Die Fokus-Fußball-Viererkette – Folge 1: Der jonglierende Trainer

Wir wollen Fokus Fußball zum Fußballinformationsdienst ausbauen und um umfassend zum Thema berichten zu können, darf eine Taktikkolumne nicht fehlen. Zu unserer großen Freude konnten wir Jakob Jochmann gewinnen, der uns bereits äußerst anschaulich die ein oder andere taktische Finesse in der Kontextschmiede und bei „On the Pitchnäher brachte. Viel Spaß!

Fußballtaktik oder vielmehr die Diskussion darüber ist ein Nischenthema. Allerdings eines, das sich rasant dem Mainstream nähert, nicht zuletzt wenn es darum geht, die taktischen Fähigkeiten von Trainern zu bewerten. Ich selbst bin da nicht unschuldig, dabei ist die Außenperspektive und mangelnde Einsicht in die Trainingsrealität häufig problematisch. Eines sollte uns immer bewusst sein: Ein Trainer braucht mehr als taktische Brillanz, um erfolgreich zu sein. Wer in der Menschenführung oder als Mentor scheitert, dem hilft keine Taktik, Spiele zu gewinnen.

Ein sympathischer Typ zu sein, auf den alle hören, und obendrein ein hervorragendes Verständnis von Raumverknappung und Chancenerarbeitung zu haben, reicht aber immer noch nicht aus. Die eigentliche Kernkompetenz eines Trainers {{1}} ist es, sein oder ihr Wissen auch an die Spieler zu vermitteln und ihnen zu ermöglichen, die Vision auf dem Spielfeld umzusetzen.

Wir können strategische Maßnahmen kritisieren und fragen „warum spielen die Flügelstürmer nicht invers {{2}}?“ denn eine solche Maßnahme lässt sich mit einer schlichten Ansage an die Spieler vermitteln: „Du spielst heute links.“ Aber spontane Formationswechsel und Spielzüge in einer Regenschlacht auf dem Schalker Acker {{3}} einzufordern, von denen wir sicher sind, dass sie angesichts der Aufstellung des Gegners erfolgversprechender gewesen wären, das ist wirklich leichter gesagt als getan.

Wer glaubt, dass ein kurzer Griff zur Taktiktafel in der Halbzeit die Spieler in die Lage versetzt, den neu entworfenen Matchplan umzusetzen, der hat wohl jegliche Erinnerung an die Schulzeit verdrängt. Wie viel haben wir von den Tafelbildern im Kopf behalten? Richtig. Komplexe Schemata von einer schnellen Zeichnung zu verinnerlichen, ist schwer genug. Daraus auch noch die Entscheidungen vorherzusehen, die es später auf dem Platz zu treffen gilt, ist schier unmöglich, nicht zuletzt weil da auch noch elf Spielverderber unterwegs sind, die alles daran setzen, solche Pläne zu vereiteln.

Das wahre Trainergenie zeigt sich in der Fähigkeit, Spielern zur Umsetzung taktischer Anweisungen zu verhelfen. Übung macht den Meister, aber wie können wir Trainingseinheiten so gestalten, dass sie die gleichen Entscheidungszwänge simulieren, wie ein Wettkampf? Wie können wir diese kritischen Situationen in einer ausreichend hohen Anzahl herbeiführen, dass die Spieler unsere Lösungsansätze von der Taktiktafel verinnerlichen und automatisieren?

Wissensvermittlung ist schwierig genug. Vermittlung spezialisierten Wissens unter den mannigfaltig beschränkten Bedingungen, die der Profialltag mit sich bringt ist wahnsinnig schwer. Vermittlung kollektiver Entscheidungsfindungsprozesse in einem übergeordneten taktischen Schema in wenigen Stunden pro Woche ist schier unmöglich. Wenn wir einen Ball ins Spiel bringen, müssen wir uns schon über viel mehr Dinge den Kopf zerbrechen, als kollektive Positionstreue, Anlaufwinkel und Übergabepunkte. Außerdem müssen die Spieler auch noch irgendwie die Kondition für 90 Minuten Sprintwettkampf in der uns gegebenen Zeit erarbeiten. Überanstrengen dürfen sie sich auch nicht, weil die Trainingssteuerung den optimalen physischen Zustand für jedes kommende Spiel sicherstellen muss.

Jonglieren ist die große Trainerkunst, oder weniger metaphorisch gesagt; die passenden Trainingsinhalte zu erstellen, die den verschiedenen Anforderungen zur Wissensvermittlung und physischen Konditionierung optimal gerecht werden. Nur Teams, denen vermittelt wurde, wie sie die Anweisungen auf der Taktiktafel umzusetzen haben, können dies auch tun. Das sollte unser Ansatz sein, wenn wir Trainer kritisieren. Haben die Spieler Lösungen parat? Nicht, dass ausgerechnet die Speziallösung, die wir für ein einzelnes Spiel entdeckt haben, von unserem Team ungenutzt blieb.

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[[1]]genauso einer Trainerin natürlich[[1]]
[[2]]mit ihrem starken Fuß für häufigeren Torabschluss innen[[2]]
[[3]]ohne Worte[[3]]

2 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Aus „informierten Kreisen“ (von einem Kumpel) höre ich, dass die Spieler Jürgen Klopp nicht zuletzt deswegen schätzen, weil er außergewöhnlich spannende Trainingsformen erfindet. Ich denke es kommt nicht von ungefähr, dass Dortmund zu den ausgefeiltesten Hochgeschwindigkeitsmannschaften Europas zählt. Man sieht sehr gut, dass die Dortmunder eine Menge Lösungen parat haben, die kollektiv ineinander greifen.

    Mannschaften gezielt daraufhin zu bewerten, wie die Entscheidungen auf dem Platz ineinander greifen und welche Rückschlüsse wir daraus über die Trainingsqualität ziehen können ist wohl einen eigenen Beitrag wert.

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