#Link11: Der herumstreunende Neuner

Damit ist Deutschland nun also auch dabei. Schlandisierte Horden, die den Tiergarten vollpinkeln. Meterhohe Fahnen auf Mofa-Gepäckträgern, deren Luftwiderstand den letzten Rest Geschwindigkeit raubt. Vor allem aber: Fußball. Sehr viele Spiele. Sehr viele Tore. Ein Ende der ständigen Schiedsrichterschelte, zu viel anderes hat sich ereignet. Ein paar Aspekte, ein paar Texte, ein paar Links nur.

blogundpresseschau
1. Beginnen wir mit einer kleinen Studie. Brasilien. Ein paar Wohnklötze, ein WM-Spiel, eine Kamera, ein Mikrofon. »This is how my neighborhood sounds when Brazil scores in the World Cup«, der Titel sagt alles (Fritten, Fußball und Bier).

2. Gestern abend stieg die deutsche Nationalmannschaft mit einem 4:0-Sieg über Portugal in die WM ein. Einen Spielbericht gibt es in der SZ, die Taktikanalyse liefert Tobias Escher bei Spielverlagerung.de. Bei der Frage nach dem Spieler des Spiels sind sich alle einig, die Lobeshymnen erklingen im Chor: Müller (Oliver Fritsch, ZEIT), Müller (Tim Jürgens, 11Freunde), Müller (Ahrens/Buschmann, Spiegel), Muller (Raphael Honigstein, ESPN). Gleiches gilt für den ersten Verlierer der Partie: Cristiano (Chrstian Eichler, FAZ) Ronaldo (Thomas Hummel, SZ). Hummel erinnert außerdem antizyklisch an Miroslav Klose und freut sich, ihn im Kader zu wissen.

Auf Schalkefan.de finden sich die gesammelten Spielberichte der Analogblogger. Angela Merkel und weitere deutsche Politiker besuchten das Spiel in Salvador de Bahia. No jokes with names: Gerd Müller, Minister für Entwicklungshilfe, lehnte eine Anreise ab. Der Spiegel schafft einen Überblick.

3. Damit ist das erste Spiel abgearbeitet, es folgt bald das nächste. Was hier in der Link11 aber nur ein erträglicher Unterpunkt ist, dehnt sich im deutschen Fernsehen auf eine quälende Stunde. Der Tagesspiegel über die »qualitätsvolle Nullberichterstattung«, die Ignoranz gegenüber Inhalten im Allgemeinen und kleinere Nationen im Speziellen. Auch bei Frédéric Valin sorgt der öffentlich-rechtiche Rahmen mit für »eine gewisse Müdigkeit«. Dabei lohnt es sich oft, genau hinzuhören. So ist der mittlere Tonkanal im ZDF-5.1-Sound oft für überraschendes Geflüster gut; auch die ARD veröffentlicht teilweise mehr, als ihr lieb ist (YouTube).

4. Als zweites Spiel des gestrigen Abends war Iran–Nigeria angesetzt. Leider fand zur vereinbarten Zeit nichts statt, das sich im Maßstab der bisherigen Spiele würdig »Fußball« nennen ließe. Die ZEIT veröffentlich daher auch keinen Spielbericht, sondern einen Dank an das Unansehnliche, im Kontrast zu welchem die großartigen Momente des Sports erst ihren vollen Glanz entfalten. Tim Rieke (Spielverlagerung) sah ein zwar enttäuschendes, aber noch analysierbares Spiel, während Falk Steiner Kommentator Steffen Simon »Alltagsrassismus live und in Farbe« attestiert.

5. Zum letzten Spiel: Ghana–USA. Die SZ bescheinigt den Vereinigten Staaten einen »Traumstart«, der Spiegel hebt den Herthaner Brooks hervor, der die Partie mit seinem Treffer in der Schlussphase entschied. Spielverlagerung sah Belege dafür, dass beide Teams nicht zu den besten zählen.

6. Einen Grund, warum die Schiedsrichter nicht mehr wie an den Anfangstagen gescholten werden, lieferte Равшан Эрматов. Der Mann ist Usbeke, man schreibt ihn auch Ravshan Ermatov (deutsch), Irmatov (englisch), 3pmatoB (optisch). Bleibenden Eindruck hinterließ er jedenfalls durch seinen Umgang mit dem Vorteil. Schon vor Jahren sprach er über seine taktische Vorbereitung auf ein Spiel, die sich spätestens im Spiel Schweiz–Ecuador auszahlte. Weiteres unparteiisches Highlight war der erstmalig entscheidende Einsatz der Torlinientechnik im Spiel Frankreich–Honduras. Dabei war die Entscheidung haarscharf, ihr Beleg durch eine auch im Stadion eingespielte Videosimulation sorgte allerdings für Misstrauen (SZ). 8bitFootball beweist aber: Der Ball war um ein Pixel drin.

