#Link11: Grindel würde Sie nur verunsichern

Es war vorhersehbar, dass diese Debatte nach dem abgesagten Länderspiel vom Dienstag aufkommen wird. Wie viel Bedeutung darf einem Fußballspiel beigemessen werden? Würde uns ein Teil der Antwort verunsichern? Ich habe in den vergangenen Tagen viele Texte dazu gelesen und mich immer wieder gefragt, was kann der Sport? Was kann er nicht?

Die Antworten darauf fallen schwer. Vielleicht fragen sich das ja auch andere. In dieser Link11 gibt es verschiedene Ansätze, um diese Fragestellung zu betrachten. Für die Leichtigkeit sorgt Reinhard Grindel, ein 54-jähriger CDU-Politiker aus Niedersachsen, und ab sofort Symbol für den Neuanfang des DFB.

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1. Ein nachdenklicher Text zur Bedeutung des Sports erschien bereits am Montag vor dem Länderspiel. Wolfram Eilenberger schuf den Spieltypus „Trotzspiel“ und erklärte, warum es wenig Sinn gemacht hat, das Spiel überhaupt anzusetzen. Denn von vorneweg war klar, was das Spiel nicht sein würde: Ein Sportereignis. Und verlor damit seine sinngebende Alltagsnormalität, die sich nicht simulieren lässt.

2. Nachdem das Spiel abgesagt wurde, dauerte es nicht lange, bis die Kommentatoren Fragen nach der Überhöhung des Fußballs stellen würden. Philipp Köster, Chefredakteur der 11Freunde, reißt mit seinem Essay die turmhohe Messlatte ein, die sich der DFB seit vergangenem Freitag selbst auferlegt hatte. Das Spiel in Hannover sollte nichts weniger als „ein Symbol für Freiheit und Demokratie“ sein (Joachim Löw), begleitet mit Choreographie, Gedenkkerzen und Kondolenzbuch vom „Fan Club Nationalmannschaft powered by Coca-Cola“. Das ist einfach zu viel für eine Sportart, die vor allem davon lebt, Woche für Woche gespielt zu werden.

3. Ähnlich argumentiert Christian Spiller, auch wenn er einige Punkte, wie die Aussage von Aki Watzke, wonach eine Absage der Bundesliga „Freudenstürme in Syrien auslösen“ würde, etwas anders sieht als die 11Freunde. Er analysiert außerdem, welche Folgen der Dienstagabend für die nahe Fußballzukunft haben wird: Mehr Sicherheitskontrollen, nachdenkliche Nationalspieler und skeptische Stadionzuschauer.

4. Dieses Thema taugt nur bedingt zur Pyrotechnik-Debatte, finde ich. Der Kicker versucht eine vorsichtige Annäherung mit Didi Beiersdorfer und würde sich, wie übrigens auch Christian Spiller im vorherigen Text, freuen, wenn es am Wochenende keine Böller zu hören gebe. Die Gründe dafür liegen auf der Hand.

5. Und auch das gehört zur politischen Seite von Fußballstadien: Nationalisten, die den Fußball für sich vereinnahmen. Gerade hier braucht es engagierte Zuschauer, die ihre Meinung nicht am Stadionkreuz abgeben. Geschieht dies nicht, sehen wir Szenen wie in der Türkei, als die Schweigeminute für die Terroropfer vor dem Länderspiel gegen Griechenland von Pfiffen und antikurdischen Rufen unterbrochen wurde. Deniz Yücel war dabei.

6. Trotz der symbolischen Überfrachtung vom Dienstag gibt es Narrative, die sich wunderbar am Fußball erzählen lassen. Integration gehört anhand #DerMannschaft wohl zu den meistbenutzten. Den meisten Deutschen scheint es egal zu sein, ob nun Thomas Müller oder Mesut Özil für die deutschen Farben trifft. Und das ist gut so. Blickt man nach Frankreich, wo bereits das WM-Team von 1998 zum Multikulti-Weltmeister erhoben wurde, muss man 17 Jahre später feststellen, dass es den Franzosen schwerfällt, ihr Team als identifikationsstiftend für die heterogene Nation zu begreifen. Oli Fritsch sammelt bei Zeit Online dafür einige Argumente, leider passen auch geplante Terrorinfernos während der WM 1998 in diese Chronologie.

