#Link11: Sommerflausen

Meine dieswöchige Wortschöpfung aus der Hölle lässt es schon vermuten – nachdem die lebhaften Diskussionen zur gestrigen Ausgabe noch immer in vollem Gang sind, geht es in der heutigen Link11 um die Sommerpause und alle spaßigen, nervigen und/oder bedenklichen Aktivitäten, die eben zu einer Sommerpause dazugehören. Also um obskurste Transferpraktiken, die Frage, mit welcher Taktik das Trainergenie von nebenan demnächst die Liga aufräumt, Analysen zu Verletzungshistorie und Spielstil des Stürmers, den das eigene Team doch so dringend braucht, kalkuliert emotionale Abschiedsbriefe von Fußballern an ihre Fans und ehrliche Abschiedsbriefe von Fans an besondere Fußballer. Und all das natürlich – wie immer – auf allerhöchstem Niveau.

Garniert wird dieser tiefe Einblick in die innersten Zusammenhänge des Fußballs mit Sachtexten zu verstörenden Stadionnamen, sehr unterschiedlichen Porträits zweier waschechter „Aggressive Leader“ sowie einem flammenden Plädoyer für weniger „Sommerpause“ und mehr Politik (im Fußball). Wenn ihr euch danach nicht klüger fühlt, dann weiß ich es auch nicht.

blogundpresseschau

1. Ribery, Gündogan, Lasogga, Reus, Robben, Thiago, Farfan, Jansen… die jüngere Bundesligahistorie war (unter anderem) von zahlreichen hartnäckigen Verletzungen geprägt. Immer wieder fragen Fans neuerdings nach einem Schuldigen für solche Miseren. „Das kann doch kein Pech mehr sein!“, so der Tenor der Aufgebrachten. Fußballnerds entgegnen dann meist wissenden Blickes, dass es an der „falschen individuellen Belastungssteuerung“ liege und man mal besser den Athletik-Coach oder Teamarzt nicht gefeuert hätte. Constantin Eckner hat die Thematik nun einer sportwissenschaftlichen wie statistischen Analyse unterzogen und geht Fragen á la „Gibt es im deutschen Fußball mehr Verletzungen, als anderswo?“ oder „Mehren sich schwere Verletzungen in den letzten Jahren?“ auf den Grund (Spielverlagerung).

2. „He’s a bastard – but he’s our bastard!“ hörte ich mal einen United-Fan über Roy Keane sagen. Der als brutaler Fiesling verschriene Ire war in Manchester einer der prägenden Spieler der Ära Ferguson und zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten der englischen Fußballkultur – wenn auch nicht zu den beliebtesten. Arne Steinberg beschreibt Keanes Wandel vom egozentrischen Fußballer zur Medienpersönlichkeit und wagt einige Rückblicke auf seine großen und kleinen Schandtaten (Unnatürliche Handbewegung).

3. Immer wieder gerne: Eine auflockernde kleine Geschichte voller absurder Stadionnamen von der „Keine Sorgen Arena“ bis zum „Brainwash Stadium“ (SZ).  

4.

„Bleiben wir bei Hannover gegen Freiburg. Letzter Spieltag, es geht für beide um alles. Und die Zuschauer im Nachbarblock haben das Geschehen sehr distanziert wahrgenommen. Abgesehen von ein paar Momenten, in denen sie der Stadionsprecher dazu aufrief, Stimmung zu machen, haben sie nicht daran teilgenommen. Das ist wie ein Theaterbesuch.“

Hardy Grüne, Mit-Herausgeber des neuen Fußballmagazins „Zeitspiel“, ist ein Verfechter des viel zu wenig beachteten Amateurbereichs. Sebastian Schlichting erklärt er, was ihn an Verbandsligaspielen reizt und wie er der Basis des deutschen Fußballs mit „Zeitspiel“ wieder eine Stimme geben will (T-Online).

