Spiele wie das des FC Bayern gegen Borussia Dortmund sind Großereignisse in den sozialen Medien, deren Nutzer ihre Spielszenen weit über 90-120 Minuten hinaus am Leben erhalten. Für Fußballvereine wie Journalisten gehört es längst zum Tagesgeschäft, diesen (Trash-)Talk über Fouls, Elfmeter und ihre Schützen durch geschickte Medienarbeit zu befeuern. Auch ich kann mich diesem Spiel nicht entziehen – andernfalls würdet ihr jetzt diese Zeilen nicht lesen. Was hat das alles noch mit der Tradition Fußball zu tun? Was bedeutet überhaupt das Wort „Tradition“? Vielleicht muss diese unselige Frage überhaupt nicht abschließend beantwortet werden. Fußball ist, was man daraus macht und der Übergang zwischen vermeintlicher Tradition und Moderne ist ohnehin fließend. Die Link11 zwischen FC Hollywood und Fußball an (und unterhalb) der Basis.
1. Die Nachwehen des Halbfinales zwischen Bayern München und dem BVB waren auch gestern noch allgegenwärtig. Besonders beide Fanlager stritten über den Schiedsrichter, Glück und Pech, sowie die Verletzungen von Robben und Lewandowski (FAZ). Am meisten aber erhitzte die Gemüter, dass hier doch tatsächlich jemand mit einer großen Portion Glück gegen den FC Bayern bestanden hatte. Andreas Bock erinnert die Empörten mit gewohnt weisen Worten daran, dass Fußball nun mal im Kern eine ziemlich verrückte Sache ist. Und genau deshalb so viel Spaß macht (11 Freunde). Christian Spiller veranlasste Bayerns Totalversagen vom Punkt dazu, mal bei dem sichersten Elfmeterschützen der Bundesligageschichte nachzufragen, was er Götze und Neuer raten würde (Zeit).
Kurze Anmerkungen zu zwei strittigen Szenen im gestrigen Pokalspiel zwischen Bayern und dem BVB. (af) pic.twitter.com/bT87EyJLKQ
— Collinas Erben (@CollinasErben) 29. April 2015
2. Große Fußballspiele sind zur Hälfte Sport-, zur Hälfte Medienereignisse. Aufbruchsstimmung, Hoffnung, Kampf- und Teamgeist – all das sind Gefühlszustände, die längst schon aus den Spielerkabinen von vereinsinternen Social Media Teams auf Hardcorefans und Laufkundschaft übertragen werden. Markenbindung nennt man das in der Welt der Werber. Doch wie groß ist eigentlich die Überschneidung dieser und der Fußballwelt? Welche Rolle spielt das Bedienen eines ausländischen Marktes bei der Verpflichtung eines Fußballspielers? Jake Cohen hat sich dieser Frage am Beispiel in der Bundesliga spielender Japaner wie Shinji Kagawa gewidmet (The Set Pieces). Locowise hat das je sozialem Netzwerk und Wettbewerb unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Clubs und Fans unter die Lupe genommen.
3. Der AFC Bournemouth ist, gelinde gesagt, ein kleiner Fußballclub. 117 Jahre alt, aber klein. Dennoch wird er im kommenden Jahr gegen Chelsea, Arsenal und Man City in der Premier League spielen. Die Bilder seines während der Aufstiegsfeier völlig eskalierenden Clubchefs Jeff Mostyn gingen bereits um die halbe Welt (Youtube). Der Stoff, aus dem Underdog-Märchen sind. Oder? Jein, denn der AFC ist (unter anderem) im Besitz des russischen Geschäftsmannes Maxim Demin. Der Rahmen, in dem er den Club unterstützt, ist natürlich nicht mit den Abramovichs dieser Welt zu vergleichen. Dennoch bietet Bournemouth einen Anlass zur Frage: Sind Fußballromantik und investorengestützte Sportprojekte zwei unvereinbare Gegensätze (200%)? Was ist eigentlich „Tradition“?
Bournemouth: Bit of jealousy. I remember Chelsea fans getting annoyed about City’s 2008 jackpot. English football is game played in envy.
