Eine Demütigung, ein Transfer und Nebelkerzen

Versuch einer verknappenden Zusammenfassung:

Ein Mann zeigt sich selbst an, weil er Steuern hinterzogen hat. Um von dem Betrug abzulenken wird ein Transfer bekannt geben. Den Transfer des besten Spielers des nationalen Hauptkonkurrenten. Am Tag des Champions League Halbfinales gegen die einst beste Mannschaft der Welt. Am Tag vor dem wohl größten Spiel der letzten 15 Jahre des einzigen Widersachers im Lande.

Der fettgedruckte Satz im Absatz ist reine Spekulation. Das ist die Crux an der Sache.

Aber egal, ob der Hinweis nun aus München an die Bild ging oder nicht. Das Ärgerlichste an dem ganzen Drumherum, an den ganzen Mutmaßungen, Halbwahrheiten und Nebenkriegsschauplätzen ist, dass der Fußball in diesen Tagen nicht im Fokus steht.

Denn eigentlich hätte es die viel zu lauten Nebengeräusche nicht gebraucht. Der Fußball allein kann genügend Geschichten schreiben. Wie der gestrige Abend gezeigt hat.

presseschau

Bayern besiegt Barca

4 zu 0. Gegen den FC Barcelona. Das lässt die vernichtend geschlagene Bundesligakonkurrenz in der Bundesliga wieder etwas ruhiger schlafen. Bayern München ist in dieser Saison das Maß aller Dinge. Nicht nur national.

Rene Maric (Spielverlagerung) sieht in der deutlichen Niederlage dann auch eine mögliche Wachablösung an Europas Spitze:

Dieses Spiel könnte wohl als der Untergang und der Beginn einer großen Mannschaft in die Geschichte eingehen. Selten wurde in einem so hoch erwarteten und nominell fast gleich besetzten Aufeinandertreffen ein Spiel so klar entschieden; fast schon paradox wirkt, dass es eigentlich Barcelona ist, denen die meisten eine individuelle Überlegenheit zuschreiben würden.

Michael Cox (Zonal Marking) beobachtete, dass die Bayern den Spaniern vor allem in drei Punkten den Schneid abkauften:

It was a fine technical display from Bayern, but was primarily based around the (only?) three tactical weaknesses that have been obvious in Barcelona over the past five years – Bayern were physical, they took advantage of extra height at set-pieces, and then they counter-attacked with wide players when Barcelona had men high up the pitch.

Andreas Rüttenauer (taz) sieht die Spanier zunächst auf dem Platz und dann von den Rängen gedemütigt:

Am Ende ist es das Münchner Publikum, das den FC Barcelona endgültig demütigt. Als würde ihr Klub gegen Hannover oder Fürth hoch führen, verlassen Tausende Zuschauer das Stadion weit vor dem Abpfiff: Ist eh klar, dass wir gewinnen.

Oliver Fritsch (Zeit) lobt „deutsche Tugenden“ und Thomas Müller:

Wo andere Beine haben, stützen ihn Salzletten. Wenn andere gehen, watschelt er. Andere schießen, Müller stochert. Köpft der Gegner, bückt sich Müller, wie beim 1:0. Doch an diesem Abend war er alleine drei Mal so gefährlich wie die gesamte Elf des Gegners. Bei ihm spiele Müller immer, sagte Louis van Gaal einmal. Ein Blick zurück auf die wichtigsten Niederlagen des deutschen Fußballs der vergangenen Jahre, bestärkt dies: Gegen Italien 2012 wurde Müller erst beim Stand von 0:2 eingewechselt. Gegen Chelsea 2012 wurde er ausgewechselt, nachdem er das Führungstor geschossen hatte und kurz bevor der Ausgleich fiel. Gegen Spanien 2010 war er gesperrt. Selbst gegen Schweden führte Deutschland, als Müller vom Platz ging.

Das 4:0 der Bayern gegen Barcelona liefert viele Hinweise. Die einfachste Erkenntnis trägt vielleicht einen alten deutschen Namen.

Christian Eichler (FAZ) zieht Verbindungen ins Jahr 2009 und sieht geglückte Vergeltungen:

Damit haben die Bayern nach dem 6:1 im nationalen Pokal gegen den VfL Wolfsburg binnen einer Woche mehr als angemessene Revanche für ihre beiden peinlichsten Niederlagen der letzten fünf Jahre genommen – beide erlitten binnen fünf Tagen im Jahr 2009: erst ein 1:5 in Wolfsburg, das danach Meister wurde; dann, vier Tage später, das 0:4 in Barcelona, die große Show von Lionel Messi.

