#Link11: 50 Shades of Dominanz

Es fällt mir schwer, dieser Tage den Überblick über alles zu behalten, was im Fußball passiert. Die FIFA wird von innen wie außen zersetzt, steht aber dennoch vor der Wahl des nächsten Patriarchen, der künftig ihre undurchsichtigen Geldflüsse in die richtige Richtung lenken darf. Der DFB wiederum bezichtigt die FIFA der Schuld am deutschen Korruptionsskandal, ist aber gleichzeitig Gegenstand einer „externen Untersuchung“ (durch seine Kumpels aus dem Rotarier-Club). Der FC Bayern wird weithin dafür geschmäht, die Bundesliga zur langweiligsten Veranstaltung seit der Erfindung der Ü-30 Party zu machen, scheint aber dennoch das einzige Thema zu sein, für das TV-Journalisten sich ernsthaftes Interesse abringen können.

Sei es drum. Die Teilnehmer am Achtelfinale des DFB-Pokals der Herren stehen fest. Zuschauer wie ehemalige/aktuelle Mitarbeiter des FC Bayern Experten mussten sich dabei am gestrigen Abend mit der zweiten Riege des deutschen Fußballs (also alles unterhalb des umkämpften ersten Bundesligatabellenplatzes) zufrieden geben. Währenddessen gaben zahlreiche Fußballfunktionäre entrückte Interviews über Ludwig XVI., den Zerstörungsfeldzug der Europäischen Union gegen den Weltfußball und brutale mittelalterliche Kriegstaktiken. Passt ja irgendwie.

Vielleicht hätte ich eingangs schreiben sollen, dass es mir schwer fällt, Fußball dieser Tage nicht als zähflüssigen Brei aus Klüngel und devoter Elitenverehrung wahrzunehmen. Zumindest gefühlt hüpften mir diese Woche Hegemonie abseits des Platzes und „Dominanz“ darauf entgegen, wann immer ich in einen Sportteil blickte oder den Fehler machte, den Fernseher anzuschalten. Vielleicht ist es an der Zeit, dass wir unsere Haltung zum Großevent Fußball allmählich ein wenig verändern. Vielleicht aber auch nicht.

Entschuldigt bitte die polemische Einleitung. Es gibt manchmal Tage, da habe ich einfach schlecht geschlafen. Ich gelobe Besserung.

blogundpresseschau

1. Heute bei „Alte Männer teilen die Welt unter sich auf“:
Günter Netzer reiht sich in die Gruppe derer ein, die ihre Pfründe gegen Vaterlandsverräter Theo Zwanziger zu verteidigen versuchen. Letzterer beschuldigt Netzer, ihm gegenüber die Bestechung von FIFA-Funktionären gestanden zu haben. i-Tüpfelchen: Netzers Anwalt benennt dessen Frau Elvira als Kronzeugin.
Im selben Artikel: Die den DFB von unabhängiger Seite überprüfende Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer ist… womöglich doch nicht komplett unabhängig (FAZ).
Der NDR nennt die PR-Offensive Netzer/Beckenbauer einen „medialen Stellungskampf“.

»Ich sitze seit Jahrzehnten in verschiedenen Gremien des FC Bayern München. Aber ich duze mich mit keinem Menschen von diesem Verein. Ich sehe mich da völlig unabhängig. […] Ich duze mich nicht mit Beckenbauer. […] Nein. Beim Focus duze ich auch niemanden. […] «

Helmut Markwort, FC Bayern-Vorstand und Focus-Herausgeber, attackiert währenddessen Spiegel-Chefredakteur Brinkbäumer für dessen Kritik am deutschen Sportjournalismus aufs Schärfste und beteuert zudem glaubwürdig, dass Ehrenmänner keine Interessenkonflikte kennen (Meedia). In diesem Sinne: Schicken Sie mir den Chefredakteur!

2.

»Gentlemen’s Agreements waren in der Praxis ein durchaus normaler Vorgang. In diesen Kreisen hat man solche Agreements, wie sie ja lange in ganz Europa üblich waren, für sehr ernst und bindend genommen. Wie der deutsche Handschlag. Man hat sich früher die Hand gegeben und Verträge geschlossen. Das spielt sich auch auf diesem Niveau ab.« (Tagesspiegel)

Noch eine Prise unterhaltsamer geht es derweil bei den Ehrenmännern der FIFA/UEFA zu. Sepp Blatter, erst vorgestern von seinem „Berater“ als Opfer robespierr’scher Zerstörungswut ausgemacht, gab der russischen Nachrichtenagentur Tass ein Interview, dessen wirre Äußerungen zusammenzufassen wohl eine #Link423 erfordern würde. In aller Kürze: Wladimir Wladimirowitsch ist ein guter Freund von Joseph Josephowitsch. Die WM-Vergabe an Russland war „abgemacht“, bevor darüber abgestimmt wurde. Die EU will Blatter (persönlich) fertig machen. England versucht das Gleiche mit Russland. Die USA auch. Die UEFA ist von einem Anti-FIFA Virus befallen. Enjoy!

