Ein in New York geborener Italo-Amerikaner entdeckt in jungen Jahren den Fussball für sich. In den 80er Jahren ist er damit im Land von Eishockey, Base-, Foot- und Basketball jedoch eher die Ausnahme denn die Regel. Trotzdem lässt ihn der Sport nicht los. Nur: So ganz greifbar wird seine Faszination für den Leser nicht.
Zugegeben, ich bin skeptisch, wenn schon im Buchtitel „Soccer“ steht. Obwohl mir durchaus bewusst ist, dass das Wort eigentlich keine amerikanische Erfindung ist, sondern vom englischen „Association“ stammt. Und obwohl ich mir bewusst bin, dass die Vorbehalte gegenüber dem amerikanischen Fussball bloß auf Vorurteile gründen. Ich war noch nie dort. Zumindest nicht beim Fußball. Auch deshalb wollte ich mir dieses Buch zu Gemüte führen, in dem ein in New York geborener Italo-Amerikaner die Liebe zum Fussball entdeckt, diese aber über viele Jahre kaum mit jemandem teilen kann, und trotzdem Fan bleibt. Eine Geschichte eines Fans, ähnlich wie Fever Pitch. Nur nicht so gut.
Der junge Michael J. Agovino wird eher zufällig auf Fussball aufmerksam. In seiner New Yorker Wohnung empfängt er ein paar spanischsprachige Sender, die ab und an Fussballspiele übertragen. Und in New York wird ein Legendenspiel ausgetragen, das er dank seines Vaters besuchen kann. Die ersten Kapitel sind geprägt von Geschichten, wie der junge Knabe alles verschlingt, was einen Fussballbezug aufweist. Und wenn es französischsprachige Magazine sind, die er in den Frankreichferien der Familie ersteht, obwohl er der Sprache nicht mächtig ist. Agovino wird älter und mit ihm wächst auch der Fußball in den USA zu einem immer beliebteren und ernstzunehmenderen Sport heran. Was dem Buch fehlt, sind Beschreibungen der Faszination Fußball, die im Gedächtnis haften bleiben. Was Nick Hornby in Fever Pitch geschafft hat, schafft Agovino leider nicht. Vielmehr fragt man sich nach der Lektüre, wie er jedes Datum – das Buch ist wie ein Tagebuch aufgebaut – genau wissen kann, im Text aber gefühlt auf jeder zweite ein Sachverhalt ungenau beziehungsweise mit einem „Das weiss ich nicht mehr so genau“ beschrieben wird.
Immerhin kann sich Agovino zu einigen klaren Haltungen durchringen, die durchaus kontrovers sind. Er kritisiert Red Bull Salzburg, weil der Getränkekonzern hier einen traditionsreichen Klub übernommen habe. Da diese Tradition den Vereinen der amerikanischen Major Soccer League sowieso fehle, darfs dort aber genau gleich zu und hergehen wie in Salzburg. Auch gegen die Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 an Russland und Katar hat er keine großen Einwände.
Am wertvollsten ist das Buch eigentlich dort, wo es gar nicht beabsichtigt, große Geschichten zu erzählen. Agovino erzählt nämlich auch die Geschichte einer Familie in der New Yorker Bronx, die sich nicht alles leisten kann, die durch zwielichtige Gegenden zu Fußballspielen reisen muss, die aber für die Verhältnisse anderer Familien der Bronx ganz gut dasteht und sich sogar Ferien leisten kann. Und Agovino offenbart auch die Anspruchshaltung, die man US-Amerikanern manchmal zuschreibt, die ganze Welt hätte nach ihrer Zeitrechnung zu funktionieren. Dass an 9/11 in Europa Fußball gespielt wurde, erachtet er als skandalös. Natürlich darf da auch Kritik an England nicht fehlen, dem Mutterland des Fussballs und eigentlich auch der USA, auch wenn diese subtil erfolgt. Anlässlich eines England-Aufenthalts schreibt Agovino: „I wanted a local lager, but they didn’t have any.“ Diese Kritik zumindest kann man Agovino nicht verübeln.
Autor: Michael J. Agovino
Typ: Autobiographisches Fussballbuch
Preis: 30.90 CHF / $26.95
Seiten: 312
Infos: http://www.nebraskapress.unl.edu/product/Soccer-Diaries,675899.aspx
Empfehlenswert für: Alle, die sich für die Lebensgeschichte eines in den USA geborenen Italieners interessieren, der sich im Land von Base-, Foot- und Basketball für den Fußball begeistert.
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