Thema war natürlich auch die Leistung des Schiedsrichter-Gespanns. Nicht gegebene Handelfmeter und eine mögliche Rote Karte wegen einer Tätlichkeit von Alba standen ein Abseitsentscheid, ein mögliches Aufstützen und ein Müllerscher Bodycheck gegenüber.

Barcelonas Verteidiger Piqué  wollte dennoch nicht über die Leistung der Unparteiischen reden (Spiegel):

„Sie haben uns eine Tracht Prügel verpasst. Wir werden dennoch versuchen, dieses Ergebnis im Rückspiel noch zu drehen. Wir brauchen nicht über den Schiedsrichter reden, es gibt keine Ausreden.“

Der Spiegel und 11 Freunde haben Pressestimmen zum Spiel aus Italien, England und Spanien gesammelt.

Eine Videozusammenfassung des Spiels gibt es bei der Sportschau. Die SZ hat Opta-Daten zum Spiel aufbereitet.

Enttäuschend war die Leistung von Lionel Messi, der nicht wirklich fit wirkte. Ein Tor gelang ihm nicht und fehlt deshalb in seiner beeindruckenden Torreise durch Europa.

Dani Alves war wohl vor dem Spiel ziemlich aufgeregt und beruhigte sich mit Hairstyling am lebenden Subjekt. (11 Freunde)

Zitat des Tages

„Er ist technisch in der Lage, auf engstem Raum ein feines Kurzpassspiel aufzuziehen. Durch sein ausgeprägtes peripheres Sehen kann er den Ball schnell verarbeiten, weiterleiten oder selbst zum Abschluss kommen. Götze kann sich trotz seines Fliegengewichts von 64 Kilogramm und einem BMI von 20,9 durchsetzen, erexplodiert geradezu am Gegner, weil er seine Maximalkraftspitzen trotz noch nicht völlig ausgeprägter Muskulatur außergewöhnlich schnell erreicht, sodass er selbst einen physisch schweren Konkurrenten aus der Bahn haut – quasi die Leichtigkeit des Seins.“

Professor Jürgen Weineck, Sportwissenschaftler erklärt die Qualität von Mario Götze (spox)

Mario Götze wechselt zu seinem Lieblingstrainer

Wer hat denn nun den Transfer lanciert? Boris Büchler (ZDF) meint, dass der Hinweis aus München kam. Auch das „Handelsblatt“ berichtet unter Berufung auf „BVB-Kreise“, dass Bild München über einen Kontaktmann von Uli Hoeneß am Montag Abend die Exklusivgeschichte über den Transfer von Mario Götze zugespielt bekommen haben soll – als „Ablenkungsmanöver“ für die Steueraffäre Hoeneß. (via turi2) Laut Raphael Honigstein kam die Info aus dem Dortmunder Team zur Bild. Was auch die Aussagen Klopps auf der Pressekonferenz bestätigen würde.

Sei es wie es sei. Jan Scheper (taz) sieht eine „geniale Strategie“:

Ein kleines Detail bestätigt markant den gesicherten sportlichen Diskurs („Wer kann die Bayern eigentlich noch schlagen?“) und lässt einen fragilen gesellschaftspolitischen („Wer ist Uli Hoeneß wirklich?“) vorerst in den Hintergrund treten. Dass die Rot-Weißen in München die psychologische Kriegsführung beherrschen, ist kein Geheimnis. Allerdings hätte wohl keiner mit solch einer Bayern-Schläue gerechnet. Man könnte es auch mit Carl von Clausewitz sagen: „Die reiche Saat des Sieges wird nicht mit der Sense, sondern mit der Sichel geschnitten“.

Der Transfer ist ein Schock für Borussia Dortmund und die Fangemeinde. Plötzlich scheint der Abstand zu den Bayern wieder um ein Vielfaches größer und die Spekulationen um den Abgang weiterer Leistungsträger wie Hummels, Gündogan oder Lewandowski schießen ins Kraut. Sven Goldmann, Felix Meininghaus und Michael Rosentritt (Tagesspiegel) beschreiben ausführlich die Gefühlslage in Dortmund, die möglichen Beweggründe und die schwierige Situation für den Mittelfeldspieler.

