#Link11: Zauberer vs Zauderer

Viel Lärm um…nichts? Das bleibt die Frage nach einer Woche, in der auf dem Rasen eher wenig, in den Sportteilen dafür um so mehr los war. Der nächste BVB-Trainer Thomas Tuchel ist trotz (oder gerade wegen?) seines Sabbatjahres ein Medienphänomen, auch Jürgen Klopp wird nach seinem Rücktritt plötzlich wieder geliebt. Pep Guardiola steht derweil in der Kritik, obwohl (oder gerade weil?) er eigentlich gar nichts gesagt hat. Sein angeblicher Intimfeind Müller-Wohlfahrt dagegen wird teilweise als eine Art Mischung aus Hofrat Behrens, dem Bergdoktor und Gandalf beschrieben, wenn ich das richtig verstanden habe. (Was ich bezweifle.) Manch anderer Manager, Trainer oder Ex-Spieler würde den Vieren sicher trotzdem raten: „Setzt euch erst mal auf meinen Stuhl!“ Es ist spannend zu beobachten wann und warum welche Vereine oder Personen in der Gunst der für den Fußball lebensnotwendigen Berichterstatter steigen oder fallen. Nicht immer ist dabei für mich nachvollziehbar, woraus ein über Tage hinweg intensiv behandeltes Thema entsteht und woraus nicht. Was natürlich nicht heißt, dass nicht in beiden Fällen teils lesenswerte, teils kuriose Presseerzeugnisse entstehen, die ich hier mit euch teilen kann.

Ihr ahnt es – die oft schwierige Beziehung zwischen Mitarbeitern der Fußballbranche und Mitarbeitern der Medienbranche spielt eine Hauptrolle in der heutigen #Link11. In nicht minder dramatischen Nebenrollen sehen sie Bernd Lucke (ja, das steht da wirklich) und Horst Schimanski. Ich wünsche viel Vergnügen.
blogundpresseschau

1. Die Trainerposse des Jahres ist vorüber – Kultfigur Jürgen Klopp hat in Thomas Tuchel einen Nachfolger bei Borussia Dortmund. Für Matthias Dersch eine folgerichtige Entscheidung (Ruhr-Nachrichten). Wo Tuchel laut aufgeregter Presseberichte bereits angeblich vor einer Vertragsunterschrift stand, haben die 11 Freunde/der Sport-Informations-Dienst zusammengefasst. Michael Horeni wundert sich dennoch über den Hype um den bislang titellosen Trainer (FAZ). Daniel Raecke interessiert sich vor allem für den Fußballfachmann Tuchel – und sieht Parallelen zu Pep Guardiola (Spiegel). Nein, das Wort „Sabbatical“ fällt hier nicht.

2. Ein Sabbatical hat auch Sami Khedira hinter sich – wenn auch nicht ganz freiwillig. Lange Verletzungspausen und die fehlende Wertschätzung seine Arbeitgebers haben ihn zum Nebendarsteller degradiert. Warum der von Schalke umworbene Khedira dieses sportlicher unbefriedigende Jahr durchaus einkalkuliert haben könnte, erklären Florian Haupt, Oliver Müller und Stefan Frommann (WELT).

3. Pep Guardiola steht zwar ganz oben – erlebt derzeit aber schwere Zeiten. Zahlreiche Medienvertreter kritisieren seine ausbleibenden Statements zu Vereinsinterna um einen Teamarzt (Süddeutsche & Welt), Christian Kamp sieht Münchens Trainer im Vorausblick auf das richtungsweisende Spiel gegen Porto vor seiner schwersten Prüfung (FAZ). Anno Haak poltert gegen unzufriedene Pressekonferenz-Besucher und fordert: Wenn ihr etwas schreiben wollt, dann recherchiert doch mal (Spox)! Dass beim FC Bayern (und in Hoffenheim) trotz Verletzungen, Druck und Schlagzeilen noch taktisch anspruchsvoller Fußball gespielt wird, analysiert Spielverlagerung. Georg Diez dagegen widmet sich der Causa Müller-Wohlfahrt noch einmal aus einem… völlig anderen Blickwinkel (Spiegel) und erzählt von einer kleinen Land-Arztpraxis, die aus der Zeit gefallen ist.

