#Link11: Aussichtslos, aber nicht kritisch

Effe und Ascheplätze gegen Taktikhipster, VW-Controller gegen den VfL Wolfsburg, V-Männer gegen die Demokratie, Deutschland gegen die Niederlande, Blatter gegen alle. Die Themen der heutigen Link11 sind so gut und so unterschiedlich, dass ich sie nicht durch eine mit bestensfalls mittelprächtigen Wortspielen gespickte Einleitung entwerten möchte. Und das kommt wahrlich selten vor.

blogundpresseschau

1. Stefan Effenberg ist Trainer eines Profi-Fußballclubs. Die Meldung, dass Effe, zuletzt wegen einer Trunkenheitsfahrt Ziel öffentlicher Kritik, künftig den SC Paderborn trainiere, schlug wie eine Bombe in Deutschlands Fußballszene ein (wohl auch weil damit die Chancen steigen, Effenberg nicht mehr als SKY-Experten genießen zu dürfen). Dabei schien sich erstaunlicherweise kaum jemand dafür zu interessieren, ob Effe denn nun neben „Schlagzeilen“ auch „Trainer“ kann.

„Würde man nicht wissen, dass Stefan Effenberg der Sohn eines Hamburger Maurers ist, man würde einiges darauf verwetten, dass »Bild« und Ed Hardy ihn erfunden haben.“

Daniel Theweleit sieht eine „Beckerisierung“ des (ehemaligen?) Rüpels, der beim kriselnden Zweitligisten den „Klassensprecher“ alter Schule geben solle (Spiegel). Anna Kemper hat „Herr Effenbergs“ Stärken schon 2012 vor allem in seinem Ego, seinem unendlichen Selbstbewusstsein und seinem Ego ausgemacht (11 Freunde). Auch Schwarz und Blau geht auf Effenbergs Ruf ein – und prognostiziert, etwas mehr „Ärger“ werde dem Team gut zu Gesicht stehen.

2. Selbst im nagelneuen Zustand schon total oldschool sein – das können im Fußball sonst nur Ascheplätze. Jens Kirschneck widmet dem „Sehnsuchtsort“ aller Pöhler, Straßenkicker und Rumpelfüßler eine Ode der Marke „Wo Jungs zu Männern werden“ (11 Freunde).

3.

„Wir müssen genau beleuchten, welche Möglichkeiten sich auftun, unsere aktuellen Probleme zu lösen. Dabei geht es um vielfältigste Themen. Auch im Fußball werden wir uns das natürlich anschauen müssen.“ (11 Freunde/SID)

Der VfL Wolfsburg gilt nicht gerade als der Ascheplatz der Fußballrepublik. Die allzu rosigen Zeiten könnten für VWs Fußballprojekt jedoch bald vorüber sein, stehen dank des hausgemachten Abgas-Skandals doch vermutlich finanzielle Kürzungen ins Haus. Sportrechtler Alexander Steinforth merkt (nicht ohne ein gewisse Genugtuung) an, das Geschäftsmodell des VfL sei ohnehin Gift für die Bundesliga (Welt).

„Wenn dann ein Klub, der es unter anderem durch geschickte Lobbyarbeit geschafft hat, die 50+1-Regel auszuhebeln, plötzlich die ganze Härte seiner Abhängigkeit von einem Unternehmen zu spüren bekommt, dann ist das fast schon eine Ironie der Geschichte.“

4. Gift für den Sport waren jahrelang vor allem Hooligans und Neonazis, die Stadien wahlweise als Rekrutierungszentren oder Schlachtfelder verstehen. Dass selbstbetitelte „Hools“ sich mittlerweile völlig vom Sport ab- und ihrer Kernkompetenz (menschenfeindlicher Schwachfug) zugewandt haben, macht die Sache nicht besser. Die allseits bekannten „Hooligans gegen Salafisten“ zumindest, spielen wie auch die ehemalige „Borussenfront“ (heute als Nazi-Proll-Partei „Die Rechte“ unterwegs), eine wichtige Rolle beim Rechtsruck der deutschen Öffentlichkeit. Und das – wie bei kriminellen Rassisten und Nationalsozialismus-Fans nicht unüblich – wohl unter tätiger Mithilfe des deutschen Staates (Spiegel).

5. Die Probleme deutscher Fußballer hätte die Nationalmannschaft Syriens vermutlich gerne. Trotz der furchtbaren Zustände im Mutterland nehmen die „Roten Adler“ jedoch derzeit an der WM-Qualifikation teil. Machthaber Assad (und seinem Freund Putin) gefällt das natürlich. Über Fußball zwischen Heimspielen im Exil und dem Ehrgeiz eines Diktators (Sport Inside).