Lukas Rilke (Spiegel) sprach mit Götzes einstigem Jugendtrainer bei Eintracht Hombruch. Nach dessen Worten war der kleine Mario nach seinem Umzug aus dem Allgäu nach Dortmund Bayern-Fan. Das könnte dem Bayern-Manager in die Karten gespielt haben, den schon als Funktionär beim DFB schwärmte Matthias Sammer für das Talent des damals 18-jährigen:

„Mario Götze ist eines der größten Talente, das wir je hatten“

In dieses Talent hat sich auch Ina Steinbach (Torszenen) verguckt. Noch am Montag hatte einem Jungen in Brasilien ein Götze-Trikot geschickt. (Nicht ganz so unglücklich wie die Namensgebung Santana für ein Baby in Dortmund. Aber immerhin.) Ina fühlt wohl so wie die meisten Borussia-Anhänger:

Ich habe allerhöchsten Respekt vor Mario Götze als Fußballer. Ich hatte eine tolle Zeit mit ihm, der BVB hatte eine tolle Zeit mit ihm. Wir werden in der Nationalmannschaft auch noch viel Spaß mit ihm haben. Die persönliche Sympathie ist allerdings heute den Bach runtergegangen, weil mir schlicht das Verständnis für den Wechsel zu diesem Zeitpunkt fehlt. Besonders angesichts seiner Äußerungen in jüngster Vergangenheit, seiner Vertragsverlängerung während der laaaangen Verletzungspause. Ach, Mario. Ich verstehe, dass der Ruf des Geldes und von Pep Guardiola verführerisch ist. Aber ach.

Ulrich Homann (RevierSport) ist ziemlich angefressen ob des Transfers. In seinem Kommentar befürchtet er, dass die Liga zur Farce wird.

Auch bei schwatzgelb zeigt man sich natürlich enttäuscht vom ehemaligen Fanliebling und sehr verärgert über die Bayern. Meint aber auch, dass Mario Götze nicht die Mannschaft ausmacht:

Bei aller Enttäuschung nämlich sollten wir einen Fehler nicht begehen:  Wir sollten nicht über den Fall Götze unser komplettes Bild von der aktuellen Mannschaft zerstört sehen. Ein Marcel Schmelzer, ein Roman Weidenfeller, ein Mats Hummels, ein Lukasz Piszczek haben damit nichts gemein. Vielleicht werden wir uns wieder mal im einen oder anderen täuschen. Unterm Strich ist das jedoch wohl der Preis dafür, eine solch fantastische Mannschaft auf dem Rasen zu sehen und ihr im Überschwang des Glücks ein Teil des eigenen Herzens zu schenken.

Der Text endet mit der großen Vorfreude auf das Spiel am Abend. So sieht es auch der Trainer der Borussia wie spox berichtet:

Die PK war eigentlich schon aus, aber Klopp richtet noch einen Appell an die Fans: „Ich möchte noch etwas loswerden: Lasst uns morgen einen ganz speziellen Abend draus machen! Alles, was euch an negativen Gedanken belastet: zuhause lassen, herkommen, Gas geben – und gegen Madrid gewinnen!“

Die komplette Pressekonferenz, bei der Klopp selbst direkt den Vergleich zum Transfer von Marco Reus zu Borussia Dortmund zog, kann man in der Mediathek des ZDF anschauen.

Peter Penders (FAZ) lobt Klopp nach der Pressekonferenz als hervorragenden Krisenmanager und hat Sicherheitsbedenken für den 4.Mai.

Marcus Christenson (Guardian) lobt Klopp und zeichnet den Weg von Borussia Dortmund vom Pleiteclub bis zum heutigen Verein nach, der auch den Abgang von Mario Götze verkraften wird und als schon als Vorbild für Vereine wie Liverpool gilt.

Die FR hat Pressestimmen zum Wechsel gesammelt: „Das Imperium schlägt zurück“

Borussia Dortmund – Real Madrid

Tobias Escher (Spielverlagerung) ausführlich über die Spielweise der Madrilenen: Vertikalität, Mittelfeldpressing und Ronaldos Lücke auf links werden gewohnt detailliert beschrieben.

Paul Ingendaay (FAZ) beschreibt den Egomanen Mourinho, der nicht vor „stumpfen Waffen“ zurückschrecke, gern mit Andeutungen arbeitet und sich selbst immer in den Mittelpunkt stellt. Klingt wenig originell, liest sich aber sehr gut.

Uli Hoeneß

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat Uli Hoeneß fünf Millionen Euro Kaution zahlen müssen, um nach einem Haftbefehl gegen ihn wieder auf freien Fuß zu kommen. Der Haftbefehl sei schon vor gut einem Monat gegen den Bayern-Präsidenten ausgesprochen worden.

