Wagemut findet nur höchst selten Platz im Fußballbetrieb. Misserfolg ist der größte Feind, und in dem Zuge will sich kaum ein Trainer der Welt sagen lassen, er sei mit seiner zu ausgefallenen Taktik Schuld an einer Niederlagen-Serie. So kann es durchaus passieren, dass diese #Link11 von vielen als zu neumodisch, als zu alternativ angesehen wird. Und doch wage ich ein Experiment: eine #Link11 mit den elf interessantesten Links. Gelöst von den Verpflichtungen eines Chronisten, die der Wochen-Spieltag der Bundesliga mir eigentlich auferlegt.
1. Na gut, ganz lösen kann man sich nicht vom Alltagsbetrieb der Bundesliga. Zumindest dann nicht, wenn ein „Traditionsverein“ wie der VfB Stuttgart seinen Manager entlässt. An einem Mittwoch. Der dazu noch ein Spieltag ist. Christoph Ruf (Spiegel Online) beleuchtet in seinem Text die Problematik sachlich und bündig von allen Seiten. Doch schon bei Trainerentlassungen frage ich mich, was der nähere Zweck einer Entlassung mitten in der Woche sein soll. Zumal man in Stuttgart scheinbar keinen Nachfolger in der Hand hat. Da bleibt die Frage: War Bobic‘ Job so unwichtig, dass man im Zweifel den Posten ein paar Tage/Wochen vakant lassen kann? Was hätte er in den vergangenen Wochen so falsch machen können, dass man ihn nicht bis zur Winterpause oder zumindest bis zu einer Länderspiel-Pause hätte weiterarbeiten lassen können? Und vor allem: Wie kommt der VfB auf die Idee, dass sich Ralf Rangnick diesen Job antun könnte?
2. Nicht nur solche Personalquerelen sorgen dafür, dass das Fußballgeschäft bei vielen seiner treuesten Anhängern nicht den besten Ruf genießt. Hendrik Buchheister und Sara Peschke (Spiegel Online) beleuchten den Trend, dass viele Ultras nicht mehr die erste, sondern die zweite Mannschaft ihres Lieblingsklubs unterstützen. Weg vom Kommerz, back to the roots, quasi. Wobei ich mich da als Außenstehender frage: Sind die zweiten Mannschaften, die praktisch als Farm-Teams fungieren, nicht der Inbegriff des traditionsfeindlichen Fußballs? Schließlich, so argumentieren nicht wenige, nehmen sie anderen, traditionsreichen Klubs die Plätze in der dritten oder vierten Liga weg. Vom Regen in die Traufe, quasi.
3. Während der Text von Spiegel Online die Ohnmacht und Machtlosigkeit vieler Ultras wiederspiegelt, schlägt Kevin Berg (Inside11) genau in die andere Kerbe: „Die neue Macht der Fussballfans“, titelt er, und bezieht sich damit auf die Vorgänge in Nürnberg und Stuttgart, wo die Fans die Köpfe von Verantwortlichen fordern und auf einem Silbertablett serviert bekommen. Neue Macht, Ohnmacht, was trifft nun zu? Die Wahrheit findet man im Fußball stets beim Sechser, ergo: in der Mitte.
4. Auch noch ganz interessant im Zusammenhang mit dem Spiegel-Online-Text: die Zuschauerzahlen des KFC Uerdingens. Die liegen nämlich mittlerweile unter dem Schnitt der zweiten Mannschaft aus Schalke, was wiederum meinen Punkt der bösen zweiten Mannschaften negieren könnte. Krystian Wozniak (Reviersport) fragt sich: Wo sind die KFC-Fans?
5. Um dem ganzen Tradition- und Kommerzdebatten die Krone aufzusetzen, werfe ich als fünften Link einen Text des Rotebrauseblogs in den Ring. Einfach weil der Text sich nicht um Wirtschaft, Tradition, Zuschauerzahlen o.Ä. dreht. Sondern um Fußball. Der Rotebrauseblog hat die Kunst des Spielberichtes mittlerweile perfektioniert, sodass Fans wie Nicht-Fans auf ihre Kosten kommen.
6. „Niersbach zweifelt an Russland und Katar“, lautet der Titel des sechsten Textes, der aus der Feder von Michael Ashelm und Michael Horeni (FAZ) stammt. Zweifeln heißt aber natürlich nicht aberkennen, wo kämen wir da nur hin?
