Thomas Tuchel, in Fußballkreisen nur TT genannt, ist das Thema des Tages. Wo geht er denn nun hin im kommenden Jahr, der gute Tuchel? Diese Frage stellen sich Fans wie auch die Klubchefs mancher Traditionsvereine. Doch warum eigentlich Tuchel? Er ist zwar eloquent, besitzt aber nicht den bezirzenden Charme eines Jürgen Klopps. In der Vergangenheit vergaloppierte er sich vor allem bei seinen ständigen Tiraden gegen die Schiedsrichterei; als medialer Heilsbringer taugt er kaum. Es sind in diesem Fall wahrlich die fachlichen Fähigkeiten, die ihn so begehrt machen. Und die Tatsache, dass es so viele andere Hoffnungsträger im deutschen Trainerbereich nicht gibt. Klopp, Favre und Hecking sitzen fest auf ihren Stühlen und dürften wohl kaum innerhalb der Bundesliga wechseln. Außer Weinzierl und Tuchel bleibt da nicht viel. Ein klassischer Fall von niedrigem Angebot und hoher Nachfrage – da wirkt ein guter Trainer schnell wie der neue Messias.
1. Thomas Tuchel wird gejagt. Fast so intensiv wie Roger Rabbit. Die Liste der Klubs, die ihn unter Vertrag haben will, ist lang. Ganz vorne mit dabei: der HSV. Simon Braasch und Florian Rebien (Mopo) erklären nun, was der HSV alles zu tun bereit ist, um Tuchel an die Elbe zu locken. Jörg Strohscheins Sportschau-Artikel zur Frage, was Tuchel als nächtes macht, liest sich wiederum nach dem klassischen Motto: „Ich weiß, dass ich nichts weiß.“ Tuchels Ex-Spieler Heinz Müller sagt öffentlich dem kicker: „Tuchel ist ein Diktator“. Er lässt kein gutes Haar am Hoffnungsträger der Bundesliga-Führungsetagen.
2. Bundesliga-Vereine geben gerne Fan-Anleihe aus, um schnell an Geld zu kommen. Für die Fußballvereine lohnt es sich – für die Fans oft nicht. Fast 50% verzichten auf die ihnen zustehenden Zinsen, schreibt Lutz Wöckener (Welt Online). Er hat das Modell Fananleihe unter die Lupe genommen.
3. Für viel Aufsehen in den sozialen Netzwerken sorgte gestern das statistische Konzept von Miasanrot: Sie versuchen sich an einer Plus-Minus-Rechnung, um die Leistungen von Fußballspielern zu bewerten. Dazu werden die Anzahl der Tore und Gegentore herangezogen, die fallen, wenn ein Spieler auf dem Feld ist. Es ist ein interessantes Konzept, das meiner Meinung nach aber im Vergleich zum ähnlichen GoalImpact einige Kinderkrankheiten hat. Zum einen kann der Zeitraum einer Saison verzerren, gerade wenn Spieler nach Verletzungen kaum spielen oder sehr spät eingewechselt werden. Überhaupt sind späte Einwechslungen und bestimmte Spielverläufe Zerrfaktoren, die man irgendwie in den Begriff bekommen muss. Last but not least ist die Anzahl der Tore einem großen Glücksfaktor unterwerfen, weshalb ich persönlich Schuss-Statistiken immer bevorzuge. Im Gegensatz zum GoalImpact-Algorhythmus hat das Verfahren jedoch einen Vorteil: Es ist transparent.
4. Mats Hummels erklärte diese Woche im kicker-Interview, er könne sich einen Arbeitsaufenthalt im Ausland durchaus vorstellen. Die Ruhrnachrichten widmen ein Pro und Kontra der Frage, ob der Abgang gut oder schlecht für den BVB wäre. Philipp Selldorf (Süddeutsche) vermutet indes, dass Hummels mithilfe dieser Äußerungen beim BVB ein höheres Gehalt erhalten möchte. Daniel Mertens (Schwatzgelb) mokiert sich über eine andere Aussage des Interviews: Ihm stößt sauer auf, dass Hummels offen zugibt, er habe gar nicht unbedingt ins Champions-League-Viertelfinale vorstoßen wollen. Eine Gegenrede.