7. Von den Schiedsrichtern zurück zu den Spielern: Ivica Olic greift morgen wieder ins Turnier ein, anlässlich seines ersten Auftrittes gegen Brasilien hat Frédéric Valin einen alten Blogpost hervorgekramt. Lisa Sonnabend analysiert in der SZ den Auftritt Lionel Messis. Dem Leader des geheimen Favoriten Belgien, Alex Witsel, widmet 11Freunde einen Artikel.

8. Mit der Bedeutung des Turniers für Brasilien beschäftigt sich der Deutschlandfunk. In der Rubrik »Diskurs« wurde ein halbstündiges Gespräch mit dem »Brasilienexperten« Dawid Bartelt geführt. Die Trübung des Sportereignisses durch Proteste und Korruption, das Prozedere der Vergabe solcher Turniere beschäftigen das Format »Kontrovers« ausführlich. Über die gefestigte linke Abneigung gegen den Fußball schreibt Martin Krauss in der Jungle World sehr lesenswert. Soll der Fußball Völker vereinen, könnte er im Kleinen damit beginnen: Bei der Nationalmannschaft Bosnien-Herzegowinas (120minuten)

9. Nachdem also unter Punkt 1-8 allerlei Amateure ihre Sicht der Dinge abgegeben haben, spricht in der FAZ der Fußballlehrer. »Er gilt als Vordenker im Fußball«. Man erinnere sich nur an seine zahllosen Erfolge, sei es der DFB-Pokal, den er gegen Duisburg errang, oder ein anderer. Es spricht nun zu Ihnen (»So was von passiv habe ich zum Beispiel die Spanier in den letzten zehn Jahren noch nicht gesehen«): Ralf Rangnick.

10. Franz Beckenbauer und die Ethikkommission der FIFA hatten in den letzten Tagen durchaus unterschiedliche Ansichten und Schilderungen des Vorgefallenen zu bieten. Der Indirekte Freistoß gibt einen Überblick. Jens Weinreich erinnert an seinen alten Bericht über Beckenbauers Verbindung zur Russenmafia und kritisiert den Umgang der BamS damit. Die Streitigkeiten zwischen Niersbach und Zwanziger kommentieren Oliver Fritsch (ZEIT) und Andreas Rüttenauer (taz)

11. Zu allen bisherigen Spielen finden sich natürlich Analysen. Nach Tagen (1 2 3 4) sortiert hat Zonal Marking die bisherigen Spiele der WM in gewohnter Manier unter taktischen Gesichtspunkten betrachtet. Spielverlagerung widmet jedem Spiel einen eigenen Artikel. Noch einmal erwähnt sei an dieser Stelle das bisherige WM-Highlight Spanien–Niederlande. »Darüber wird noch lange geredet«, prognostiziert Martin Rafelt in seiner Taktikanalyse für Watson.ch. Auch 11tegen11 hat einige Aspekte unter die Lupe genommen. Richard Swarbrick hat die Szenen des Spiels in eine Animation in eigenem Stil umgearbeitet (YouTube).

 

Bandenwerbung:

Collinas Erben haben die erste Ausgabe zur WM aufgenommen. Der 1. Spieltag der Gruppen A-E wird neben allgemeinen Aspekten abgehandelt.

 

Field Reporter

Thomas ist (…) immer derjenige, der ein Näschen hat, der dahin geht, wo die größte Gefahr für den Gegner herrscht. Er geht auf den kurzen Pfosten, er schließt ab, wenn es keiner erwartet, genau wie beim vierten Tor. Er steht immer da. Er ist irgendwie ständig präsent im Sechzehner. Das zeichnet Thomas Müller aus. Er macht viele Wege, Querläufe, Diagonalläufe, so dass er für den Gegenspieler schwer zu greifen ist.

Joachim Löw im Interview mit der FAZ.

 

Mixed Zone:

Inception: Einen Überblick kleinerer Nachrichten gibt es bei der SZ + + + Kündigung: Rahmenbedingungen der WM am Arbeitsplatz (Spiegel) + + + Prinz: Lukas Podolski im Gespräch mit dem ZEIT-Magazin + + + Comeback: Das SZ-Magazin hat Monica Lierhaus begleitet + + + Soccer: Warum eigentlich diese Bezeichnung? (The Atlantic) + + + Campo: Dembowskis tägliche WM-Kolumne + + + Rumänien: Endreas Müller berichtet über den FC Brasov (120minuten) + + +

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