Link11: Peps dornenvoller Vorweihnachtskampf

Neues Format hier bei uns: Weil wir alle mit Glühweintrinken, Laserschwertschwingen und Geschenke kaufen beschäftigt sind, können wir derzeit nur einmal pro Woche eine Linksammlung anbieten. Dafür ist diese gespickt mit brisanten, satirischen und wichtigen Artikeln. War ja einiges los diese Woche. Los geht’s!

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1. Begonnen hat diese Woche schon am Samstag mit der Auslosung der EM-Gruppen. Deutschland hat mit Polen, der Ukraine und Nordirland ein recht gnädiges Los erhalten, die Analysen zur „machbaren Gruppe“ erübrigen sich so weit vor der EM. Spannender ist, wie der DFB Tickets für die Europameisterschaft an den Mann bringen will. Das geht nämlich nur, wenn man Mitglied des „Fanclub Nationalmannschaft powered by Coca-Cola“ wird. (ZDF-Erklärvideo) Zwangsmitgliedschaft nennt man das. Und verboten scheint diese Methode auch zu sein, wie ein Kartellrechtler feststellte. Der DFB, immer noch auf Samtpfoten unterwegs.

2. Bleiben wir doch gleich dabei: Auch die hauseigene Affäre zur WM-Vergabe zuckelt weiter unruhig vor sich hin. Diese Woche sorgten Leaks der Bild-Zeitung für Aufsehen, weil sie Vernehmungsprotokolle der geheimen Freshfields-Anhörungen enthielten. Das war interessant, weil es eine neue Version zum Verbleib der 6,7 Millionen gab. Nicht die einzige diese Woche. Eine Übersicht:

  • Wolfgang Niersbach hat Franz Beckenbauer den schwarzen Peter zugeschoben. Gegenüber den Freshfields-Anwälten erzählte er, dass die 6,7 Millionen für die Wiederwahl Sepp Blatters bestimmt waren. Sein Beleg: Ein Satz Beckenbauers nach der Wahl 2002: „Der ist auch mit meinem Geld gewählt worden“
  • Die zweite Version: Otto Schily, damaliger Bundesinnenminister, wurde diese Woche im Bundestag angehört. Der schwarze Peter wanderte weiter zu Theo Zwanziger. Der habe damals die knapp 7 Millionen für die Eröffnungsgala bewilligt und sei deshalb mitschuldig. Schily selbst sei getäuscht worden. Komisch, dass seine Unterschrift unter einem Dokument etwas anderes sagt, wie der DLF berichtet.
  • Und dann gibt es ja noch die Version von Franz Beckenbauer, mit der irren Idee, erst 6,7 Millionen an die Fifa zu zahlen, um dann 170 Millionen als Zuschuss zu bekommen. (Niersbach hat diese Story ja auf einer denkwürdigen Pressekonferenz nacherzählt, mittlerweile erinnert er sich offenbar anders, siehe Version 1). Die Kaiser-Erzählung jedenfalls belastet vor allem die Fifa, deren Ex-Präsident Sepp Blatter im Spiegel-Interview diese Version als „absurd“ zurückwies. Der schwarze Peter weiß nicht mehr wohin.

Tja. Drei Versionen, jede Menge Schlamm in alle Richtungen geworfen und keine klingt furchtbar glaubhaft. Womöglich haben wir einfach noch nicht alle Geschichten gehört. Und auch der aktuelle Übergangspräsident Reiner Koch bemüht sich, mit seinen Äußerungen für Verwirrung zu sorgen. Er lobte Wolfgang Niersbach diese Woche für dessen internationale Kontakte und wünscht sich deshalb unbedingt dessen Verbleib in Uefa- und Fifa-Komittees. Ein Klassiker: Der Bock wird zum Gärtner, wie die taz schreibt.