Oliver Fritsch und Steffen Dobbert (Zeit) nennen Hoeneß den „Machiavelli von der Isar“ und beschreiben den Ex-Manager als Herrscher im Verein, obwohl er eigentlich nur noch Präsident und Vorsitzender des Aufsichtsrates ist.

Der Adidas-Konzern hat eine Verstrickung in private Geschäfte von Uli Hoeneß zurückgewiesen. Der frühere Vorstandschef Robert Louis-Dreyfus sei nicht in die Verhandlungen über eine strategische Partnerschaft mit den Bayern involviert gewesen, teilte das Unternehmen mit. (SZ)

Dietrich Schulze-Marmeling (taz) beschreibt lesenswert wie die Bayern erst Real Madrid und dann den FC Barcelona – mal mehr, mal weniger erfolgreich – kopierten.

National

Dirk Dufner ist neuer Manager bei Hannover 96 und sprach mit der Bild über seinen neuen Job und letzte Unterhosen in Freiburg.

1860 hat auf der Vereinshomepage eine Stellungnahme zu den aktuellen Ereignissen veröffentlicht. Es geht vor allem um die Finanzvereinbarungen und Mitspracherechte von Ismaik.

Gerald Kleffmann (SZ) beschreibt das Theater an der Grünwalder Straße, das wohl gerade erst so richtig begonnen hat.

Frank Willmann (Tagesspiegel) über „das ewige Rätsel 1.FC Magdeburg“.

International

El País (Englischer Text) erklärt die Gründe für die Krise im spanischen Fußball: Korruption und Inkompetenz.

Der unter Betrugsverdacht stehende Nicolás Leoz ist nicht mehr Mitglied des FIFA-Exekutivkommitees. Er ist zurückgetreten. (NZZ)

Mediathek

Dynamo Fan.TV hat einen Beitrag zur Choreo zum 60.Geburtstag veröffentlicht. Starkes Ding. Auch bemerkenswert der Tribünen-Schluckauf ab 5:40.

Der Kommentatoren Blog sprach mit sky-Kommentator Oliver Seidler über seine Karriere und das Tagesgeschäft.

Zum Montagabendspiel waren ein, zwei Kölner mit nach Duisburg gereist.  Gesungen haben sie auch. (YouTube)

Meist geklickt

Gestern suchten die meisten den Weg zur twitter-Unterhaltung von Escher, Pahl und Neumann über die möglichen Hintergründe der Transferverkündung am gestrigen Tage, die Jonathan Sachse mit storify aufbereitet hat.

Sammelsurium

Die Fußballfans gegen Homophobie gehen auf internationale Tour mit ihrem lila Plakat.

Die Arseblog News haben eine Druckvorlage für Spielertransfers, die an Arsenal vorbeigingen.

Der Kurier hat die schlimmsten Vereinshymnen gekürt. Auch Schalker, Kölner, Bremer, Ingolstädter, Rostocker, Münchner, Wolfsburger und Leverkusener sind unter den Opfern.

Alexander Mais (sportLiteratur) hat das Buch „One Love“ rezensiert.

Rausschmeißer

Fans von Manchester United feiern die Meisterschaft mit einem Haufen Memes. (101 Great Goals)

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  1. „Laut Raphael Honigstein kam die Info aus dem Dortmunder Team zur Bild. Was auch die Aussagen Klopps auf der Pressekonferenz bestätigen würde.“

    Welche Aussage von Klopp soll das bestätigt haben?

    • Zur Pressemitteilung der Bayern, dass sie den Transfer erst nach dem Real-Spiel bekanntgeben wollten: „Ich glaube das sogar. Soweit geht die Rivalität nicht, dass sie uns damit ein Ei ins Nest legen wollen.“

      • Auch Joachim Watzke hat ähnliches verlauten lassen. Sebastian Hellmann hat dies gestern kurz vor der BVB Pressekonferenz per Telefonschalte mitgeteilt (er konnte kurz mit Watzke sprechen). Demnach sei die Info „nicht aus Dortmund, nicht von den Bayern und auch nicht aus dem Umfeld von Götze“ gekommen. Vielleicht sagt er heute vor dem Spiel mehr…

  2. Das ganze lief auf SkySportNewsHD kurz vor dem geplanten Beginn der BVB PK (würde mal so gegen 14:28 tippen), falls jemand eine Aufnahme hat.

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