Der Stern des Südens, so singen seine Anhänger, wird vom Untergang auf ewig verschont bleiben, drehe sich die Erde, wohin sie auch wolle. In Bezug auf den Fußball an sich ist man sich in Deutschland momentan nicht so sicher. Fixierung auf Gewinne, grenzenlose Vermarktung, die das Ehrenamt verdrängende Professionalisierung und das Aufsprießen ungeliebter Emporkömmlinge treiben dem ein oder anderen Sorgenfalten ins Gesicht. Die heutige Link11 will dem entgegenwirken. Sie zeigt noch nicht untergegangenen Fußball und macht eine Runde durch Profi- und Amateurspiele im In- und Ausland, von der Bundesliga bis zum Sandplatz, von Neuöttig nach Sao Paulo und zurück.
1. Hoffenheim und Leverkusen teilen sich die Tabellenführung der 1. Fußball-Bundesliga, Leipzig steht in der zweiten Bundesliga auf Platz 1. Eine Konstellation, wie sie selbst in der Offenbarung des Johannes nicht erahnt werden konnte. Über die Entstehung des Feindbildes, die Doppelmoral und die denkbare Überwindung hat Claus Vetter einen einführenden Artikel geschrieben. (ZEIT) Einen Rückblick auf die bisherige Debatte unter Bezugnahme auf Fangruppen, die Konsitution anderer Klubs und die Rolle von Medien hat André Anchuelo für die Jungle World erstellt. Soweit das Rüstzeug für die in nächster Zeit wohl nicht abreißenden Texte über den aufstrebenden Ostklub.
2. Ist im Fußball von Debatte und Diskussionskultur die Rede, darf der Doppelpass nicht unerwähnt bleiben. Die Bastion der schon bald alkoholisierten Schwadroneure am Sonntagmorgen regte ZEIT-Autor Christian Spiller dazu an, DER Fußballsendung schlechthin im deutschen Fernsehen ein kleines Denkmal zu setzen.
Derzeit wird etwa nur jede Millionste Floskel geahndet. Dabei geht der Inhalt der Sau an einen guten Zweck. Fakt ist: Wenn alle Beteiligten die Sache mit dem Phrasenschwein Ernst nehmen würden, müsste kein Kind der Welt mehr Hunger leiden.
3. Nach der Rückkehr aus der Sommerpause kommen wir nicht umhin, einige immer noch lesenwerte Texte zu verlinken, die schon ein paar Wochen auf dem Buckel haben. In Antworten auf die Fragen Christoph Biermanns erläuterte Michael Reschke (früher Leverkusen, jetzt Bayern) grundlegende Überlegungen und seine eigenen Ansichten zur Kaderplanung eines Bundesligisten. Das zuerst in der gedruckten 11Freunde erschienene Interview ist in voller Länge bei Spiegel Online nachzulesen:
[Auch] vielseitige Spieler haben eine Kardinalposition, auf der sie am besten sind. Und es funktioniert nicht, lauter flexible Spieler zu haben, die etwa alle auch rechter Verteidiger spielen könnten, ohne einen ausgebildeten rechten Verteidiger im Team zu haben. Man braucht daher als Ausgangsbasis ein festes Kaderbild, in dem alle Positionen klar besetzt sind.
4. Zum Geschehen auf den Spielfeldern der Republik. In Dortmund erteilte Roger Schmidt Jürgen Klopp eine Lektion in extrem ballorientiertem Pressing. Rene Maric (Spielverlagerung.de) zeigt die Anleihen von Rangnicks Salzburger Spielstil auf und gibt erste vorsichtige Prognosen zum Fortbestand der Leverkusener Frühform.