7. „Ich war in Kaiserslautern“, gehört eigentlich nicht zu den berühmten Guardiola-Zitaten. Und doch ist es der perfekte Einstieg in einen nostalgisch-schönen Text, den Spielerfrau Natalia veröffentlichte. Es geht um eine Sternstunde des europäischen Fußballs, das Europa-Landesmeister-Duell zwischen Kaiserslautern und Cruyffs FC Barcelona. Lesen und in Erinnerungen schwelgen.
8. Sich über scheiternde Trainer lustig machen, ist das eine, es besser zu machen eine ganz andere Sache. Gut, Felix Magaths Einsatz von Käse zur Wundheilung ist zu lustig, als dass man nicht darüber lachen könnte. Dennoch empfehle ich den Text von Elvina Abdullaeva (Die Sportpsychologen), die sich die Frage stellt, wie man es eigentlich richtig macht. Nicht das mit dem Käse, sondern das andere Problem von Magath, die Teamführung. Könnte selbst Quälix noch etwas dazulernen.
9. Der internationale Fußball kommt in der deutschen Berichterstattung gerne zu kurz. Um die Gründe dafür zu erläutern, bräuchte man wahrscheinlich ein interdisziplinäres Universitäts-Seminar in Geschichte, Sportwissenschaften und purer Langeweile. Widmen wir uns daher der Praxis und zwei Texten, die auf internationale Klubs schauen: Los geht es mit Johannes Mittermeiers (Spox) Besuch in Bourdeaux. Er hat Willy Sagnol über die Finger geschaut.
10. Weiter geht es mit Florian Haupt (Welt Online), der sich der negativen Tendenz des FC Arsenals annimmt. Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
11. Ich schließe die heutige #Link11 mit einem Tadel, und zwar für niemand Geringeren als Heinz Kamke. In seinem neuesten (wie immer großartigen) Textes auf angedacht bedient er sich mehrfach des Neologismus Pressingresistenz. Nun müsste man meinen, dass ich als Mitglied der Kommune Spielverlagerung, die dieses Wort bekanntlich zu Ruhm geführt hat, Heinz Kamke dafür loben müsste, dieses Wort noch weiter zu verbreiten. Doch – was für eine dramatische Wendung! – ich finde dieses Wort schrecklich. Es bezeichnet einen der schönsten Vorgänge im Fußball, das Umspielen eines Gegenspielers, oft filigran und fintenreich, trickreich und anmutig, mit einem Ausdruck, der in etwa so charmant klingt wie Wurstfachverkäuferin oder Weicheninspektion. Vom einem Sprachkünstler wie Ihnen hätte ich mehr erwartet, Herr Kamke.
Rauswerfer
Gut, das mit den elf Links stimmte nicht ganz, ich möchte euch nämlich nicht den Fehlschuss von Philipp Hofmann vorenthalten: „drüber aus 2,19m“ (Welt Online).
Der FAZ-link unter 6. im obigen Beitrag funzt nicht.
Nichtsdestotrotz, vielen Dank für die wie immer interessante Zusammenstellung!
Der Link zur FAZ mit Niersbach ist kaputt.
Sehr geehrte Herr Escher, lieber Tobias (ich darf Sie doch Tobias nennen?),
Sie haben recht: „Pressingresistenz“ ist kein schönes Wort. Es ist so … gewöhnlich. Die fünf häufigsten Buchstaben der deutschen Sprache kommen allesamt mehrfach vor, das „S“ allein viermal, dazu das dreifache „E“, die Doppelung der üblichen Verdächtigen n, i und r.
Fehlt nur das doppelte Jottchen.Und dann diese Kombination: das englische Pressing, dessen ursprünglich lateinische Wurzeln wohl niemand ernsthaft ins Feld führen wird, gesellt sich zur altehrwürdigen Resistenz, die selbige Wurzeln ganz im Gegenteil gerade nicht verleugnen möchte. Es ist ein Graus!Zweifellos ist Ihrem sensibilisierten Auge auch nicht entgangen, dass ich den Begriff sozusagen mit Gummihandschuhen und Fingerspitzen angefasst habe: „… ein gewisses Maß dessen […], was man heutzutage Pressingresistenz nennt.“ Aber, und das zählt letztlich, ja, ich nahm ihn in die Hand, schrieb ihn auf. Sogar mehrfach. Und wurde so, willentlich oder nicht, zum Fürsprecher der Pressingresistenz.
Ich gestehe also. Und gebe gleichzeitig zu bedenken, lieber Tobias, dass Sprache auch unter Gesichtspunkten betrachtet werden kann, ja muss, die über rein ästhetische Überlegungen oder puristische, bewahrende Erwägungen hinausgehen. Ob wir damit das von Ihnen etwas schmeichlerisch betretene Feld der Kunst wieder verlassen, ist womöglich kontrovers zu diskutieren.
