Collinas Erben: Textsonderausgabe zum 24. Spieltag


Auch in dieser Woche wird es – diesmal urlaubsbedingt – leider keine neue Podcastfolge von »Collinas Erben« geben. Dafür bieten wir aber erneut eine Textsonderausgabe mit einer Einschätzung zu kontroversen Entscheidungen des vergangenen Spieltags an.


1. FC Nürnberg – SC Freiburg

Das Handspiel gehört zu den Vergehen, über die häufig besonders erregt diskutiert wird: Wurde es nun absichtlich und damit strafwürdig im Sinne der Regel 12 verübt? Oder ist der betreffende Spieler von jeder Schuld freizusprechen, weil er nun wirklich nichts für den Kontakt zwischen Hand (respektive Arm) und Ball konnte? Oft ist das gar nicht so einfach zu beurteilen, weil es zahllose Grenzfälle gibt; hinzu kommt, dass sich die Spieler im bezahlten Fußball an den Regelauslegungen orientieren und durchaus auf etwaige diesbezügliche Änderungen reagieren, was bisweilen eine Neujustierung der Regelauslegung erforderlich machen kann.

In der aktuellen »Schiedsrichter-Zeitung« des DFB schreiben Lutz Wagner und Lutz Lüttig, bei der Bewertung von Handspielen während der Bundesliga-Hinrunde sei es vor allem »um die unnatürliche Armhaltung zur Verbreiterung der Körperfläche« gegangen. »Wird der Ball dadurch aufgehalten«, erläutern sie, »handelt es sich um ein strafbares Handspiel«. Der Schiedsrichter müsse entscheiden, »ob die Arm- beziehungsweise Handhaltung zur Lauf- oder Sprungbewegung des Spielers (›natürlicher Bewegungsablauf‹) gehört oder dazu dient, den Ball aufzuhalten. Denn dann steckt dahinter eine Absicht – und die ist eben strafbar.«

Um den Schiedsrichtern die Entscheidung zu erleichtern – und um den Spielern eine Orientierungshilfe zu geben –, gilt inzwischen eine Art Faustregel, die besagt: Wenn sich der Arm über Kopfhöhe befindet, dann ist grundsätzlich nicht mehr von einem »natürlichen Bewegungsablauf« auszugehen, sondern vielmehr von der erwähnten strafbaren »Vergrößerung der Körperfläche«. Genau deshalb gab es den Strafstoß gegen den SC Freiburg – so darf man Felix Zwayers erläuternde Gestik jedenfalls interpretieren.

Allerdings wurde Cedrick Makiadi der Ball aus kürzester Distanz und vor allem von hinten an den abgewinkelten Oberarm geköpft (von einem Mitspieler übrigens, aber das spielt für die Beurteilung grundsätzlich keine Rolle), was »nach Sinn und Geist der Regel nicht strafbar« gewesen sei, wie DFB-Schiedsrichter-Chef Herbert Fandel gegenüber dem »Kicker« erklärte. Makiadi habe »am Ende keinen Blick zum Ball gehabt«, und das hätte ein entscheidendes Kriterium sein müssen. Auch hier gilt also: Keine (Faust-)Regel ohne Ausnahme.

Bayer 04 Leverkusen – VfB Stuttgart

Eine strafwürdiges Handspiel lag dagegen vor, als Martin Harnik seine Körperfläche vergrößerte (und zudem noch eine kurze Bewegung mit der Hand zum Ball unternahm); Schiedsrichter Wolfgang Stark ließ die Partie jedoch laufen. Den nun folgenden Konter stoppte Philipp Wollscheid durch ein Foul an Vedad Ibišević, woraufhin Stark einen Strafstoß verhängte. Die Zeitlupe und das Standbild zeigen, dass das Foul kurz vor dem Strafraum begangen wurde, aber so ist das eben im modernen und also schnellen Fußball – wie schon beim Spiel zwischen Werder Bremen und dem SC Freiburg vor einigen Wochen (FF 31) ging es auch hier um wenige Zentimeter.