5. Anelka, Drogba, Barrios. In regelmäßigen Abständen zieht es große und mittelgroße Spieler aus Europa in die chinesische Super League. Das hat einen guten Grund, denn die dort gezahlten Gehälter liegen im Bereich dessen, was man gemeinhin als „fürstlich“ bezeichnet. Im Wortsinn. Auch verdiente europäische Trainer sind in China, besonders beim Ligaprimus Guangzhou Evergrande, heiß begehrt. Philipp Ohnesorge hat mit Ottmar Hitzfeld, der ein Angebot aus China ablehnte, gesprochen und berichtet von Transferflops und großen Ambitionen (11 Freunde).

6. Der Übergang zwischen zwei Spielzeiten ist für Trainer häufig eine Phase der taktischen (oder beruflichen) Neu-Erfindung. Constantin Eckner zeichnet im dritten Teil seiner Reihe zur taktischen Entwicklung von Atleticos Diego Simeone für Spielverlagerung das Bild eines detailverliebten Tüftlers und Sich-Neu-Erfinders.

7. Die Sommerpause ist auch die Zeit der Marketing-Reisen deutscher Vereine, gerne werden dabei  auch mal nicht ganz so menschen- und demokratiefreundliche Länder wie China oder Malaysia angesteuert. Freundschaftliche Beziehungen zu z. B. Katar gehören im Fußball ohnehin zum guten Ton. Die „Politik“ dagegen ist zumindest bei FIFA & DFB verpönt. Dabei bleiben das politische Potenzial des Sports sowie die Verpflichtung, seine selbstgewählten Werte zu leben, auf der Strecke, schreibt Patrick Bormann für Schwatzgelb und fordert, der Fußball müsse endlich politischer werden.

8. Der Saisonübergang ist ebenfalls eine Zeit der emotionalen Abschiedsbriefe. Fußballer wechseln den Verein und lassen danach (in der Regel) ein paar von PR-Fritzen wie mir geschriebene Sätze in diversen Social Media Kanälen fallen. Was passiert, wenn der Online-Redakteur mit dem Kopf auf der Copy-Paste Taste eingeschlafen ist, zeigt das Beispiel Samuel Eto’o, von dessen Account die Kopie eines bereits in der Vergangenheit genutzten Statements gepostet wurde. „Prima“, dachte Stephan Reich von den 11 Freunden und hat gleich mal eine Standardvorlage angefertigt.

9. Agentur oder nicht: Arda Turans Abschiedsbrief an die Anhänger Atleticos ist wirklich zum anbeißen (Bleacher Report).

Vertrag unterschreiben, Foto posten, Vereinswappen küssen, Abschiedsbrief schreiben. Ralph Gunesch entspricht so gar nicht dieser weit verbreiteten Sorte Fußballer. Der ehemalige Kapitän verlässt leider zur neuen Saison den FC Ingolstadt, wodurch der Bundesliga ein hochspannender Charakter durch die Lappen geht. Ihm hat Julia vom Gschaftlhuawa Blog einen Abschiedsbrief geschrieben.

10. Apropos Arda Turan. Der oben angedeutete Wechsel des Mittelfeldspielers dürfte zum Absurdesten gehören, das unseriöse Fußballfunktionäre seit Längerem zustande gebracht haben. Da gibt es zunächst eine Transfersperre (die Barca, sein neuer Arbeitgeber, durch einen Trick umgeht), dann einen Machtkampf zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten und schließlich eine dubiose Rückkaufklausel, die doch noch alles zunichte machen könnte (Watson).

11. Zu guter Letzt ist die Sommerpause natürlich die Zeit der sinnigen und unsinnigen Transferspekulationen und Diskussionen, ob sich der neue Stürmer denn auch gut in den Linienzwischenräumen bewegt. Max Odenheimer hat dem schönsten Teil der Transferperiode eine statistische Analyse gewidmet und sagt: Es gibt zwei Sorten von Stürmern – die Einen verwandeln Schüsse, die Anderen kreieren sie (Stats Bomb).

Meist geklickter Link gestern
Die deutsche Herren-U-19 hat sich gestern zwar nicht gerade mit Ruhm bekleckert – ihr Kaderporträit fandet ihr dennoch interessant (Spox).

