Ein Fussballmagazin aus den USA? Das im Untertitel den Begriff Soccer trägt? Ja, gerne!
Als Europäer denken wir ja gerne mal, eine Art Exklusivitätsanspruch auf den Fussballsport zu haben. Schliesslich ist das Mutterland des Fussballs europäisch. Schliesslich sind die wirtschaftlich stärksten Vereine und Ligen hier zuhause. Wessen Scheuklappen etwas weniger eng anliegend sind, der kann sich auch für Südamerika begeistern. Und für Afrika vielleicht, dann jedoch auch meist bloss als unerschöpflicher Pool an Talenten. Aber die USA? Nein, die haben mit Fussball nun wirklich nichts am Hut. Football nennen die ein Spiel, bei dem ein eiförmiger Ball vornehmlich mit den Händen gespielt wird. Die können von der wichtigsten Nebensache der Welt doch keine Ahnung haben…
So einfach ist es aber nicht. Auch in den USA ist Fussball populär. Davon zeugt das Magazin Howler. Für den zugegeben stolzen Preis von $15 bietet sich dem Leser auf über 100 Seiten ein sowohl inhaltlich wie auch optisch gelungenes Heft. In der achten Ausgabe – die Sommerausgabe 2015 – findet sich eine Themenvielfalt, die perfekt davon Zeugnis ablegt, dass es beim Fussball eben nicht nur um 90 Minuten elf gegen elf geht. Noch vor der WM der Frauen erschienen, widmet sich das Heft in einem Schwerpunkt eben diesem Turnier. In einer Ausführlichkeit, die ich im deutschsprachigen Raum in kaum einem Heft gefunden habe. Aber nicht nur die Aktualität führt zur Themenwahl, auch Historisches findet Platz. In der aktuellen Ausgabe wird auf stolzen 16 Seiten auf Arsenal London eingegangen. Sowieso scheint den Machern der englische Fussball am Herzen zu liegen. In einem fast schon akademisch anmutenden Beitrag zur Geschichte der Fangesänge wird stark auf das Mutterland des Fussballs Bezug genommen.
Das Magazin scheut sich aber auch nicht, Kritik zu üben. Dem Zeitgeist entsprechend kommen dabei vor allem die FIFA beziehungsweise Sepp Blatter persönlich unter die Räder. Schon im Vorwort steht zum Beispiel: „FIFA approaches men’s soccer like a coal mining corporation surveying a pristine, tree-covered mountain range. Raze the trees. Cut a deep gash across the countryside. Poison the rivers. Work people to death. Turn a massive profit.” Das Vorwort entwickelt sich weiter zu einer Kritik daran, wie die FIFA den Frauenfussball sieht. Und endet mit einer deutlichen Note: „If i had a chance, I don’t think I’d raise a fist in the air. But if I were to find myself in range of Sepp Blatter’s face, I would most certainly use it in a gesture that is more than symbolic.”
Komplettiert wird die achte Ausgabe durch Beiträge zur wirtschaftlichen Seite des Fussballs, zu Eskapaden von Profifussballern bei Auswärtsspielen und zur Entwicklung der Verteidiger à la Dani Alves, die heute fast schon als Stürmer agieren. Natürlich könnte man noch andere Artikel erwähnen, aber das würde den Rahmen sprengen. Und sowieso: Wer von den erwähnten Inhalten noch nicht genug angetan ist, dem sei gesagt: Das Magazin ist nur schon wegen der Aufmachung den Kauf wert. Schöne Fotos, schöne Grafiken, schöne Illustrationen. Manchmal haben die Macher offenbar so viele gute Ideen, dass einzelne Seiten fast schon überladen wirken. Solange es bei diesem einzigen Problem bleibt, ergeht eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.
Ausgabe: Issue 8 / Summer 2015
Typ: Fussballmagazin ohne Vereinsbindung
Preis: $15
Seiten: 110
Erscheinungsrhythmus: 4x/Jahr
Infos: www.howlermagazine.com
Empfehlenswert für: Alle Fussballinteressierten, die sich für US-Fussball, Frauenfussball und für eine US-Sicht auf den Weltfussball interessieren.
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