#Link11: 1000 mal belogen

Eines habe ich in den vergangen Monaten gelernt: Link11 am Freitag produzieren heißt vor allem der Frage nach zu gehen: Wie oft wird die Wahrheit noch gebogen?  Im Juni war es die Fifa, im Oktober der DFB, heute sind wir wieder zurück in Zürich. Es sollte nämlich ein großer, schöner Fifa-Tag werden: Ein Reformpaket mit einigen bemerkenswerten Änderungen wurde beschlossen, wie ein Aufbruchsignal am Ende eines für die FIFA miserablen Jahres hätte es klingen können. Es wurde: Das nächste Kapitel in der großen Korruptionserzählung. Statt auf die Reformvorschläge einzugehen, richten sich heute die Blicke in ein 240 Seiten schweres Dokument, das die US-Justizminsterin Loretta Lynch gestern präsentierte (Alle Nerds hier entlang zum Originaldokument). Drama choreografieren, das können Sie eben in den USA. Lynch spricht darin von Verhaftungen, Auslieferungen und Gerichtsprozessen. Es sind die wahren Reformvorschläge der Fifa. Die Kurzform:

blogundpresseschau1. Der Tag begann im noblen Baur au Lac Hotel, Residenz der Fifa-Bosse in Sitzungswochen, Zimmerkosten: 850 Euro pro Nacht. Für einen kleinen Einblick in diese Welt hat Sam Borden, Reporter der New York Times ein Storify gebastelt. Denn praktischerweise war er im Hotel, als die Ermittler die beiden Fifa-Vizepräsidenten Alfredo Hawit Banegas (Honduras) und Juan Angel Napout (Paraguay) früh am Morgen abführten.

Das Internet zeigte sofort wieder, was es kann und „SUSEPENDEDSEP123“ setzte sich an eine neue Tripadvisor-Bewertung für das Hotel. Köstlich!

2. Anschließend tagte ab 9 Uhr das Exekutivkomitee, um über die weitreichenden Reformen zu beraten. Die wichtigsten Beschlüsse:

    • Es gibt nun eine Amtszeitbeschränkung auf höchstens zwölf Jahre
    • Das Exekutivkomitee wird abgeschafft und durch den „Fifa-Rat“ ersetzt, der politische Aufgaben übernimmt. Die Geschäfte führt künftig das Generalsekretariat
    • Es sollen mehr Frauen in die Gremien
    • Die Teilnehmerzahl der WM wird vorerst nicht auf 40 Nationen erhöht, der Vorschlag ist aber nicht vom Tisch.

Das komplette Statement hier.

3. Freitagsfrage: Wir suchen einen Begriff. Eine Pressekonferenz, bei der auf einer Power-Point-Präsentation Unabhängigkeit und Transparenz als neues Mantra gepredigt wird, der handelnde Präsident aber nichts zu Korruptionsvorwürfen sagen möchte (mehr in Punkt 4) und der handelnde Generalsekretär sein Gehalt nicht nennen möchte, wie nennt man die? Vorschläge bitte in die Kommentare. Ein US-Politikwissenschaftler hat sich hier mit der Fifa-Auslegung des Begriffs „in -de – pen -dent“ (bisher nicht im Fifa-dictionary) beschäftigt. Die Startschwierigkeiten muss man ihnen nachsehen, Unabhängigkeit, Transparenz und der ganze Scheiß ist für die Jungs in Zürich ja Neuland.