Klar und eindeutig war dagegen Molinaros Handspiel im eigenen Strafraum. Der »Sky«-Kommentator hat es auf den Punkt gebracht: Das war eine Abwehr in bester Torwartmanier.

Eintracht Frankfurt – Borussia Mönchengladbach

Eine regeltechnisch hochinteressante Szene spielte sich ab, als Takashi Inui in den Mönchengladbacher Strafraum eindrang und der Gladbacher Harvard Nordtveit ein Bein ausfuhr, um den Frankfurter zu bremsen. Inui hüpfte jedoch einfach elegant über Nordtveits Tackling, als ob es nichts wäre, und scheiterte dann mit seinem Schuss an Torwart ter Stegen. Schiedsrichter Deniz Aytekin gab einen Eckstoß.

Eine vergleichbare Situation hatte sich am 5. Spieltag zugetragen, auch hier mit Beteiligung der Gladbacher und von Aytekin, nur dass Ivo Iličević vom HSV die Rolle von Inui innehatte und Martin Stranzl die von Nordtveit – und mit dem wesentlichen Unterschied, dass Iličević fiel, woraufhin Aytekin auf den Punkt zeigte. Bei der DFB-Medienschulung (FF 22) hatte Hellmut Krug diese Szene gezeigt und gegenüber den Journalisten klargestellt: Der Strafstoß war berechtigt, weil laut Regel 12 grundsätzlich auch versuchtes Beinstellen strafbar ist und Iličević somit regelwidrig am Weiterlaufen gehindert wurde. (Der Platzverweis hingegen war falsch, weil es sich nicht um eine »Notbremse« handelte, aber das ist hier nebensächlich.)

Das heißt: Wäre auch Inui zu Fall gekommen (oder infolge seines Hüpfers auch nur deutlich ins Straucheln geraten), dann hätte es ebenfalls einen Strafstoß geben müssen. Dass es ihn nicht gab, erklärt sich dadurch, dass der Frankfurter, anders als Iličević, von der Grätsche seines Gegenspielers gänzlich unbeeindruckt schien, der Versuch des Beinstellens also nicht wirksam wurde. (In der Zeitlupe erkennt man zwar, wie Inui durch das Tackling minimal aus dem Tritt gerät, aber das war für den Referee in Echtzeit wohl kaum zu erkennen.)

Rot-Weiß Erfurt – 1. FC Saarbrücken (3. Liga)

In dieser Partie gab es in der 42. Minute einen Platzverweis gegen den Saarbrücker Manuel Stiefler (in der Zusammenfassung des MDR ab etwa 8:50 zu sehen), der auf den ersten Blick nicht nur fragwürdig, sondern sogar völlig überzogen wirkt. Schließlich verfehlte der Spieler, so scheint es, doch nur knapp den Ball und traf stattdessen versehentlich einen Gegner. In der zweiten Zeitlupe dagegen – die auch deutlich macht, welchen Blick Schiedsrichter Sven Jablonski auf die Szene hatte – wird klar: Aus Stieflers etwas unorthodoxen Versuch, den Ball zu spielen, wurde unversehens ein Kung-Fu-Tritt in den Bauch oder Unterleib eines Erfurter Akteurs.

Man muss Stiefler gewiss nicht unterstellen, dieses unschöne Resultat beabsichtigt zu haben – aber wer in der Nähe eines Gegenspielers mit einem derart »hohen Bein« agiert, trägt nun mal das Risiko, dass die Dinge anders ausgehen als eigentlich geplant, und hat die Folgen zu tragen. Deshalb lag hier ein Fall von »rohem Spiel« vor, und daher ist der Platzverweis absolut vertretbar.