Field Reporter

„Da gibt es ganz verschiedene Möglichkeiten, die Wahrnehmung zu schulen. Wir können zum Beispiel mit Brillen arbeiten, auf denen du eine Spielszene vorgespielt bekommst, als ob du richtig auf dem Platz wärst.“

Für Hansi Flick ist das zuletzt schwache Abschneiden der deutschen U-Mannschaften vor allem eine Kopfsache, die es weg zu trainieren gilt (FAZ).

Mixed Zone
Neuland: Über die Datei „Sportgewalt Berlin“ (Netzpolitik) + + +  Dortmund: Der Neustart mit Tuchel (ZDF) + + + Offenbach: Machtkämpfe und viele Fragen beim OFC (Blog Rot & Weiß) + + + Hamburg: Marcell Jansen beendet mit 29 seine Karriere (WELT) + + + Gelsenkirchen: Schalke hat einen neuen Aufsichtsrat (Königsblog) + + + Gelsenkirchen 2: Schalkes altes Eisen steht auf Kriegsfuß mit dem Medizincheck (Turnhallengeruch) + + + Handfest: Der HSV verpflichtet Emir Spahic (Facebook Kommentar eines Fans) + + + Frankfurt: Kevin Trapp wechselt für teuer Geld zu PSG (FAZ) + + + Länderspiele halt: 114 Gegentore in 5 Tagen (Watson)

6 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Hallo

    Zum Fall Arda Turan: Es sind eigentlich vier Präsidentschaftskandidaten, die in der Vorselektion die Mindestanzahl an Stimmen eingereicht haben, um für die Wahl überhaupt zugelassen zu werden.

    Es sind dies der letzte Präsident Bartomeu (nicht gewählt, übernahm das Amt von Rosell), Laporta, Freixa und Benedito.

    Zum Text:

    „unseriöse Fußballfunktionäre“ + „durch einen Trick umgeht“: Das stimmt so nicht, zumindest nicht in dieser Argumentationslogik. Als unseriös würde ich den Neymar Transfer bezeichnen, welcher durch Rosell und Bartomeu abgewickelt wurde. Die Transfers von Arda Turan und Aleix Vidal jedoch wurden nach allen Regeln unter Berücksichtigung der Transfersperre durchgeführt. Der Club darf Spieler unter Vertrag nehmen, er darf Sie jedoch nicht für den Spielbetrieb registrieren. Die beiden Spieler verzichten beide auf die Hinrunde. Deshalb gibt es in dieser Hinsicht keine Probleme.

    Meines Wissens darf der Club die Spieler bis zur Rückrunde auch nicht ausleihen, was in verschiedenen Medien als Gerücht publiziert wurde. ZB. Arda Turan zu Galatasaray. Dies ist nicht möglich. An Freundschaftsspielen dürfen die Spieler jedoch mitspielen.

    Um aber wieder zur Seriosität zurückzukehren: Unseriös am Ganzen ist, das die Kombination aus vorübergehender Stellvertreter-Rennleitung während den Präsidentschaftswahlen (18.07.2015) und laufender Transfersperre eine aussergewöhnliche Situation darstellt.

    So darf diese vorübergehende Rennleitung keine aussergewöhnlichen Tätigkeiten durchführen, sie ist beschränkt auf folgende Aktivitäten:

    Artikel 35.4 der Club-Statuten sagt folgendes offers:

    „The Managing Committee will perform all governmental, administrative and representative functions that are normally attended to by the Board of Directors. It shall limit its acts to those that are necessary and essential in order to maintain the club’s regular activities and to protect the club’s interests.“

    Leider ist die Passage nicht wirklich konkret. Diese Auslegung ist ziemlich dehnbar. Meine Meinung dazu ist jedoch eindeutig. Der Transfer hätte auch noch nach dem Wahlkampf durchgeführt werden können. Eilig wäre das Ganze sicherlich nicht gewesen. Da momentan Wahlkampf herrscht, ist jede Aktivität und jedes Statement relevant. Und da Laporta mit Pogba anscheinend die Oberhand innehat (gute Beziehungen zu Raiola), musste Bartomeu handeln. Er selber darf jedoch keine Spieler verpflichten, da er mit der Bekanntgabe der Neuwahlen zurücktreten musste und nun das Interimsboard für den laufenden Betrieb zuständig ist. Das Ganze stinkt auf jeden Fall bis zum Himmel!