4. Am Nachmittag folgte eben jene denkwürdige Pressekonferenz der Fifa-Herren, um die Änderungen zu präsentieren. Im Mittelpunkt: Der amtierende Übergangspräsident Issa Hayatou. Er gönnte sich nach seiner kurzen Rede ein kleines Nickerchen (Video). Vielleicht träumte er von seinem Geldspeicher, vielleicht von fliegenden Dollarscheinen, vielleicht aber auch von seiner Nacht im Baur au Lac. Es müssen schöne Träume gewesen sein, denn wieder erwacht war er noch ganz benebelt und wurde ausgerechnet da nach Korruptionsvorwürfen gegen ihn befragt. Immer diese Journalisten, kein Taktgefühl! Er sorgte anschließend für den Spruch der Woche: „Wäre ich korrupt, wäre ich nicht bei der Fifa.“ Hing also doch noch fest im Traum. Weil die Fifa noch mehr Jungs von seinem Schlag beschäftigt, stellt Oli Fritsch fest, dass es sehr schwer fällt, überhaupt noch wählbare, saubere Kandidaten zu finden.

5. Ausgeträumt hat es sich mittlerweile für die beiden Festgenommen. Um die kümmert sich nun die US-Justiz. Alfredo Hawit Banegas und Juan Angel Napout waren beide erst im Juni nach der ersten Festnahme-Welle an die Spitze der beiden Kontinentalverbände von Nord/Mittelamerika (Banegas) und Südamerika (Napout) gespült worden. Auch ihnen werden krumme TV-Deals vorgeworfen. It’s a family business, man! Thomas Kistner hat in der SZ die Details und blickt auf das 100-Millionen-Loch in der Fifa-Jahresbilanz 2015 und die 16 weiteren Funktionäre, gegen die die US-Justiz ermittelt.

6. Ein letztes noch zur Fifa: Auf der Suche nach neuen Mitträumern im Millionengenerator Fifa-Zentrale begehren nun auch die mächtigen Ligaverbände auf. Sie wollen bei der Neuverteilung der Macht im Weltfußball ein Wörtchen mitreden und haben prophylaktisch einen eigenen Weltverband gegründet. 23 internationale Ligen sind dabei, auch die DFL war mit Christian Seifert beim ersten Treffen der „World Association of Leagues“. Der Deutschlandfunk mit ersten Ergebnissen.

7. Und damit geben wir zurück in die Sendezentralen nach Deutschland: Horst Held zeigte sich gestern etwas verwundert, dass in Zürich überhaupt etwas passiert. Auch in diesem Land stehen ja noch ungeklärte Bestechungsvorwürfe im Raum: Günter Netzer soll 2012 gesagt haben, dass Deutschland für die WM-Vergabe vier Stimmen aus Asien, nunja, wie nennen wir es, ach hier, genau: gekauft haben soll. Behauptet Theo Zwanziger. Netzer, entrüstet: Nein, das habe er sicher nicht gesagt und dagegen werde er jetzt gerichtlich vorgehen. Ha! Aber nanu: Was hat es nun zu bedeuten, dass er den Schritt vor das Gericht auch fünf Wochen später nicht getan hat? Hm, ich gehe mal auf die Nachdenktreppe.

8. Heute Abend spielt Dresden in Großaspach, erstmals wird die Arena des 8000-Einwohner-Dorfes von Andrea Berg ausverkauft sein. Wen diese Informationen nicht abschrecken und wer sich noch nicht 1000 mal belogen fühlt, darf hier gerne über einen Aufstiegskandidaten der 3. Liga weiterlesen.

9. Am Sonntag findet das MLS-Cup-Finale statt, das Finale um die US-Fußball-Meisterschaft. Es stehen sich gegenüber: Die Columbus Crew SC und die Portland Timbers. Zweiterer Verein ist ein etwas anderer Klub mit einer ausgeprägten Fankultur. Immer in der 78. Minute singen sie „You are my sunshine“, vor dem Spiel werden Holzscheiben durchs Publikum gereicht und sozial engagiert ist der Klub auch noch. 11Freunde-YouTube-Rechercheur Ron Ulrich hat passend dazu dieses Video über den Klub heraus gekramt:

 