5. Der zweite Spielbericht kommt aus der dritten Liga. Kees Jaratz (Zebrastreifenblog) legt schlüssig dar, weshalb der MSV Duisburg aus Sicht des Fans die dritte Liga unbedingt verlassen muss:
[Der MDR] weiß um die spielunabhängigen Qualitäten seiner Reporter und steckte Ronny deshalb anscheinend in eine nahezu schalldichte Sprecherkabine, damit er ohne Stadionatmosphäre noch viel freier in der Gegend herumquatschen kann.
6. Schauplatz des nächsten Spielberichts ist die Kreisklasse. Im Oberbayern stand das »katholische Hassderby« an: Neuötting gegen Altötting. Wie hat man sich das vorzustellen? Benutzer »Lüngerl« aus dem 1860-Forum »Die Löwen-Bar« schildert seine Eindrücke:
Während des Spiels wurden Marienlieder mit Fußballtexten intoniert. Ein Wahnsinn. Als ein Verletzter am Boden liegt, plärrt der ganze Block vor ihm „Wunderheilung, Wunderheilung, hey, hey, hey“.
7. Angesichts von nur 58% Katholiken kann das brasilianische Sao Paulo wohl in Sachen Katholizismus nicht mit den beiden -öttings mithalten. Dafür hat Renato Stockler aus der Luft festgehalten, wie Fußballplätze, meist aus Sand, oft mit improvisierten, gekrümmten, verschwommenen und schlingernden Linien, das Stadtbild Sao Paulos durchdringen.
8. Zurück nach Europa, wenn auch nicht in die EU (Gott bewahre): Die Schweizer Tageswoche ist bestrebt, die Saison des FC Basel anhand von Passagen der Weltliteratur nachzuvollziehen. Ein Spielbericht von der Partie gegen Aarau.
9. In der ZEIT versucht Marcel Dussling im Gespräch mit Christian Spiller, die Faszination der Stadionhefte zu erklären. Er erläutert die Ansprüche des Sammlers und wie er anfing, Stadionhefte zu sammeln. Zwei Sätze reichen, um die Entscheidung nachvollziehen zu können:
Damals spielte mein VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt. 0:0, das Spiel war so langweilig. Das einzig interessante war das Stadionheft.
10. Die Fritz-Walter-Medaille, eine vom Deutschen Fußball-Bund verliehene Auszeichnung für die besten Nachwuchsfußballer, geht in diesem Jahr in Gold an Niklas Stark (Nürnberg, U19), Julian Brandt (Wolfsburg/Leverkusen, U18), Benedikt Gimber (Hoffenheim, U17) und Sara Däbritz (Freiburg, Juniorinnen). Silber- und Bronze-Gewinner bei den jugendlichen Herren hat Goal.com aufgelistet.
11. Anfang September steht die erste Länderspielpause der Saison an. Der 1. FC Union nutzt die Gelegenheit, um unter der Schirmherrschaft des Berliner Fußball-Verbandes und der Kooperation der Robert-Enke-Stiftung ein Benefizspiel zugunsten der Familie des in Folge von Depressionen verstorbenen Spielers Andreas Biermann auszutragen (FuPa).
Nachspielzeit
Es ist sicherlich unredlich, alle Fans eines Vereins in einen Topf zu schmeißen – wer aber unangenehm auffällt, fällt nun einmal auf. Ist als Verfasser also »die aktive Fanszene von Fortuna Düsseldorf« angegeben, fallen mir in der jüngeren Vergangenheit leider nur unredliche Aktivitäten ein: Das Werfen von Feuerwerkskörpern auf den Platz in Aalen oder zuletzt die marodierenden Anhänger im Rahmen des DFB-Pokalspiels in Würzburg. Ob das Fundstück »Untergang-des-Fussballs.de«, das sich gegen die Lizenzerteilung für RasenBallsport Leipzig wendet und zugleich das Düsseldorfer Banner »Fankultur erhalten« präsentiert, also ein überzeugendes Statement dafür ist, an wessen Ansichten die Zukunft des Fußballs ausgerichtet werden sollte, darf bezweifelt werden.