#Link11: Auf dem Trainerkarussell fahren alle gleich schnell

Jürgen Klopp ist nicht mehr. Bei Borussia Dortmund. Ab Sommer. Aki Watzke bestritt die Pressekonferenz mit gravitätischer Mimik und Diktion, die an eine Grabrede erinnerten. Der baldige Ex-Trainer wurde für seinen Satz »Der Verein ist größer als wir alle« umgehend gefeiert. Die Verehrung der Fans ist den beiden authentischen Fußballliebhabern im sonst so glatten Business sicher.

Dabei war es nicht viel weniger als ihre Pflicht, eine rührselige halbe Stunde abzuhalten. Der BVB ist Vorreiter darin, emotionale Bindung zum Verein nicht nur zur Schau zu stellen, sondern sie zu kapitalisieren. Unabhängig davon, wie kontrolliert das Bedauern letztendlich öffentlich abgeleitet wurde: Wo »Echte Liebe« ein Claim, Gefühle ein Verkaufsargument sind, wäre es vereinsschädigend gewesen, den Abgang nur nüchtern zu vermelden. Es hätte der Marke geschadet, dem Image des Klubs.

[Klopp] schaffte es auf seine doch ziemlich einzigartige Weise, fröhlich die eigene Beerdigung bei Borussia zu moderieren, und danach springlebendig den Raum zu verlassen. (Philipp Selldorf, SZ)

Schließlich steht in Konsequenz all dessen auch der Aktienkurs auf dem Spiel; er steigt und fällt mit dem Auf und Ab der Fanseele. Das Gerücht am Morgen hatte den Kurs gesenkt, im Laufe der pathetischen Pressekonferenz stieg er wieder deutlich an. Bei den Kenndaten der Aktie heißt es »Sektor: Medien / Entertainment«. Liefern die Bosse keine gute Show ab, ist mit einem Kursverlust zu rechnen. Wir befinden uns im Zeitalter des modernen Fußballs, nicht auf dem Bolzplatz. Auch und gerade in Dortmund.

So viel kommentierend zum gestrigen Geschehen, unter dem Banner liegt die nüchterne Sachebene. Die #Link11 arbeitet auf, was passiert ist und legt vor, was dazu geschrieben wurde.

blogundpresseschau

1. Die Eckdaten und einige Zitate der gestrigen Pressekonferenz sind oben unter »rührselige halbe Stunde« verlinkt, es handelt sich um einen Artikel bei Spiegel Online. Klopps Ära und die Gründe ihrer Beendigung rekapituliert Oliver Fritsch in der ZEIT. Beim Versuch, die Pressekonferenz im Liveticker zu übertragen, scheiterte ein Journalist des englischen Telegraph – er verstand kein Deutsch.

2. Kommentare zur gestrigen Rücktrittsankündigung gibt es einige. Drei seien hier empfohlen. Stefan Osterhaus (NZZ) verweist auf Clausewitz und sieht bei Klopp den »Rückzug aus einer unhaltbaren Position«. Für Dirk Gieselmann (11Freunde) ist der BVB-Burnout logische Folge des jahrelangen Rausches – Dortmund müsse sich nun fragen, ob man nicht im Stile Lucien Favres auf Solidität umsteigen wolle. David Theis geht in seinem Blog auf zwei Sätze Klopps genauer ein. Er schließt sich dem vermeintlichen Konsens von der Folgerichtigkeit und Notwendigkeit dieses Schrittes nicht an. Weitere Pressestimmen stellt der Indirekte Freistoß vor.

3. Nachgereicht werden muss an dieser Stelle der prophetische Bericht des Ermittlers Dietfried Dembowski vom Dienstag. Einem gefälschter Twitter-Account gleich wusste er alles schon vorher. Wie alles begann, wie alles so kam, wie es jetzt ist. Eine alternative Darstellung.

Vor der Tür trat Dembowski einmal gegen einen alten Wartburg.
„Scheiß Hipster! Scheiß Hummels! Scheiß Saison!“

4. Sascha Rebiger ist im Urlaub und legt seine Gedanken zum neuen HSV-Trainer Bruno Labbadia deswegen besonders kurz und knackig vor – dabei klingt er durchaus hoffnungsfroh. Beim Aktiven Abseits ist dagegen von einer »Bankrotterklärung« die Rede – nicht viel weniger kurz oder knackig werden hier einige Hoffnungslosigkeit stiftende Aspekte der Verpflichtung abgearbeitet. Länglicher kommt der Artikel des Vierten Mannes daher: er setzt bei seinem 360°-Blick einen völlig anderen Fokus auf den Gesamt-HSV, Zinnbauer, Knäbel und Tuchel – der neue Trainer ist da nur eine Randnotiz. Warum Labbadia »die beste aller Notlösungen« ist, erörtert Hendrik Buchheister in seinem Artikel für die Frankfurter Rundschau: Was kann er, was nicht, und was ist jetzt zu tun?

