Die Erregungskultur in Deutschland eilt von Zenit zu Zenit. Befeuert von Medien, denen die Geschäftsgrundlage in den Weiten des Internets dahinbröselt, führen Stinkefinger zu WM-Ausschluss, werden Pyromanen zu Gewalttätern und 30 zu 300. Ganz nüchtern betrachten geht kaum noch. Versuchen wir es trotzdem. Mit der #Link11.
1. Köln und Dortmund verbindet wieder ein Stück mehr. Auch im Volksmund als Westfalenstadion bekannten Rund war das Beste am Spiel die halbe Stunde vor dem Anpfiff:
Wow! #bvbjuve #UCL pic.twitter.com/HeNyhLP3kC
— Borussia Dortmund (@BVB) March 18, 2015
Richard Leipold (FAZ) sieht dazu passend die Dortmunder den Kölner taktisch unterlegen. Schwatzgelb bringt es auf den Punkt: Der BVB wurde nach Strich und Faden vermöbelt. Stefan Osterhaus (NZZ) fragt sich, ob das erste Gegentor haltbar war, das ein »Debakel« einleitete. Any Given Weekend findet Aufbauspiel und Aufstellung diskutabel. Daniel Theweleit (Spiegel) beobachtete das ganz große Scheitern, das Ende einer Ära und die Verantwortlichen bei der Ursachenforschung. Auch Felix Meininghaus (SZ) spricht vom Ende einer Ära.
2. Nach dem Spiel sind die meisten der Ansicht, dass Borussia wegen einer schlechten Hinrunde mindestens eine Saison auf die Champions League verzichten muss und man ist gespannt, wie der Verein die Mannschaft in der Sommerpause umbauen wird, um wieder in die Erfolgsspur zu kommen. Constantin Eckner fragt sich schon heute: Ist das Ausscheiden gegen Juventus das Ende eines Projektes oder Teil oder Beginn einer (neuen) Ära? Oliver Fritsch (Zeit) hat diese Frage für sich auch schon beantwortet. Für ihn endet eine Ära. Auch weil das Spiel in 90 Minuten alle Mängel der Borussia bloß legte.
3. In Barcelona jubelte derweil Guardiola beim Führungstreffer seines Ex-Clubs mehr als er sich zugestehen wollte. (Vine) Den Sieg rettete dann der Mann für Pokalspiele: Marc-André ter Stegen hielt einen Elfmeter. (FAZ, Sportschau)
4. Die FIFA zeigt sich derweil generös. Mitten im Wahlkampf um das Präsidentenamt wurden 19 Projekte mit je 600.000 Dollar gefördert. Die 11,4 Millionen Dollar für Fußballfelder und -akademien zum Beispiel für Afghanistan, Guam und die Komoren sind schon die zweite Spende nach der Weihnachtsverteilung für alle FIFA-Mitglieder in Höhe von 1,3 Millionen Dollar. Das berichtet der Deutschlandfunk in Sport Aktuell, einer Sendung, die jeder als Podcast abonnieren sollte. In der Sendung berichtet dazu Philipp May über die Verkehrsprobleme, die Katar für die Weltmeisterschaft nur schwer lösen kann. Tim Brockmeier berichtet über die Pläne der FIFA das Winterturnier zu verkürzen. Ein TV-Duell wird es im Wahlkampf wohl nicht geben. Blatter will nicht. (FAZ, Spiegel)
5. Abchasien und Südossetien werden sich wohl nie für die WM qualifizieren. Beide sind dem politisch interessierten Menschen aus den Nachrichten bekannt. Die Gebiete auf einer Landkarte zu finden würde den meisten Lesern sicher dennoch schwer fallen. Und von den dortigen Fußballvereinen wie NART Suchum oder FK Gagra haben die Wenigsten jemals gehört. Endreas Müller (120 Minuten) hat sich auf die Spurensuche begeben, um herauszufinden was mit dem Fußball im Niemandsland passiert, wenn die Politik das Leben der Menschen von Grund auf verändert hat.
6. Auch den Club Deportivo Palestino kannte ich bis vor wenigen Minuten nicht. Der Verein wurde 1920 von Immigranten gegründet, die aus der unter britischer Herrschaft stehenden Region Palästina kamen. Ismail Kalidi (Remezcla), in den USA aufgewachsener Palästinenser, schreibt ausführlich über das Leben von Palästinensern in Chile, die Geschichte des Vereins und einen Trikot-Skandal. Ein Beitrag über Heimat, Politik und Fußball.