    • Hallo Heimo,

      vielen Dank für deine ausführlichen, sehr erhellenden Erläuterungen zu diesem (zugegeben, für mich als Barca-Laien recht komplexen) Thema.
      Du hast Recht, mit der Formulierung „unseriös“ wollte ich nicht suggerieren, dass Barca hier klar gegen bestehende Regeln verstößt – die Regeln lassen ja gerade ein Schlupfloch für den angesprochenen „Trick“. Womöglich ist die Formulierung einen Tick zu drastisch geraten.

      Wenn wir schon einmal dabei sind: Was hältst du, gerade im Bezug auf Ardas kurzfristige Zukunft, für das wahrscheinlichste Ergebnis des Machtkampfes Laporta/Bartomeu?

      Beste Grüße,
      David

  2. Schwierig abzuschätzen. So wie es momentan ausschaut, wird Bartomeu gewinnen. Die Stimmeingabe zur Endausscheidung hat Bartomeu klar gewonnen. Vor allem die lokalen Mitglieder in Barcelona und Katalonien mögen keine grossen Veränderungen. Laporta gewann 2003 nur, weil sportlich alles schief lief, was nur schief laufen konnte.

    Nun schaut die Sache anders aus. Man hat soeben zum zweiten Mal das Triple gewonnen. Das macht viele Mitglieder blind (meine Meinung). Sportlicher Erfolg geht bei vielen vor. Die lokalen Medien in Spanien (sowohl in Barcelona als auch in Madrid) sind extrem polarisierend, Besitzverhältnisse haben grossen Einfluss auf die Berichterstattung und dementsprechend sind ausgewogene Nachrichten nicht einfach zu erhalten. Da schaut es im Internet anders aus. Jüngere oder internetgewandte Fans haben eher Zugang zu kritischen oder gegensätzlichen Informationen.

    Deshalb sehe ich die Chancen für Laporta momentan eher klein. Bartomeu kann sich auf dem Triple ausruhen, die Titel für sich sprechen lassen und sich unangenehmen Konfrontationen entziehen.

    Die anderen Kandidaten – neben Laporta auch Benedito – müssen da schon eher um die Gunst der Mitglieder werben. Und als bekannt wurde, dass Laporta bei Pogba die Oberhand hätte, musste der Club handeln (meiner Meinung nach im Auftrag von Bartomeu). Nun wurde Arda Turan verpflichtet, um Bestrebungen der anderen Kandidaten zu untergraben.

    Falls Laporta also nicht noch durch eine Allianz mit anderen Kandidaten schmieden kann, dann wird es schwierig. Mal sehen was die Zukunft so bringt.

    Was den Transfer von Turan angeht, so denke ich, wird das sicherlich mit Luis Enrique abgesprochen sein. Ober der Transfer nun auf seinen Wunsch hin durchgedrückt wurde, lasse ich mal dahingestellt. Halte das eher für eine Kampagnenlüge. Man hätte den Transfer auch später noch ins Trockene bringen können. Und Braida und Bartomeu haben ja auch um Pogba gebuhlt.

    Nichtsdestotrotz wird Arda Turan eine harte Konkurrenz erwarten. Aber ohne Chancen sehe ich ihn nicht, sich im starken Mittelfeld von Barça zu bewähren. Nicht zu letzt, da Luis Enrique ein eher vertikaleres Spiel anstrebt mit agileren und kampfbetonterem Mittelfeld. Siehe als Beispiel Rakitic, der sich nach einigen Anpassungen super ins Kollektiv eingefügt hat und vor allem in der zweiten Saisonhälfte zusammen mit Messi und Dani Alves für ordentlich Gefahr gesorgt hat.

  3. Pingback: #Link11: Vom Niger bis nach Mikronesien | Fokus Fussball

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