3. Erfreulichere Nachrichten für den DFB: Das DFB-Pokal Viertelfinale wurde ausgelost. Die Partien:

  1. FC Heidenheim – Hertha BSC | VfB Stuttgart – Borussia Dortmund | Bayer Leverkusen – Werder Bremen | VfL Bochum – FC Bayern München

Womit wir bei einer interessanten Anekdote dieser Woche sind: Der Bayerngegner Bochum gab auf einer Pressekonferenz bekannt, künftig nicht mehr auf Fragen des Bild-Reporters Joachim Droll zu antworten. Man könne einfach nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten, hieß es vom Verein. Trainer Gertjan Verbeeck hatte ihn im Sommer auf dem Höhepunkt der Bild-Bundesliga-Wirhelfen-Kampagne unumwunden als Arschloch bezeichnet. Eine holländische Fußballsendung hat die beiden Streithähne nun zu Wort kommen lassen, mit Verbeeck im Studio über den Bild-Mann gefachsimpelt und der Bildblog hat das übersetzt. Wenn ihr mich fragt: Beide nicht ganz sauber.

4. Zurück zum Bochumer Gegner: dem FC Bayern. Selten Nie gibt es ruhige Wochen in München. Diese war ganz besonders aufgeregt. Pep Guardiola steht wohl kurz davor bekannt zu geben, seinen im Sommer auslaufenden Vertrag nicht zu verlängern. Was zuerst nur eines der vielen unverschämten „Marca“-Gerüchte war, entwickelte sich spätestens mit dem Cover des Kicker-Magazins zu einer sehr wahrscheinlichen Option im Vertragspoker. Schuld seien, so der Kicker, auch die Ärzte, mit denen Pep wohl noch immer nicht klar kommt. Machtspielchen waren schon immer Teil der Vereinsidentität, weshalb Spiegel Online Peps Zeit anhand der stattgefundenen Spielchen Revue passieren lässt.

Der Verein will nach dem Spiel in Hannover eine Pressemitteilung heraus geben. Wie diese auch aussehen mag, ein Pep-Abschied wäre gewiss nicht das Ende der erfolgreichen Bayern-Jahre, kommentiert Philipp Selldorf in der SZ. (Schade, Bundesliga).

5. Eine andere Entscheidung sorgte in dieser Woche zumindest in Bayern-Fankreisen für einen kleinen Aufschrei: Während wir immer noch auf den offiziellen Termin für das Benefizspiel zu Gunsten von Geflüchteten warten (Sie erinnern sich: Große Pressemitteilung im September), gab der Verein bekannt, sein Trainingslager wieder in Katar abhalten zu wollen. (Katar: hält Sklaven, werden Verbindungen zum IS unterstellt, feiert heute Nationalfeiertag)

Weil der Klub geschickt ist, hat er das über seine Hofpostille SportBild gemacht und darin auch gleich verkünden lassen, dass sich die Kapitäne Lahm, Müller und Neuer nach informativen Gesprächen mit der Public-Affairs-Abteilung, so etwas wie der politischen Bildungszentrale des FC Bayern, gegen einen Boykott entschieden haben. Boykott? Hat den jemand gefordert? Um den Bayern-Kapitänen (und der BpBFCB) vielleicht auf die Sprünge zu helfen, sollten Sie sich diesen offenen Brief eines ehemaligen Vereinsmitglieds nochmal durchlesen, der nach dem Katar-Trainingslager 2015 seinen Austritt verkündete. Hat an Aktualität nichts verloren.

6. „Es ist, als hätte ich jemandem die richtigen Lottozahlen gegeben und werde dann nicht am Gewinn beteiligt,“ sagt Jean-Marc Bosman, dessen Kampf durch die juristischen Instanzen von 1990 – 1995 der Türöffner für das heutige Transfersystem mit Ablösesummen und Handgeldern war. Er selbst hatte davon wenig, die fünf Jahre vor Gericht brachten ihn an den Abgrund, am Ende bezog er Sozialhilfe, war zweimal geschieden und hatte stark zugenommen. Die 11Freunde erzählen anlässlich des 20. Jahrestages am Mittwoch dieser Woche in ihrem Rebellen-Sonderheft seine Geschichte verwoben mit der von George Eastham, einem früheren „Arbeiterkämpfer“. Die sportrechtliche Tragweite zum Bosman-Fall liefert Causa Sportsnews.