5. Am Abend gab es eine weitere Trainermeldung: Nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten hat der VfB Stuttgart Alexander Zorniger als Trainer für die Saisons 2015/16, 2016/17 und 2017/18 unter Vertrag genommen. Nach Informationen des kicker stellt sich die Situation minimal komplizierter dar: Trainer und Verein seien sich zwar einig, es liege aber noch kein unterschriebener Vertrag vor. Erfahrungsgemäß spricht eine solche Festlegung des kicker allerdings für baldigen Vollzug.

6. Später wurde dann auch Fußball gespielt. Zum Gesamtwerk des gestrigen Tages passend verlor der FC Bayern mit 1:3 in Porto. Rene Maric (Spielverlagerung) analysiert Portos Pressing und Alonsos Deckungsschatten, der auf Mitspieler fällt. Sara Peschke (SpOn) berichtet vom berechen- und schlagbaren FC Bayern dieser Tage. Auch die Münchner haben gestern einen Trainerwechsel vermeldet: Ex-Basel-CL-Trainer Heiko Vogel rückt vereinsintern von der U19 in die U23 auf (Sport 1).

7. Der andere große Münchner Verein hat momentan einen Trainer. Andererseits hat die Berichterstattung über das Derby der zweiten Mannschaften von Roten und Blauen für Empörung unter den Löwenfans gesorgt. Zwei Gruppen (Der Fanrat 1860 sowie die Freunde des Sechzger Stadions) haben Stellungnahmen zur in ihren Augen verzerrten und verzerrenden Wiedergabe der Ereignisse veröffentlicht. Mangels weitergehender Kenntnisse oder einordnender Presseberichte seien sie hier zum Selbststudium verlinkt.

8. Heute Abend tritt der VfL Wolfsburg in der Europa League gegen die SSC Neapel an. Der Gastgeber rechnet nicht mit vollem Haus (Wolfsburger Allgemeine) – ein Umstand, den man bei anderen Vereinen schlicht der Attraktivität des Wettbewerbs zuschreiben würde, der VfB Stuttgart kann ein trauriges Lied davon singen. Marcus Bark (Sportschau) sprach in aller Ruhe mit Dieter Hecking.

9. In England jährt sich bald das Feuer im Stadion von Bradford zum dreißigsten Mal, bei dem 1985 56 Fans starben. Martin Fletcher war damals 12 Jahre alt und hat nun ein Buch darüber geschrieben. Er sieht einen Zusammenhang zu einer Reihe von Bränden in Unternehmen des damaligen Klubbesitzers, bei denen von den Versicherungen nach heutigem Wert mehr als 35 Mio. € auszahlten. Der Guardian berichtet.

10. Ein namentlich nicht genannter Zweitligaspieler hat versucht, sein Sky-Fußball-Paket als Werbungskosten steuerlich geltend zu machen. Das Finanzgericht Münster hat über den Fall entschieden: Die Übertragungen bei Sky »richteten sich nicht an ein Fachpublikum«, mithin sei »nach allgemeiner Lebenserfahrung« davon auszugehen, dass der Kläger die dargebotenen Fußballspielen nicht ausschließlich zum Zwecke der Weiterbildung genutzt habe. Die Klage wurde abgewiesen. (Beck aktuell)

11. Ein Veranstaltungshinweis für den Samstag: Das Not My FCS-Blog macht durchaus Lust auf den »Saar-Mosel-Schlager« Saarbrücken – Trier.

Meist geklickter Link gestern
Die FAZ über Spitzengehälter für Fußballstars.

Field Reporter

Ich bin für den Cheftrainer-Posten nicht meine Wunschlösung

Ralf Rangnick über Ralf Rangnick zur Besetzung der Trainerstelle in Leipzig (SportBild/sid/Sportal)

Mixed Zone
Düsseldorf: Auch Zweitligist Fortuna 95 hat einen neuen Trainer engagiert: Frank Kramer wurde im Schatten Klopps und Labbadias vorgestellt (RP) + + + Hamburg: Labbadias neuer Arbeitgeber hat weitere Anteile an den Mann gebracht: Agrar-Unternehmer Helmut Bohnhorst steigt mit 4 Mio € ein (Spiegel) + + + England: Ronald Reng und Thomas Hitzlsperger über Lehren, die der englische Fußball aus dem deutschen ziehen kann (BBC, mp3) + + + Leverkusen: Emir Spahic verabschiedete sich im Muhammad-Ali-Shirt von Bayer 04 (BHDragons) + + + Hamburg: Valon Behrami nennt Details der vermeintlichen Schlägerei: Der Boden sei glitschig gewesen und er von selbst umgefallen (BaZ) + + + »Es ist nur Fußball. Niemand ist gestorben.«

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