Aus meiner Lesersicht heraus, das gebe ich an dieser Stelle gerne zu, ist die Fähigkeit, die vielfältigen Aspekte eines Vorgangs, der in Fachkreisen als einer der schönsten im Fußball gilt, in einem einzigen Wort auszudrücken, dessen Bedeutung sich auch dem bloßen Liebhaber, der nicht bis in alle Nuancen hinein mit den Strategien vertraut ist, derer sich Fußballspieler bedienen, um sich aus bedrängten Situationen zu befreien, unmittelbar erschließt, eine wahrhaft künstlerische – man vergleiche nur den ausschweifenden Versuch eines so titulierten Sprachkünstlers, in einem mehrzeiligen, in furchtbarer Art und Weise verschachtelten und für den Leser kaum zu entwirrenden Satzgefüge seine persönliche Lesersicht auf die dem Begriff der Pressingresistenz innewohnende künstlerische Leistung darzulegen. Ein Graus!
Verstehen Sie mich nicht falsch, lieber Tobias: ich schätze es sehr, dass Ihnen an einem Vokabular liegt, das der Schönheit des Spiels gerecht wird, das im Übrigen auch der Schönheit unserer Sprache gerecht wird, und ich wünschte mir, dass sich die von Ihnen genannte Kommune Ihr Anliegen viel öfter zu Herzen nähme, anstatt mitunter in den Ruch zu geraten, sich wie der Autor dieser Zeilen an sich selbst und diskutablen Formulierungen zu berauschen.
Im vorliegenden Fall indes, das möchte ich nun doch betonen, bin ich tatsächlich der Ansicht, dass „Pressingresistenz“ eine Qualität eines Spielers, die zu beschreiben ich in mehrere Zeilen nur unzureichend in der Lage wäre, kurz und prägnant zum Ausdruck bringt. Insofern revidiere ich eine frühere Einschätzung und sage: schön, weil (ja, weil) kommunikationserleichternd und zweckmäßig.
So bedaure ich abschließend, lieber Tobias Escher, dass ich Ihren Erwartungen nicht gerecht werden kann, danke umso erfreuter für das dennoch ausgesprochene Kompliment und wünsche Ihnen von Herzen, dereinst doch dem möglicherweise nicht auf Anhieb erkennbaren Charme der Wurstfachverkäuferin Ihres Vertrauens zu erliegen.
Mit sportlichem Gruß,
Ihr
Heinz Kamke
Kamke, der alte Tausendsassa. Ich dachte immer, er sei auf Bäckereifachverkäuferinnen spezialisiert, aber jetzt will er wohl auch noch Belag!?
Nächster Halt: Käsetheke.
… und dort die Käsefachverkäuferin wortlos anstarren, bis sie die rezeptfreie Wundauflage rausrückt?
Was soll ich mit einer Kompresse?
Das mag sich Brege Hangeland auch gedacht haben.
Aber ich glaube, wir schweifen ab.
Aber nur ein bisschen. Magath ist komplett pressingimmun.
Ich bin hinsichtlich fo-fu nicht auf dem Stand der Dinge, daher meine Fragen (nicht als Kritik verstehen). Wie funktioniert im Moment die Link11? Gibt es da einen vorhersehbaren Rhythmus oder macht Ihr das so Ihr Zeit und Material habt? Früher bin ich hier Mo-Fr täglich vorbei gekommen. Zuletzt aber immer seltener, weil es nichts Neues gab. Und wenn es was Neues gibt, verpasse ich es zunehmend, weil ich seltener hier bin.
Hi McP – das Problem ist letztlich die Zeit unserer Autoren. Wir bekommen leider nicht alle Tage besetzt – der Rhythmus wird immer unregelmäßiger. Wir versuchen das in den Griff zu bekommen. Versprechen können wir leider nix.
Die Stehplatzhelden setzen sich auf den Rängen und sind so traurig, dass FoFu offenbar schon in den Winterschlaf gefallen ist. Was ist los, Leute? Ihr habt so einen Klasse-Service angeboten – besteht keine Hoffnung auf mehr Link11? Wir würden uns so freuen und auf den Rängen für euch die La Ola starten !
Hi Thomas,
danke der Nachfrage. Leider schaffen wir es im Moment zeitlich nicht, etwas regelmäßiges auf die Beine zu stellen. :/
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