#Link11: Lügen in Serie

Ein Kollege schrieb mir diese Woche: „Es ist aber auch ne tolle Zeit zum schreiben gerade.“ Er hat Recht. Jetzt schickt sich auch noch die Fifa an, in einen Wettstreit mit der Bild um Schlagzeilen zu treten. Im Mittelpunkt: Generalsekretär Jerome Valcke, Serienlügner.

Kein Lügner aber zumindest ein übler Provokateur ist Kai Diekmann. Der Bild-Chefredaktuer hat diese Woche so überheblich ausgeteilt, dass er selbst die ersten Fußballvereine anekelte. Seine Kampagne wird er trotzdem weitermachen, am Wochenende tragen die meisten Bundesligisten den Bild-Aufnäher am Oberarm. Auch dazu hier in der Link11 mehr.

Irre Woche, das kann man nicht anders sagen. Und die Bundesliga beginnt heute erst. Wenn jetzt noch Red Bull seinen Rückzug aus allen Sponsorings bekannt gibt, können wir den Laden schließen. Davor aber noch die Link11 lesen.

blogundpresseschau

1.  Manchmal stelle ich mir die Fifa als einen Kreis voller greiser Männer vor, die in einem abhörsicherem abgedunkeltem Raum sitzen und genau wissen, dass sie sich an der Leidenschaft vieler Fans schamlos bereichern. In diesem Raum hofft jeder der Anwesenden darauf, nicht der nächste zu sein, dem Korruption nachgewiesen wird. Für einen hat das Bangen nun ein Ende: Pfüat di, Jerome Valcke. Vom Fifa-Freund Jens Weinreich gerne als Serienlügner genannt (gerichtlich erlaubt!), wurde der Generalsekretär nach einer dramatischen Sitzung gestern Abend freigestellt. Valcke hat, natürlich, alles bestritten. Ich sage mal: Schwierig, wenn man offiziell Lügner genannt werden darf. Die Geschichte, warum der Generalsekretär gehen musste, liest sich wie ein lupenreiner Krimi-Plot. Das Valcke offenbar schon fast ein Jahr vor der Vergabe wusste, dass Katar die WM 2022 bekommen würde, könnte auch noch spannend werden. Beim Schweizer Tagesanzeiger liegt der Fall sauber der Reihe nach aufgeschlüsselt.

Damit ist Sepps engster Vertrauter, Geschäfteeinfädler und Feuerwehrmann weg. Frage an die Buchmacher: Wie lang ist der Strohhalm, an den sich der scheidende FIFA-Boss noch klammert? Geht es nach den Dokumenten, die einige Medien diese Woche auf einem USB-Stick bekommen haben, sehr kurz. Erstmals könnte ihm Korruption nachgewiesen werden. Ebenfalls beim Tagesanzeiger zu lesen.

2. Nun aber zu denen, die auch wirklich Fußball spielen: Der BVB hatte gestern unerwartete Probleme gegen die sich wehrenden Russen aus Krasnodar. Erst in der Nachspielzeit fiel das 2:1 für die Borussia. Und: Das Stadion füllte sich nicht komplett. Zudem gab es Proteste gegen die Bild-Aktion (Mehr dazu später). Schwatzgelb.de reiht die Beobachtungen des Abends aneinander.

3. Souveräner bewältigte der Lokalrivale seine Aufgabe: Schalke gewann gegen Nikosia auf Zypern 3:0. Der Königsblog mit einer geteilten Analyse: Zum einen eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse, zum anderen seine Meinung zur Bild-Kampagne und warum Schalke wohl mitmachen wird.

Der Kicker hat alle Ergebnisse des gestrigen Spieltages.

4. Seine Premiere feierte gestern der FC Augsburg. Unter dem Slogan #keineSau war der Underdog nach Spanien gereist. Augsburg verkaufte sich in Bilbao 40 Minuten lang sehr gut, Halil Altintop brachte den FCA gar in Führung. Das Spiel endete aber 3:1 für die Spanier, trotz der Stewardessen (!). Kathrin Steinbichler war für die SZ mit in Bilbao und hat den Tag beobachtet.

5. Es ist die wohl anfälligste Region des Körpers für Fußballverletzungen: Das Kreuzband im Knie. Kim Kulig riss sich eben jenes 2011, kam zurück, musste wieder operiert werden und beantragt nun mit 25 Jahren und einem künstlichen Kreuzband Sportinvalidität. 33 Mal stand sie für die Nationalelf auf dem Feld und galt als eines der vielversprechenden Talente. Schade. Womensoccer mit einer Hommage an ihre Vergangenheit und einer Jubelarie auf ihre zukünftige Aufgabe bei DFB und ZDF.