7. Kurz vor dem Länderspiel am Dienstag trafen sich die Landesfürsten der DFB-Regionalverbände. Sie einigten sich auf einen neuen Lieblings-DFB-Präsidenten-Kandidaten. Das ging schnell. Zu schnell, meint Arno Hecker in der FAZ. Reinhard Grindel heißt der gute Mann, sitzt seit 2002 für die CDU im Bundestag. Der Auserwählte selbst sagt nur: „Ich beteilige mich nicht an Personalspekulationen.“ Sein Start jedenfalls verläuft äußerst holprig, schuld ist ein angeblicher Brief von Wolfgang Niersbach und Helmut Sandrock aus dem Jahr 2013, in dem sie Grindel dazu verpflichten, sich künftig im Bundestag nur noch zu sportrelevanten Themen im Bundestag zu äußern. Diese merkwürdige Interpretation des freien Mandats und weitere Absurditäten listet die Berliner Zeitung.

8.  Bislang hat er keinen Gegner um das Amt. 2012 sah das anders aus. Damals probierte es taz-Redakteur Andreas Rüttenauer mit dem „Manifest 2020“ als Kandidat für den Posten des DFB-Präsidenten. Er verlor und Wolfgang Niersbach nahm Platz. Dieses Mal trat er nicht an, wohl auch, weil seine bösen „Verboten“-Kollegen ihm ohnehin den Rückhalt versagten.

Nun rächt sich Rüttenauer an der neuen Symbolfigur für Transparenz, Modernität, Klüngelei, Fortschritt, : Rüttenauer hat sagenhaftes Videomaterial vom designierten DFB-Boss Reinhard Grindel ausgegraben: Ganz laut aufdrehen, Freunde!

https://www.youtube.com/watch?v=qmm8VhXeBUs

Ein zuverlässiger Stimmungsbarometer für solche Fälle ist dieser Twitteraccount:

9. Ja, so ist das eben mit dem Internet, wenn man von 0 auf 100 aus dem Schatten der Otto-Fleck-Schneise (Grindel war bislang DFB-Schatzmeister, nur kannte ihn fast keiner) hervortritt und plötzlich für den Neuanfang des DFB steht. Medienjournalist Stefan Niggemeier hatte sich Grindel schon 2013 in einem Blogeintrag vorgenommen, weil der frühere Journalist (!) erfolgreich beim NDR gegen die Ausstrahlung einer TV-Dokumentation seines direkten Wahlkreisgegners protestierte.

Also: Das wird doch ein super Neuanfang beim DFB! Oder in den Worten von Grindels Imagespot:

Kommt mit ins Zukunftsland!

10. Bei dem ganzen Gegrindel und Klein-Klein der Landesverbände verliert man schnell den Blick für das große Ganze. Also schnell nach Zürich in den Bunker des Weltfußballs am Zürichberg. Dort sitzt schon länger nicht mehr Sepp Blatter, seine Suspendierung aus allen Ämtern im Weltfußball ist weiterhin gültig. Das bestätigte gestern auch die Berufungskommission des Weltverbandes.  „Enttäuscht“ sei Blatter, teilte eine Agentur von ihm mit. Der Arme. Vielleicht hat er ja Lust auf einen Wahlkampf mit Reinhard Grindel? Muss er aber noch ein Video von der Arbeit im Wahlkreis produzieren, sonst wird das nix. Auch Michel Platini bleibt gesperrt, was ihm angesichts der Hoffnung auf das Amt des FIFA-Präsidenten nicht so recht ins Konzept passt.

11. Nach so vielen schweren, bedeutungsvollen und wichtigen Inhalten widme ich dem elften Link eine absolute Nonsens-Meldung: In Dortmund haben Schalker Gerüstbauer eine Fahne an den Weihnachtsbaum gehängt. So viel sei verraten: Die war nicht schwarz-gelb und auch nicht weiß-rot. Sie wurden dafür aber weder auf offener Straße gestellt noch von Aki Watzke persönlich in einem Interview diskreditiert, nein, sie sollen jetzt 500 Euro Strafe zahlen. Macht damit, was ihr wollt.

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Field Reporter

»Ich muss gewählt werden. Ich stelle mich ja dem Votum meiner Mitbürger. Das alles muss ein Journalist nicht tun, sondern er kann mit dem Rotwein in der Hand und dem Computer vor sich fröhlich seine Meinung versuchen, unter die Leute zu bringen, ohne dann, spätestens nach vier Jahren Rechenschaft abzulegen.«

Nochmal Reinhard Grindel, selbst langjähriger ZDF-Journalist, in der Reihe: „Politik für Dummies“. Bleibt nur noch zu klären, ob die Rotwein-Anekdote sein persönlicher Verdacht gegenüber Journalisten ist oder ob das auf seiner eigenen Erfahrungswelt beruht. Jedenfalls hat er damit die #Link11-Schreiber enttarnt. Mist!

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