7. Diese Woche ist auch eine neue Ausgabe des von mir geschätzten Transparent-Magazins erschienen. Der Themenschwerpunkt ist die zunehmende Beschneidung von Gästefanrechten. Kai Tippmann, Blogger auf Altravita.com, beschreibt in einem Interview den Umgang italienischer Fankurven mit der Fankarte und vergleicht die italienischen mit den deutschen Verhältnissen. Weitere Themen des Hefts sind ein Rückblick auf die Refugees-Welcome-Kampagne der Bild, die Jahresfeier der Hogesa und ein Blick nach Südafrika. Gute Feiertags-Lektüre.

8. Geruhsame Weihnachten wird Jose Mourinho haben. Kein Boxing-Day für ihn, Chelsea wird gegen Watford ohne ihn antreten. Was sich länger andeutete, ist seit gestern Gewissheit: Aus „The Special One“ wurde „The Sacked One“. Chelsea hat nach 16 Spieltag 15 Punkte und dümpelt kurz vor den Abstiegsplätzen. Reicht natürlich nicht, Jose musste gehen. Mourinho darf nun immerhin schöne Geschenke kaufen, 16 Millionen soll er als Abfindung kassieren. Zeit Online hat zum Abschied aus London seine schönsten Zitate gesammelt. (Der Nebeneffekt: Das Trainerkarussell für nächsten Sommer beginnt gerade, ordentlich an Fahrt aufzunehmen. My advice: Only trust the Ermittler.)

9. Wikileaks gibt es jetzt auch im Fußball. Heißt Football Leaks, sitzt vermutlich in Portugal und hat sich eine Leitlinie gesetzt: „This kind of secrecy about contracts and secret clauses is killing this sport“, sagt John, der sich als Führer der geheimen Gruppe ausgibt. Meint: Die geheime Dealerei einiger Manager ist der Tod für diesen schönen Sport und deswegen veröffentlichen wir ab jetzt geheime und schmutzige Dokumente. 300 Gigabyte an Informationen will Football Leaks besitzen, das bringt die Geschäftemacher des Fußballs natürlich ins Schwitzen: „Keiner weiß, was passiert, aber jeder weiß, dass er nicht der nächste sein will“, sagt ein anonymer Kluboffizieller gegenüber der New York Times, die über die Enthüller berichtet. Ihr erstes großes Opfer war Twente Enschede, die am Mittwoch von der Uefa wegen des Verstoßes gegen das verbotene Third-Party-Ownership (TPO) von allen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen worden sind. Grundlage waren die geleakten Dokumente. Ob sich die Jungs auch bald der Fifa widmen?

10. Dann würde die Luft für Sepp Blatter, die ohnehin schon sehr dünn ist, wohl auf das Level eines Vakuum-Raumes sinken. Gestern hat sich Sepp Blatter vor dem Fifa-Ethikkomittee verteidigt. Es könnte sein letzter Gang in das Fifa-Haus gewesen sein, eine lebenslange Fußballsperre droht ihm. Lässt sich aus seinem Gesicht bei der Abfahrt etwas heraus lesen?

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Wie dem auch sei. Heute darf Michel Platini sich äußern, am Montag werden die endgültigen Urteile erwartet. Wer nun denkt, Blatter wäre isoliert, der kennt die Weltwoche nicht. Eine konservative Schweizer Zeitung, die schon mal mit dem Titel „Rettet die Männer – Wer sich nicht wehrt, endet am Herd“, aufwartet. Diese Woche hat sich die Zeitung aber einen internationalen Namen verschafft. Wie macht man das? Genau, man schwimmt gegen den Strom und kürt Sepp Blatter zum Schweizer des Jahres.