— John Brewin (@JohnBrewinESPN) 29. April 2015
4. Ihr wollt Tradition? Ich zeig euch Tradition! Wenn Andreas Bocks Ode an die Unperfektheit des Spiels (siehe Punkt 1.) aus der neuen 11 Freunde Ausgabe gepurzelt wäre und sich in einen Amateur-Fußballplatz verwandelt hätte, wäre sie sicher in dieser kurzen Bilderstrecke von Who Ate All The Pies zu finden. Der Duft genagelter Lederstollenschuhe liegt in der Luft.
5. Auf Plätzen wie den obigen hat wohl auch der Spielbeobachter sein Fußballhandwerk gelernt. Vor Kurzem beschworen Fans eines Bundesligisten ihre Mannschaft mit den (in eine Choreo gebetteten) Worten: „Niemals aufgeben!“. Da galt es einen läppischen zwei Tore Rückstand aufzuholen. Wie „Niemals Aufgeben“ in den unteren Spielklassen (oder wie manch einer jetzt bissig anmerken wird: der Realität) aussieht… lest selbst. Ein Blogpost wie ein Zusammenschnitt sämtlicher Trainingsszenen aus den Rocky-Filmen. Hört ihr die Musik? Ich höre die Musik.
6. Bürgerlicher Fußball ist eine Institution der deutschen Gesellschaft. Dabei war er jahrelang alles andere als konkurrenzlos. Jan Tölva blickt auf die Hoch-Zeit des deutschen Arbeiterfußballs und seinen Niedergang durch den Nationalsozialismus zurück.
7. Tradition und Arbeiterfußball… Zeit für eine kunstfertige Überleitung zum Thema Katar. Die französische Regierung ermittelt wegen der „Beschäftigung“ von Sklavenarbeitern gegen ein einheimisches Bauunternehmen (Guardian). Ob Franz Beckenbauer in die Ermittlungen eingebunden ist, weiß ich nicht. Ich denke trotzdem, diese Praxis der französischen Regierung sollte Schule machen. Will man das Fiasko Katar unterbinden, muss man all jene unter Druck setzen, die in Europa davon profitieren.
8. Der FC Bayern feierte am Wochenende seine 25. (!) Meisterschaft. Einige Fans wunderten sich sogleich, ob denn nun nicht ein neuer Meisterstern auf ihre Trikots geflockt werden müsse. Und wieder einmal stellte sich heraus: Niemand weiß, wie das mit diesen Sternen überhaupt funktioniert und wann man einen bekommt. Die Soccer Warriors klären auf.
9. Auch der Red Star FC hat etwas mit Sternen zu tun – jedoch weniger im Sinne von Erfolg. Carsten Pilger hat den traditionsreichen kleinen Bruder von PSG in der französischen dritten Liga besucht und einen schönen Bericht über Fußball an der Basis verfasst (An Old International).
10. Der Stern der Serie A sinkt seit Jahren. Fangewalt, leere Ränge, insolvente Clubs, Rassismus. Die Liga verliert auch sportlich den Anschluss. Das macht sich aus deutscher Perspektive betrachtet nicht zuletzt dadurch bemerkbar, dass Spieler wie Klose, Gomez oder Podolski regelrecht für ihre Wechsel in den italienischen Spitzenfußball verhöhnt wurden. „Für mehr reicht es wohl nicht mehr.“ Und doch schneiden italienische Clubs in diesem Jahr deutlich besser auf der europäischen Bühne ab, als deutsche. Andreas Prentner betrachtet die Renaissance der Serie A aus der Nähe (Abseits.at).
11. An Geld mangelt es der russischen Liga gewiss nicht. Dennoch bleiben ihre Clubs bislang hinter den Erwartungen zurück – die Champions League scheint mindestens eine Nummer zu groß für sie zu sein. Michael Yokhin geht hart mit Russlands Vorzeigeclub Zenit St. Petersburg und seinem Trainer, Mourinho-Schüler Andreas Villas-Boas, ins Gericht (ESPN), Toke Møller Theilade analysiert Russlands diesjähriges Abschneiden auf europäischer Bühne (Russian Football News) und sieht die Liga vor dem nächsten großen Entwicklungsschritt.
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