6. Wir bleiben bei den Damen. Verteidigerin Saskia Bartusiak wurde gestern zur neuen Kapitänin der Nationalmannschaft gewählt. Tragen darf sie die Binde gleich heute, die Frauen starten um 16 Uhr in Halle/Saale in die EM-Quali gegen Ungarn. Im Fokus steht dabei auch Co-Trainerin Steffi Jones, die nächstes Jahr Chefcoach werden soll und sich nun einarbeiten darf. Hat nicht jedem gefallen. Daniel Meuren analysiert bei faz.net das Verhältnis von Noch-Trainerin Silvia Neid und Steffi Jones und bespricht die anstehenden Herausforderungen. (Leider benutzt er dabei das stereotype Narrativ der Mode, weil es um „modebewusste Frauen“ geht. Muss nicht sein, finde ich.)

7. Auch heute kommen wir um das Thema nicht drum rum: Die Diskussionen um den Bild-Badge „Wir helfen – Refugees Welcome“ hat gestern wohl alle Bundesligisten beschäftigt. Ich probiere es zunächst mal mit einer kleinen Übersicht. Es ist, Stand jetzt, fast alles dabei:

Ein kompletter Verzicht (FC St. Pauli, Union Berlin, VfL Bochum, SC Freiburg, MSV Duisburg, der dafür aber mit kompletten Refugees-Welcome-Aufdruck am Trikot), ein halber Verzicht (1. FC Nürnberg), ein Unverständnis über den Verzicht (Flüchtlinge rein, Rheinland raus!), und keine Reaktion, also wohl der normale Bild-Badge am Oberarm (der Rest, unter anderem auch die komplette 1. Liga).

Sei es drum. Zu Kai Diekmann muss man nicht mehr viel sagen. Der ist komisch. (Für eine andere Wortwahl vermisse ich von Zeit zu Zeit Diekmanns Freund Malte Dürr. Malte, falls du das liest, schick doch mal ein paar Vorschläge.) Was ich mag, ist die besonnene Reaktion der Vereine. Sie verweisen auf ihr eigenes Engagement und verzichten in den Stellungnahmen auf große Polemik. Unterdessen bloggen viele Fans leidenschaftlich gegen ihre Klubs an, bei Fortuna Düsseldorf sieht der Supportes Club gar einen Schlag ins Gesicht aller Fans und einen Verrat an der Identität des Vereins. Harter Tobak. Die Aktion hat meiner Meinung nach zwei Dinge gezeigt:

  • Die Bild schafft es weiterhin mit plumper Provokation mehrere Tage lang ein Feuer und damit Aufmerksamkeit zu entfachen. Weil sie gleichzeitig auch ein „Bundesliga-Lizenznehmer“ (Effzeh) ist, also Geld an die DFL und damit indirekt die Vereine für exklusive Videos überweist und das auch bei den kommenden TV-Verhandlungen 2016 ausweiten möchte, bleibt das Blatt ein mächtiger Mitspieler des Geschäfts. Ein Ausscheren will gut überlegt sein. Deshalb haben die meisten Vereine in ihrer Ablehnung wohl auch eher Solidarität mit St. Pauli bekundet als das Schaffen der Bild anzugreifen.
  • Andererseits hat sich gezeigt, dass sich unter Fußballfans eine breite Front und ein tiefes Misstrauen gegenüber der Bild gebildet hat. Und das dieses Raunen an der Basis noch immer bis in die Chefetagen durchdringt. Der Vereinsgedanke, er lebt ein bisschen weiter.

8. Auch das hatten wir gestern schon hier: Der „Fanrun“ zu Gunsten der Flüchtlinge beim FC Bayern wird weiter heiß debattiert. Die Neuigkeiten seit gestern: Auch Domains zu einem Lauf zur Europameisterschaft 2016, beim BVB und bei S04 wurden schon reserviert, von wem ist nicht klar. Bislang fehlt auch eine Meldung des FC Bayern und eine ordentliche Rückmeldung der Veranstalter von Mandigo. Mal abwarten.Weiterhin die Empfehlung auf das Storify von Twitteruser @helmi und auf den geupdateten Blog von Miasanrot.

Die taz sieht bei der Bild, die bei beiden Themen, „Fanrun“ und der Aktion am Wochenende beteiligt ist, ein Engagement als Geschäft. Außerdem bemerkt sie, dass @helmi, der als erster skeptisch wurde und anfing, Antworten auf seine Fragen zu suchen, dabei ganze Arbeit geleistet hat, in etwa so wie ein Journalist. Es zeigt sich gerade an diesem Beispiel, dass sich gute Blogger längst auf Augenhöhe mit Journalisten bewegen können und, wenn Zeit investiert wird, auch schöne Ergebnisse dabei rausspringen.