6. „Ohne Holland…“ Ich finde aufgesetzte Freund-Feind-Schemata im Wettbewerb der Fußballnationen ja mindestens peinlich. Die sympathischen Nachbarn aus den Niederlanden verpassten dennoch gestern die Qualifikation für das kommende Herrenturnier in Frankreich. Peter Ahrens wünscht sich daher einen kompletten Neustart der „Elftal“ (Spiegel). Auch Martin Hoffmann nimmt Oranjes Fußballkrise unter die Lupe und macht ein Trainer-, Mentalitäts- und Arroganzproblem bei der ehemals großen Fußballnation aus (Sport1).

7. Apropos Arroganz: Ähnlich souverän wie bis zum Halbfinale der gewonnenen Herren-Weltmeisterschaft hat sich die Elf des Deutschen-Fußball-Bundes für die Euro 2016 qualifiziert. Und das ohne Stürmer! Christof Kneer weiß, warum das Fehlen gomez’schen Brechstangenfußballs zugleich Schwäche und Stärke der Löw-Mannschaft ist und zeigt sich eher ob eines Leitwolf-Vakuums besorgt (SZ).

8.

„Sepp Blatter, überzeugt davon, dass jedermann in der Welt das Recht habe, Fussball zu spielen, trug die Botschaft über alle Kontinente. Die Lateinamerikaner haben ihn deshalb verehrt, mehr noch die Afrikaner, die er auf Weltniveau erhob, und ebenso die Asiaten und Ozeaner aus dem Pazifik, die ihn zum „Vater des Fussballs“ erkürten. Die Europäer sahen ihre Felle davon schwimmen.“

Kommen wir zum Thema „Korruption“. Sport Inside warnt davor, sich von Blatters zeitweiliger Suspendierung blenden zu lassen. Der FIFA-Patron sitze noch immer fest im Sattel. Noch treuer als die FIFA zu ihrem Paten steht Wolfgang Niersbach vermeintlich zum akut korruptionsverdächtigen Michel Platini. Blöderweise erlaubt dessen Suspendierung derzeit keine fußballbezogene Kommunikation mit anderen Fußballfunktionären. Evi Simeoni weiß jedoch, was Aufschluss darüber geben könnte, ob sich Niersbach und sein „cher ami“ dennoch hinter den Kulissen abstimmen (FAZ). Warum es (nicht nur) für Platini eng werden dürfte, erklärt „FIFA-Mafia“ Autor Thomas Kistner (neben anderen neueren Entwicklungen) in der SZ.

Gewissermaßen eine Innenansicht des sepp’schen Fußballimperiums liefert dagegen Klaus Stöhlker, der Urheber des obigen Zitates. Der Blatter-Vertraute hat einen europäisch-amerikanischen Machthunger als Grund der (unfairen) Ermittlungen gegen den Philanthropen und „Vater des Fußballs“ ausgemacht und fordert „mehr Respekt“. Eine, wie ich finde, faszinierende Lektüre (Inside Paradeplatz).

9. Thomas Tuchel ist (vorübergehend) der neue Stern am Himmel deutscher Fußballberichterstattung. Seit der „Rulebreaker“ den BVB trainiert, ist allein die Ernährung schwarz-gelber Spieler (gefühlt) häufiger ein Medienthema gewesen, als die gesamte Saison des FC Köln. Wie auch andere Bundesligisten neuere Ernährungstrends bis hin zu komplett veganer Kost in ihren Sportalltag eingebunden haben, erklärt Frank Hellmann (Sportschau).

10. Tuchel steht neben Pep Guardiola für einen „Wandel“ im Fußball, der auch vor dessen Fans nicht Halt macht: Traditionalisten gegen Modernisierer, Malocher gegen Statistiker, Leitwölfe gegen Taktikanalysten. Wer ein Twitter-Konto hat, dürfte wissen, wovon die Rede ist. Rory Smith zumindest weiß es genau, hat er sich doch durch einen forschen Artikel (unfreiwillig) ins Zentrum des heiligen Krieges begeben, der um die Seele des Fußballs tobt. Seine dort gesammelten Erfahrungen hat er in einen weiteren tollen Artikel gepackt, der mein persönliches Highlight der (bisherigen) Woche darstellt (The Set Pieces).

11.1 Jahr Peter Knäbel„. Was klingt wie der Titel einer „Verschollen im Dschungel“-Geschichte… ist eine lesenswerte Chronologie des bisherigen Wirkens eines HSV-Sportdirektoren, der mehr zu bieten hatte, als nur einen Rucksack voller Hoffnung (Blog trifft Ball).

Geburtstagskind des Tages

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