5. Gerne wird von grießgrämigen Fans vorgerechnet, dass ein Abstieg für den eigenen Klub heilsam sein könnte. Der kicker zeigt am aktuellen Beispiel VfB Stuttgart, wieso das ein Trugschluss ist: Der Etat würde sich halbieren, Einnahmen wegbrechen und damit wichtige Investitionen ausbleiben. Kleiner Nachtrag von mir: Ein Abstieg bedeutet meist auch eine „Verringerung der Personallast“, wie man im Business-Deutsch so schön sagt. Und entlassen werden nicht die Spieler. Allein deshalb finde ich es zynisch, davon zu reden, dass ein Abstieg einem Klub guttue.
6. Falls irgendwer die gestrige #Link11 verpasst hat, holen wir das Thema EM-Qualifikation noch einmal hervor. Aktives Abseits hat nämlich eine tolle Übersicht zur Frage erstellt, welche kleinen und großen Nationen sich nach derzeitigem Stand für die EM 2016 qualifizieren. Überraschungen garantiert. Trainer Baade freut sich über die Möglichkeit, alle britischen Nationalteams vertreten zu sehen – außer Gibraltar, die, so Erklärbär Baade, gar keine echten Briten seien.
7. Die WM 2022 wird kontrovers diskutiert. Dirk Burkhardt (Sportschau) widmet sich einer Frage, die bisher kaum jemand gestellt hat: Wie will der Gastgeber eigentlich sportlich mithalten? Geld ist auch hier die Antwort. Der Wüstenstaat investiert Millionen in die Nachwuchsförderung.
8. Wirklich spannend ist die Wahl zum Fifa-Boss nicht – alles andere als ein Blatter-Sieg wäre eine große Überraschung. Trotzdem schreibt auch diese Wahl wieder zahlreiche Geschichten. Tim Röhn (Welt Online) stellt die Kandidaten vor und wirft vor allem einen Blick auf Michael van Praag, den niederländischen Kandidaten, der sich derzeit als das Gegenbild Blatters stilisiert.
9. 2016 steht den DFB-Frauen eine große Zäsur bevor: Nationaltrainer Silvia Neid zieht sich in die Talentförderung zurück, Steffi Jones übernimmt (s. Süddeutsche). Claudia Neumann (ZDF Sport) findet den Schritt richtig. Daniel Meuren (FAZ) kritisiert hingegen: Jones habe keine Erfahrung, man habe einfach die bequeme interne Lösung gewählt anstatt nach sportlichen Alternativen Ausschau zu halten.
10. Ausschreitungen, Messerangriffe, Hitlergrüße – und trotzdem zieht der Fanbeauftragte des SV Babelsberg eine positive Bilanz nach dem Spiel gegen BFC Dynamo. Die Entwicklung sei insgesamt positiv und die Atmosphäre weniger giftig, sagt er im Gespräch mit Andreas Bock (11Freunde).
11. Ein wenig hohe Politik in unserer kleinen #Link11: Der PAOK Saloniki profitiert von einem griechischen Gesetz, das einem Steuerschuldner Teilschulden erlässt, wenn er eine bestimmte Summe sofort begleicht. Klubbesitzer ist der russische Unternehmer Ivan Savvidis, was den Autor Giorgos Christides (Spiegel Online) vermuten lässt, dass eine pro-russische Politik hinter dem Deal steckt – schließlich will Siriza sich derzeit bei Putin beliebt machen. Der Artikel macht aus meiner Sicht aber einige gedankliche Sprünge zu viel.
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Habe ich es nur überlesen oder erwähnt der Sportschau-Artikel zur katarischen Nachwuchsförderung nicht, dass die sich schon aus halb Afrika und Südamerika Jugendspieler casten, die dann für Katar antreten?