„Sein dornenvoller Kampf für eine bessere Welt.“ Hab gerade meine erste Träne, die langsam den Backen herunter gekullert ist, getrocknet. Welch ein Bauernopfer er ist. Unverschämter Umgang mit ihm. Vice-Journalist Bene Nießen hat den dornenvollen Kampf der Weltwoche um Anerkennung beschrieben. Unterdessen wiederholte ein anderer Vorkämpfer für eine gerechte Welt, Wladimir Putin, gestern seine Forderung, Blatter endlich den Friedensnobelpreis zu überreichen.

11. Und weil Waldimir ein besonnener Zeitgenosse ist,  gleichen die Berichte über dem Fußball aus der Ukraine mehr einem Frontbericht als einem Verkünden von Ergebnissen. Tom Mustroph hat sich für den Deutschlandfunk auf Spurensuche bei den Ultras von Dynamo Kiew begeben: „Sticker von jedem Team sind in der Waffenkammer angebracht. Mehr als 200 Sticker sind dort. Jeder Ultra, der dort reingeht, um seine Waffe zu holen, befestigt dort den Sticker seines Vereins. Ich kenne kein Team, dass niemanden an der Front hat.“

Geburtstagskind des Tages

(Auflösung von gestern, (was ihr aber nicht wissen könnt ;)) Boubacar Sanogo wurde 33.)

Meist geklickter Link vergangene Woche
Das Webspecial des Bayerischen Rundfunks, welches detailliert aufzeigte, woher die Bundesliga-Profis stammen.

Field Reporter

»Es gibt einfach keine Lösung, die jedem gerecht wird: Einige Fangruppen wollen nicht, dass montags gespielt wird, die Amateure wollen nicht, dass wir sonntags spielen, dann soll noch der Kernspieltag Samstag bleiben, viel mehr Anstoßzeiten soll es nicht geben, die Ticketpreise sollen nicht erhöht werden, und die 50+1-Regel soll auch bleiben. Unter diesen Rahmenbedingungen dauerhaft immer noch die zweitgrößte Liga der Welt zu bleiben und sportlich zu den Top-3-Ligen zu zählen, das ist nicht so ganz einfach.«

Die ZEIT bittet DFL-Chef Chistian Seifert zum Gespräch und geht mit ihm die wichtigen Themen des Jahres durch: Von der Fifa über den DFB hin zu künftigen Vermarktungsstrategie der Bundesliga und seinen Aufgabe als Ligachef. Zwischen den Zeilen lässt er einige Mutmaßungen für die Zukunft zu, nicht alle klingen erfreulich.

Mixed Zone
Hamburg: Uwe Seeler macht sich Sorgen, weil Pierre-Michel Lasogga nicht so werden will wie er (11Freunde-Interview) + + + Im Fußballhimmel: Wie ein Liverpool-Fan ein Mainz – und ein Hoffenheim-Heimspiel besucht und sich alle seine Wünsche erfüllen (This is Anfield) + + + Fand die ARD-Übertragung des Klassikers Bayern-Darmstadt mäßig gut: Die schottische Furche. + + + Schickt sich an, die #Link11 als smarteste Linksammlung des Netzes abzulösen: DID-Sport aus dem Wedding + + + Die Champions- und Europa-League-Auslosung und die Chancen deutscher Teams hat Aktives Abseits. + + + Vegan in der Bundesliga: Kein Problem für Marco Sailer (ZEIT Online) + + + Heikle Auslosung: Fenerbahce gegen Lokomotive Moskau ist das politischste Duelle der Europa-League-Runde (James Dorsey bei Mideastsoccer) + + + Sara Peschke beschreibt das Schicksal eines jungen Kickers aus Mali, der wegen gieriger Agenten vom PSG-Paris-Jugendcamp zum Obdachenlosen in Paris wird (NZZ) + + +

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