Nachtrag

In der Textsonderausgabe zum 23. Spieltag ging es unter anderem um einen eigenartig anmutenden Platzverweis in der Drittligapartie zwischen dem 1. FC Heidenheim und dem SV Darmstadt 98. Inzwischen hat das DFB-Sportgericht getagt und beschlossen: Der Darmstädter Spieler Gorka bleibt für drei Wochen gesperrt. In der Verhandlung war offenbar sogar eine »Lippenleserin« aufgefahren worden, mit deren Hilfe die Darmstädter nachweisen wollten, dass Gorka den Schiedsrichter nicht beleidigt hat.

Ohne Erfolg: Obwohl sogar der Sportrichter die Umstände des Platzverweises »merkwürdig« fand, wurde der Stellungnahme von Schiedsrichter Benjamin Cortus wegen des »erhöhten Richtigkeitsgewichts« mehr Bedeutung beigemessen. Das heißt: Wenn ein Referee in einem solchen Fall bei seiner Aussage bleibt, hat der betreffende Verein letztlich keine Chance, weil das Sportgericht den Äußerungen eines Schiedsrichters prinzipiell mehr Bedeutung beimisst und ihn grundsätzlich für glaubwürdiger hält als jeden anderen Zeugen. Unabhängig von der Frage, was sich in Heidenheim zugetragen hat, ist das eine einigermaßen diskussionswürdige Rechtsauffassung. Denn so richtig es auch ist, die Einschätzung eines Unparteiischen (!) generell stärker zu gewichten: Unfehlbar ist niemand.

1 Kommentar » Schreibe einen Kommentar

  1. Ich finde das Standbild kann man sich sparen bei Leverkusen – Stuttgart, das sieht man in Echtzeit, dass das Vergehen außerhalb beginnt. Dr. Markus Merk sprach in der Halbzeit trotzdem von einer korrekten Entscheidung, weil „Teile des Foulspiels“ ja innerhalb stattgefunden haben. Alles sehr merkwürdig…hier ist ein Fehler gemacht worden, Punkt. Hierzu benötigt man keinerlei Hilfsmittel. In der Zeitlupe sieht man doch genau wie er zum Assistenten blickt und auf dessen Entscheidung wartet. Dieser steht fast parallel zur Szene und entscheidet es falsch.

    Felix Zwayer sollte man dann mal bitte mitteilen, wie die korrekte Auslegung ist, wenn Herr Fandel das danach tut im Gespräch, zeugt das nicht von einer Absprache unter den Schiedsrichtern. Gerade wenn Zwayer wirklich einer der besten in Deutschland und sogar in Europa sein soll, dann muss er das wissen und darf den Strafstoß nie geben, ich fand die Auslegung war zu kleinlich interpretiert- erster Eindruck von mir in der Live-Konferenz „Was hat denn der Arm da oben zu suchen, selbst Schuld!“…eventuell hat es Zwayer auch so oder ähnlich gesehen.

    Die 2. Liga Partie FSV Frankfurt – Köln muss man komplett gesehen haben, um erneut von einer äußerst dürftigen Vorstellung von Marco Fritz sprechen zu können. Er scheint von seinen Leistungen auf dem absteigenden Ast, gab in der Bundesliga schon diverse Kritik gegen einige Entscheidungen und nun macht er das ganze in Liga 2 auch nicht viel besser als zuvor. Seine Zweikampf-Beurteilung im Ganzen und mal wieder keine sonderlich gute Spielleitung zeige ich hier als Hauptkritikpunkte am Sonntag Nachmittag auf. Man muss das Spiel komplett gesehen haben. Die Szene, die zum Strafstoß und der Führung vom FSV Frankfurt führte, kann man in den Highlights bestimmt irgendwo sehen, wie man sich hier zu 110 % sicher sein kann, dass ein Foulspiel vorliegt (und man, weil man sich so supersicher ist auf Strafstoß etnscheidet) ist mir schleierhaft, wenngleich der Kölner sehr fair nach Ende der Partie eingeräumt hat den Verteidiger getroffen zu haben…

    Besten Dank für die Textsonderausgabe, sehr guter Content wie immer!

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