorne leistete, war einfach Wahnsinn. Nicht nur, dass er wieselflink als 1-Mann-Pressing auf unsere beiden Verteidiger unglaublichen Druck aufbauen konnte und so das Aufbauspiel blockierte, er wollte das Spiel wohl auch gleich noch im Alleingang selbst entscheiden. Zwei klasse Schüsse landeten unhaltbar zum 1:0 und 2:0 in den Maschen. Was für ein Rückschlag! Und auf der Tribüne begannen die Anfeuerungs-Rufe des Gegners zu eskalieren, während der eigene Tross auch in Anbetracht der Kürze der noch verbleibenden Spielzeit von nur wenigen Minuten fast schon die Hoffnung aufgab. Man hatte so ein tolles Turnier gespielt, hatte alles reingeworfen, im Halbfinale einen ebenbürtigen Gegner niedergerungen, auch dank der Paraden des eigenen Filius – nun stand er da unten am Platz, mit einer Mischung aus Wut und Trotz und totaler Enttäuschung und am liebsten wäre man runtergelaufen… Aber hey! Das ist Fußball!
Anstoß nach dem 0:2 und unser schußgewaltiger Mittelfeldmotor nimmt sich den Ball, geht einige Schritte und drischt die Pille aus der Distanz in den Knick. Und dann brachen alle Dämme – die Minuten waren jetzt auf deiner Seite. Das Team entfesselte eine Aufholjagd, an die man sich sicher noch lange erinnert. Hatte das 1:2 die Fesseln gelöst, wurde jetzt der Gegner einfach überrannt. „2:2, Ausgleich. 3:2! 4:2, die Entscheidung!? Nein! Zurückgepfiffen! Egal, weiterrennen, weiterspielen, reine Spielfreude, dann doch das 4:2!“ Aus! Aus! Hallenkreismeister! Wahnsinn! – Zwei Tage später fand ich meine Stimme wieder.
Seit den Bambinis verfolge ich nun das Team. Von den zwischenzeitlichen 5 Kreismeisterschaften in der Halle gewannen die Jungs des VfB Unterliederbach (Jahrgang 2003) vier, einmal wurden sie Dritter. Langweilig wird das nie. Im Fußball ist es von Groß bis Klein, von den Götzes bis zum kleinen Noah, immer das gleiche: Nichts schmeckt süßer als ein Sieg, nichts euphorisiert mehr als ein Pokal und ein Titel. Die Eltern und auch Betreuer sehen natürlich darüber hinaus, wissen wie wichtig es auch ist verlieren zu lernen, Teamgeist, die sportliche und persönliche Entwicklung in den Vordergrund zu stellen, aber in dem Augenblick, wenn der Schlußpfiff ertönt und du die Arme hochreißt, da gibt es nichts, was dich in dem Moment mehr von den Stühlen reißen könnte. Und dennoch… Nie würde ich aufhören “Clubfan” zu sein.
Es mag Ironie des (Fußball-)Schicksals sein, dass ich Wochenende für Wochenende zwischen Euphorie und Wahnsinn hin- und herpendeln muss. In 15 Ligaspielen gelangen den jungen Kickern des VfB 15 Siege und 110:10 Tore. In 15 Ligaspielen gelang dem FCN in dieser Zeit kein einziger Sieg bei nur 14 eigenen Treffern. Das bedeutet hier Tabellenführer und dort Vorletzter – die Extreme könnten wohl kaum größer sein. Und doch verbindet beides untrennbar etwas: meine Leidenschaft. Woher die kommt ist dabei unerheblich. Beim VfB ist es das eigene Kind, das die Verbindung schafft, beim 1. FC Nürnberg irgendwas zwischen Verbundenheit mit der fränkischen Heimat und einem hornbyeskem Der-Verein-wird-dir-gegeben-Pathos. Aber ob nun nach 15 Spielen zum ersten Mal in der Profi-Saison oder beim packenden Jugend-Finale: Die Niederlagen schweißen einen zusammen, aber es sind am Ende die Siege, die einem das Jahr versüßen, und sie sind der Grund, warum man am Ende doch wieder zum Platz oder ins Stadion pilgert oder den TV oder das Radio anschaltet – um sie ja nicht zu verpassen und um sich dann für ein paar Momente diesem Glücksgefühl hinzugeben, der dem Fußball-Infizierten eben so nur ein Sieg bescheren kann. Ein Sieg, der alles Außenrum, alle Last und Sorge des Alltags, einfach wegzufegen vermag – und sei es nur für ein paar Augenblicke.
Ach ja. Wer sich das Finale der MTK-Hallenkreismeisterschaft E2-Junioren 2013 selbst anschauen will:
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