7. Die Fußballvereine und ihre Finanzen. Frank Hellmann nimmt in der Sportschau-Serie den FC Bayern München unter die Lupe.
8. BFC Dynamo und Union träumen von den Kapitalströmen des Rekordmeisters. Beide verbindet auch die gegenseitige Antipathie, die mindestens auf Herne-West-Lüdenscheid-Nord-Niveau anzusiedeln ist. Auch wenn nur die Zweete von Union antritt. Berlins Innensenator sprach nach dem Spiel von »purem Hass« und »Lust auf Gewalt«. Dies berichtet der RBB, der dazu dank des Polizeiberichts weiß, dass 112 Beamte unter anderem bei der erfolgreichen Trennung beider Fanlager verletzt wurden. Diese Maßnahme sei nötig gewesen, »weil rund 300 Union-Fans versuchten, über die Haupttribüne in den Gästeblock zu gelangen.« Frank Willmann (Tagesspiegel) war beim Spiel und wundert sich über die Zahlen. Er zählte 30 Aus der Verwunderung wird dann schnell Ärger über »Faulheit, Inkompetenz, Dummheit«, weil die Kollegen »Verdrehen, verschleiern, für ihre reißerischen Medien zurechtbiegen«. Der Sportjournalismus im Allgemeinen und ein Bildmensch im Speziellen bekommen von Willmann eine ordentliche Breitseite. Auch Sebastian Fiebrig (Textilvergehen) begibt sich auf Faktensuche. Marco Bertram (turus) wundert sich über widersprüchliche Meldungen:
»Niemand wird in Frage stellen, dass die Gesamtsituation überaus hitzig war und dass es vor allem an der Ecke zwischen Waldseite und Haupttribüne zu Auseinandersetzungen zwischen Union-Fans und polizeilichen Einsatzkräften kam. Von einem versuchten Sturm des Gästeblocks kann indes wohl kaum gesprochen werden.«
Das Spiel vor 8.196 Zuschauern endete übrigens mit einem Auswärtssieg an der Alten Försterei. Martin Zurawsky erzielte das Tor des Tages. Es wird wohl auf lange Sicht das letzte Spiel der Zweeten sein, das nicht parallel zum Spiel der 1.Mannschaft ausgetragen wird, befürchtet Sebastian Fiebrig (Textilvergehen).
9. Die Rivalität zwischen Union und BFC Dynamo liegt in der gemeinsamen Zeit in der DDR Oberliga begründet. Eine Liga, die nach der Wiedervereinigung einfach aufgelöst wurde. Stephen Glennon vom No Dice Magazine blick für One Football zurück: »The Death of the DDR Oberliga«.
Auch das DSF blickte einst zurück. In einer von Uli Potofski moderierten Sendung über LOK Leipzig wird die Geschichte des Vereins mit merkwürdig abgefilmten Fernsehbildschirmen nachgezeichnet. Dazu wird die Zeit des Vereins in der 3.Kreisklasse mit Auftritt von Lothar Matthäus und Engagement eines lokalen Sonnenstudiobesitzers ausgiebig gezeigt. Eine YouTube-Perle.
10. Den Spielmacher gibt heute der Ballesterer. Das Beste was der österreichische Fußball neben David Alaba und Robert Almer hervorgebracht hat, feiert seine 100. Ausgabe. Wir gratulieren! Auch dem England Korrespondenten der ersten Ausgabe:
Herzlichen Glückwunsch zur 100.Ausgabe @ballesterer_fm. 100 Hefte voll Fussballkultur und mit England-Korrespondent! pic.twitter.com/bdztUYACpc — 11FREUNDE (@11Freunde_Red) March 18, 2015
11. Wilhelm Uksche wollte nicht mehr erleben, dass der FC St. Pauli in der 3.Liga spielt. »Muss er auch nicht. Gott sei dank.« steht in seiner Traueranzeige. (Merkur)
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Tobias Schächter (NZZ) über die desolaten Zustände in der serbischen Super-Liga, die ihren Namen aktuell augenscheinlich nicht verdient.
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»Wir hatten viele Ausländer. Der HSV hat uns eine Deutschlehrerin besorgt. Aber wegen meiner Familie konnte ich selten teilnehmen. Am Ende sprach ich lustiger Weise trotzdem besser Deutsch als die anderen Zugänge.«
Per Skelbred spricht vor dem Spiel der Hertha gegen seinen Ex-Club im Interview mit Jörn Meyn (Berliner Morgenpost) über seine Zeit beim HSV und bessere Laufleistungen seit dem Trainerwechsel.
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