9. Vieles hatten die Blogger auch zur vergangenen Transferperiode zu schreiben. Der Transferwahnsinn diesen Sommer war keine besonders neue Entwicklung. Aber schon einigermaßen abgefahren, wie schnell und teuer Spieler im Juli und August verschachert wurden. Die europäische Spielergewerkschaft Fifpro will nun deshalb laut faz.net bei der EU-Komission Beschwerde einreichen und nichts weniger als das Transfersystem abschaffen. Die Gründe: Die Reichen beherrschen den Markt als Kartell, die kleinen Ligen bluten aus und ausstehende Spielergehälter werden zur Verhandlungsmasse. Christoph Becker erklärt die Offensive der Gewerkschaft.

10. Einer der Vereine, die laut Fifpro Teil des übermächtigen Kartells sein sollen ist der FC Barcelona. Dinge, die man bislang über den FC Barcelona wusste:

  • Messi

 

 

 

  • Pep
  • Xavi, Iniesta, Neymar, Suarez, Puyol
  • Haben ne ordentliche Jugendakademie (die ab und an auch mal mit illegalen Kindertransfers bestückt wird)
  • Deshalb darf Barcelona gerade offiziell keine Transfers tätigen, was aber einen stolzen Katalanen nicht weiter juckt
  • Sie fänden ohnehin ein eigenes Katalonien ganz geil
  • Sie finden Madrid demnach nicht ganz so geil
  • Haben viele Pokale

Dinge, die man (ich) bislang nicht über den FC Barcelona wusste:

  • Rechte Hooligans, die für einige Skandale in der Vergangenheit verantwortlich waren (Schweinskopf vs. Figo), eine Zeit lang sogar vom Verein hofiert wurden, jetzt aber verboten sind, aber irgendwie immer noch da.

Fred Otten hat bei der Vice die Details.

11. Bei all den ganzen Aufreger-Themen, die diese Woche den Puls haben hochschnellen lassen: Lehnt euch am Freitag mal kurz zurück, freut euch auf euer Fußballwochenende und gönnt euch diese 36 Traumtor-TordesJahres- UnfassbareKiste-Sekunden von Christian Beck aus Magdeburg. Werde versuchen, die Bude am Samstag gegen Lichtenrade-Ost nachzumachen. (In den nächsten Wochen also keine Link11 von mir. Bin dann im Krankenhaus.)

https://www.youtube.com/watch?v=aEN2fjgAYuk

 

Meist geklickter Link gestern
Vermutlich war euch die Lawine an Artikeln zum St. Pauli-Bildaktion-Verzicht ein wenig too much. Dann flüchtet man schonmal zum leichteren Stoff: Hakan Calhanoglu und seine Freistoßübungen haben am meisten interessiert.

Field Reporter

»Jetzt haben wir wenig über Fußball geredet, aber es gibt ja auch wichtigere Themen.«

Christian Streich, streitbar, aber ein Mann mit Rückgrat, gibt eine denkwürdige Pressekonferenz. Enthält Einblicke in die Entscheidungsfindung in seinem Verein, wie man mit der BILD-Kampagne umgehen soll. Sein mehrminütiger Monolog ist absolut sehenswert, dreht sich weiter, behandelt die Kolonialisierung der Europäer, die Flüchtlingsursachen und die deutsche Hilfsbereitschaft. Er sitzt vor den Sportjournalisten und erzählt einfach ein bisschen aus seinem Leben. Schön.

Geburtstagskind des Tages

Wer hat heute Geburtstag? Einfach in die Kommentare posten! (Auflösung von gestern: Sergej Barbarez wurde 44)

Mixed Zone
Hamburg: Uwe Seeler macht sich vorerst keine Sorgen, denn: Joe Zinnbauer hat einen neuen Job (Sportinsider)   + + +  Die Bayern intervenieren nach der Polizeiattacke in Piräus bei der Uefa (SZ) + + + Heute wird vor dem Sportgericht die antisemitische Attacke gegen Tus Makkabi Berlin verhandelt. Ein Interview. (Berliner Woche) + + + Robert Pohl, Sprecher von „Unsere Kurve“, erklärt seinen Frust darüber, dass viele Vereine an der Bild-Aktion teilnehmen werden (11freunde) + + +  In Babelsberg braucht niemand die Bild, um Flüchtlingen zu helfen. Hannes Hilbrecht war bei Welcome United (ZEIT Online) + + + Kann Bayer Leverkusen auch verteidigen? (NZZ) + + + Ein bisher nicht näher definierter Blog ätzt gegen „Reizphilosoph“ Wolfram Eilenberger und dessen Abkehr vom FC Bayern. (Bayernmedien) + + + Dettmar Cramer ist gestern gestorben. Ruhe in Frieden. (DFB) + + +

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