Print soll tot sein? Zumindest nicht im Genre der Fussballmagazine. Mit Zeitspiel, dem Magazin für Fussball-Zeitgeschichte, ist unlängst sogar eine gänzlich neue Publikation erschienen. Und sie fokussiert erst noch nicht auf einen möglichst grossen Massenmarkt, sondern positioniert sich absichtlich abseits der großen Fussballbühne. Eine Wohltat!
Zugegeben, ich bin dem Projekt Zeitspiel schon mit viel Optimismus begegnet, bevor es überhaupt als gedrucktes Magazin vorlag. Wer ab und an auf meinem Blog liest, kennt meine Faszination für Amateurfußball. Und dann wird ein Magazin angekündigt, das sich schwergewichtig um den Fussball kümmern will, der abseits der großen Vereine und Wettbewerbe stattfindet. Ich war angefixt.
Irgendwann lag dann das Heft endlich im Briefkasten. Und schon der erste Eindruck überzeugt. Ein Magazin ist ja – gerade in der Zeit, in der es Texte en masse digital zu lesen gibt – immer auch ein haptisches Erlebnis. Ein Heft muss, so komisch das klingen mag, gut in der Hand liegen. Und das tut die Erstausgabe von Zeitspiel. Es erinnert etwas an Magazine wie den ballesterer. Oder – die Eigenwerbung sei verziehen – den SENF, bei dem ich selber mitmache. Also schnell aufschlagen und hoffen, dass der Inhalt mithält.
Keine Frage: Der Inhalt fällt nicht ab. Von der Themenauswahl über die Sprache hin zur offensichtlich gewissenhaft durchgeführten Schlusskorrektur. Das Magazin genügt zweifelsfrei professionellen Ansprüchen. Insbesondere die Titelgeschichte „Überleben im Turbokapitalismus“ macht Eindruck. Hier wurden mit unglaublich viel Einsatz denkwürdige Geschichten vieler Vereine zusammengetragen. Und mit vermutlich noch mehr Einsatz eine Auflistung von Rückzügen, Insolvenzen und Lizenzentzügen bis zur 6. Liga erstellt. Es gäbe viele weitere Artikel rauszugreifen – zum Beispiel die Geschichte über Fußball in Tansania -, man kann den Inhalt aber eigentlich ganz einfach zusammenfassen: Texte, die man sonst so wohl nirgends findet. Texte, die davon erzählen, was andere außen vor lassen. Texte, die jene Fussballbereiche beleuchten, die sonst im Verborgenen blieben. Und das alles mit schönen Fotos. Da verzeiht man den Machern sogar eine Text-/Bild-Schere. Oder dass sie sich auch am sinnvollen Einsatz von QR-Codes abmühen (der schlechteste Versuch ist es sicher nicht).
Zum Schluss sei erwähnt: Wer sein Vorwort so schön schreibt – „Und deshalb geht es in Zeitspiel auch nicht nur um Fußball. Oder besser: es geht zwar immer um Fussball, aber nicht immer nur um Fußball.“ – und es dann auch noch Kabinenpredigt nennt, der hat mich als Leser gewonnen.
Ausgabe: Heft 1 / Juni 2015
Typ: Fußballmagazin ohne Vereinsbindung
Preis: 7.80 Euro
Seiten: 92
Erscheinungsrhythmus: 4x/Jahr
Infos: www.zeitspiel-magazin.de
Empfehlenswert für: Alle Fußballinteressierten, die sich auch für den Fussball abseits der grossen Bühnen interessieren.
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