4. Wahrhaft heilende Hände wurden auch Armin Klümper zugeschrieben. Die Süddeutsche widmet dem Doping-Skandal im Wartestand noch einmal einen ausführlichen Hintergrundbericht. Mit Hilfe von Pharma- und Sportartikelindustrie habe sich der Freiburger Doping-Arzt ein „geheimes Reich“ erschaffen können, das über Jahrzehnte hinweg ein Zentrum der Leistungsmanipulation im europäischen Sport gewesen sei. Der ehemalige ÖFB-Teamkapitän berichtet vom ganz normalen Dopingalltag in den 70er-Jahren (Kurier).

5. Trotz Neu-Trainer Labbadia: Der HSV ist am Boden. Ausgerechnet im hart umkämpften „Nordderby“ setzte es eine weitere Niederlage. Heiko Westermann wirkte anschließend im Sky-Interview verzweifelt bis entrückt (FOCUS). Wie man es dreht und wendet – der HSV gibt ein schlimmes Bild ab. Frank Heike schreibt den Absturz vor allem Dietmar Beiersdorfer zu, der in dieser Saison eine Reihe von Personalentscheidungen zu treffen hatte – und immer daneben lag (FAZ). Werders Fanlager fiel leider negativ durch Angriffe von rechten Hools auf nicht-rechte Bremer Ultras auf (Spiegel).

6. Auch Fußball-Stuttgart geht auf dem Zahnfleisch. Andreas Zweigle erklärt, der VfB könne dennoch den HSV machen und vom Unvermögen seiner Konkurrenten um den Klassenerhalt profitieren (Vertikalpass). Benjamin Brumm sieht das ähnlich, sorgt sich jedoch um die zukünftige Personalplanung: Wer soll bei diesem VfB überhaupt spielen wollen?

7. Eine Zugfahrt, die ist lustig: Fans des Effzeh sind wieder einmal negativ aufgefallen. Das Besondere: Opfer war in diesem Fall AfD-Chef Bernd Lucke, den Kölns Anhänger mit der Anmerkung „Wir wollen keine Nazis“ aus einem ICE werfen wollten (Express).

8. Michael Anicic galt Anfang der 90er als eines der größten Talente der Bundesliga. Doch der unreife Teenager hob früh ab, traf falsche Entscheidungen und ruinierte seine Karriere und sein Image. Nun gibt er Andreas Bock ein bemerkenswertes Interview, erhebt Vorwürfe gegen skrupellose Journalisten und lässt durchblicken, dass die „Professionalisierung“ des deutschen Fußballs mit ihren Beratern und Pressestäben jungen Spielern durchaus zum Vorteil gereichen kann (11 Freunde). [Dieses Gespräch gab es bereits vergangenen Freitag bei uns zu lesen, es passte jedoch so gut zur heutigen Einleitung, dass ich es in einem Anfall geistiger Verwirrung nun erneut hier bespreche. Ich gelobe Besserung!]

9. Konzerne wie VW, Gazprom oder Evonik investieren Unsummen in Fußballvereine. Bernd Ziesemer hat eine klare Meinung dazu, ob sich das finanziell lohnt und klagt an: Manager verzocken hier das Geld ihrer Aktionäre (Capital)!

10. An dieser Stelle möchte ich eine Prise Fußballallgemeinwissen einstreuen: Trainer Baade erklärt euch, was Horst Schimanski mit Horst Szymaniak zu tun hat.

11. Falls ihr einen Fußballhipster in eurem Freundeskreis habt, werdet ihr den Namen Marcelo Bielsa vielleicht schon einmal gehört haben. Der „El Loco“ genannte Argentinier befindet sich in einer Art permanentem Kriegszustand mit Journalisten und sorgte bei seinen letzten Trainerstationen (Chile, Bilbao, nun Marseille) für helle Aufregung unter Taktiknerds. Rene Maric erklärt die Trainerpersönlichkeit Bielsa und zeigt auf, warum sein Spitzname womöglich nicht zufällig gewählt ist (Abseits.at).

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„Ich bin kein Pazifist. Und ich denke, ein Großteil der Ultra-Bewegung besteht nicht aus Pazifisten – übrigens ebenso wenig wie der Großteil der Gesellschaft.“

Eine Werder-Ultra redet Klartext zu Pyro und Fangewalt (Weser-Kurier).

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