Umblende: Besagte UEFA versucht derweil händeringend Brutus Michel Platini loszuwerden. Dieser dazu im Tagesanzeiger:

»Heute habe ich den Eindruck, ein Ritter aus dem Mittelalter zu sein und vor einer Festung zu stehen. Ich versuche, in sie hineinzukommen, um den Fußball hineinzubringen, stattdessen schüttet man mir aber kochendes Öl auf den Kopf.«

3. Zum DFB-Pokal: Mehmet Scholl, Laptoptrainer und FC Bayern-Sprecher des öffentlich rechtlichen Fernsehens bewertet Fußballer seit Dienstag offenbar nach dem einzig relevanten Leistungsindikator, den sich ein deutscher Fernsehexperte vorstellen kann: Der Eignung, mal für den großen FC Bayern zu spielen. Julian Draxler bekam dann auf der Bayernkompatibilitätsskala gleich mal eine 0,0 ausgestellt. Wo Mario Gomez in dieser Skala rangiert, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bekannt. Der von Scholl im selben Atemzug hochgelobte Stefan Effenberg ging mit dem SC Paderborn gestern dann völlig überraschend gegen einen anderen Bundesligaclub mit 1:7 baden (Schwatzgelb). (SKY-Kommentar hierzu: „Nun können sie nur hoffen, nicht gegen die Bayern gelost zu werden!!“) Sören Österland, Paderborns Co-Trainer, wird von Andreas Bock zu seiner gemeinsamen Zeit mit dem Trainer Mehmet Scholl sowie seinem aktuellen Engagement „unter“ Effenberg interviewt und fragt wenig überraschend: „Geht’s um Fußball oder um Gesichter?“ (11 Freunde)

Ein weiterer Bundesligist aus Schwaben steht derzeit auf etwas wackligen Beinen, gewann aber sein Pokalspiel und unterhält darüber hinaus königlich. Vor allem den Vertikalpass, der komplett „In the Zone“ ist.

Ein anderer, laut Daniel Theweleit ein wenig seltsamer Bundesligist aus dem Revier, verlor gestern das zweite Spiel binnen weniger Tage gegen einen Club vom Niederrhein (Spiegel).

4. Ein als „Diva vom Main“ bekannter Verein verlor bereits am Dienstag gegen einen Drittligisten – und das so deutlich, dass allerorten Besorgnis aufkommt. Beim Blog 59 ist man mit den „Nerven am Ende“. Bei Eintracht-Inside macht man seinem Unmut über die „senfgelbe Mut- und Lustlosigkeit“ der eigenen Mannen Luft. Doch Marc Heinrich weiß, was am allerschlimmsten ist: Der nächste Gegner hat einen Namen. Und der ist Bayern München (FAZ).

5. Jürgen Klopp, der nie den FC Bayern trainiert hat, feierte gestern seinen ersten Erfolg als neuer Coach des FC Liverpool (Welt). Marco Kieferl sieht im pöhler’schen Engagement bei den „Reds“ dennoch eine schwer zu bewältigende Aufgabe – fehlt Klopp doch eigentlich die Zeit, um echte Veränderungen zu bewirken (Spox).

6. Denny ist ein Neonazi, Robert ein Hip-Hopper. Die beiden verbinden eigentlich nur die Zwickauer Plattenbausiedlung der Wendezeit und der Fußball. Eigentlich. Eine lesenswerte Kurzgeschichte mit realem Hintergrund (Krautreporter).

7. In den letzten Wochen sorgten Deutschlands erste Schiri-Ultras mit dem denkwürdigen Namen „Brigade Hartmut Strampe“ für einige hochgezogene Augenbrauen. Die ganze Wahrheit hinter dem Hype haben die 11 Freunde für euch.

8. Mit Abby Wambach verliert der Weltfußball eine seiner ganz großen Persönlichkeiten. Die 35-jährige Weltmeisterin beendet nach 16 Jahren am Jahresende ihre Karriere. Daniel Meuren nähert sich dem Charakter Wambach und der großen Müdigkeit am Ende einer bewegten Laufbahn (FAZ).

9. (Die) Dominanz (einiger Weniger) ist nicht nur abseits des Platzes ein großes Thema. Dustin Ward stellt sich einige Kernfragen zum taktischen Themenkomplex „Spielkontrolle rund um den gegnerischen Strafraum“ und versucht sie anhand detaillierter Statistiken zu beantworten. Für Herrn Scholl sicher zu „laptop“ – ich finde die Gedankenspiele aber sehr interessant (StatsBomb).

10. Mit Freunden ins Stadion gehen, schnell noch ein, zwei Biere schlürfen, kurz aufs Klo… im leeren (und verschlossenen) Stadion aufwachen. Ihr kennt das vermutlich. Stephan Reich erzählt dennoch noch einmal (wenn auch nicht aus eigener Erfahrung), wie sich das anfühlt (11 Freunde).

11. Tristan da Cunha ist eine kleine Inselgruppe im südlichen Atlantik, der Name des dortigen Fußballclubs und Handlungsort des Buches „The Lonely Island“. Tomos Knox erzählt die Geschichte einer entlegenen kleinen Gemeinschaft, die kaum verrückter nach Vereinsfußball sein könnte – auch wenn das nächste Gegnerteam über 2000 Kilometer entfernt ist (Terrace).

Geburtstagskind des Tages

Wer hat heute Geburtstag? Einfach in die Kommentare posten! (Auflösung von gestern: Sascha Rösler wurde 38)

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Eine Massenschlägerei interessierte euch gestern am meisten (FuPa).

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»Guardiola ist mein Vorbild!«

Der künftige Trainer eines Bundesligisten aus Sinsheim steht Gareth Joswig Rede und Antwort darüber, wie es ist, mit nur 25 Jahren einen Bundesligisten zu trainieren (11 Freunde).

Mixed Zone
München: Franz Beckenbauer macht sich keine Sorgen.  + + + Kurios: Spieler will rote Karte zurückgeben und verschuldet Gegentor (Spiegel) + + + Ekstase in den Niederlanden: Ein Derbytor in der 95. Minute (Youtube) + + + Verfolgt Real Madrid: Mourinhos langer Schatten (ESPN)

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