10. Was haben die Triathlonserie „Ironman“, der Sportrechte-Vermarkter „Infront“ und der Neffe von Sepp Blatter gemeinsam? Sie gehören alle dem gleichen Chinesen. Wang Jianglin heißt er, träumt von einem Sport-Disney, also einem riesigen Mischkonzern, der global mit TV-Rechten, Sportveranstaltungen und Günter Netzer hantiert. Welche Rolle Netzer im Disneyland übernimmt, ist noch nicht klar (Hier alle Charaktere des Disneystore, sucht euch einen aus). Momentan arbeitet er noch regulär für Infront, vielleicht ja bald mit Pluto-Maske? Klingt jedenfalls nach globalem Großangriff und das ist es auch. Im Sportbusiness formieren sich gerade mehrere solcher Unternehmen, die den Fußball und seine Filetstücke aufteilen, wie die FAZ weiß. Will denn keiner die Fifa kaufen?

11. Weil wir heute arg wenig Bundesliga-Content haben: Ein Servicepost mit allen Partien des Wochenendes:

S04-H96 | BMG-FCB | HSV-M05 | 1.FC Köln -FCA | Hertha-LEV | FCI-HOF | WOB-BVB | VfB-BRE | SGE-D98

 Geburtstagskind des Tages

Wer hat heute Geburtstag? Einfach in die Kommentare posten! (Auflösung von gestern: Dirk Heinen wurde 45)

Meist geklickter Link gestern
Die Fokus-Fußball-Leser, immer interessiert an Reibereien, Auseinandersetzungen, Wortgefechten. Gestern meistgeklickt: Die Diskussion der beiden Journalisten Raphael Honigstein und Oliver Fritsch auf Twitter über den Sitzplatzultra-Text „Einheitsbrei in der Bundesliga.“

Field Reporter

»Ich bin kein Schlitzohr, ich bin ein Schlawiner. Das hat Uli Hoeneß mal gesagt, und darauf bestehe ich.«

Ach, Claudio Pizarro, den muss man einfach gerne haben. Schauen wir mal über die ein oder andere Trickserei hinweg, ist er ein herzensguter Fußballer. Mittlerweile 37 und nicht müde, Fußball bis 2018 zu spielen. Dirk Gießelmann traf ihn zum Interview.

Mixed Zone
Hamburg: Uwe Seeler macht sich Sorgen. + + + Bei Google Maps zu sehen: Die riesige Choreofahne der Mainzer Ultras. (Faszination Fankurve) + + + Für Bayernfans: Das Round-Up von Miasanrot mit einer feinen Linksammlung zu ehemaligen und kommenden (?) Legenden des Vereins (Mia san rot) + + + Das Kulturprogramm der WM 2018 nimmt Formen an: Es darf geweint werden (taz) + + + Emre Can über Klopps erste Woche in Liverpool und die Anschläge in Paris (Spox) + + + Einblicke in die „Tipico-Generation“: Wenn nur noch die Quote zählt (Vice Sports) + + + Freut sich über die warmen Worte für den MSV Duisburg von Erik Wille, der seine Karriere mit 22 beendet hat: (Der Zebrastreifenblog) + + + Fußballbuch des Jahres wird überraschenderweise ein Buch über einen Fußballverrückten. Lars Mrosko, ehemaliger Talentscout in Deutschland. (Spiegel Online) + + + 11Freunde-Adventstürchen #4: Nerdquiz mit Udo Lattek, Peles steifer Werbung und Daums „IchhabeeinreinesGewissen“-Pressekonferenz. Meine Ergebnis 36. Macht das erstmal. (11Freunde) + + +

4 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. 156 Spiele für Bayern und kein Tor geschossen? Spielte davor in Belgien (und auch ohne Tor)? Das kann nur Jean-Marie Pfaff sein.

  2. Zu 3: Pielke jr. ist Politikwissenschaftler, kein Ökonom. Sein Blog Least Thing, in dem er sich ausschließlich mit Sport beschäftigt, ist übrigens generell lesenswert.

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