Wenn man – völlig berechtigt – mit dem Finger auf den Radsport zeigt, der seit Jahrzehnten keinen ernstzunehmenden Kampf gegen die Nutzung von Dopingmitteln führt, so muss man wohl spätestens jetzt dem Fußball Komplettversagen im Kampf gegen Spielmanipulationen vorwerfen.
Die gestern bei einer Pressekonferenz vorgestellten Ermittlungsergebnisse von Europol lassen keinen anderen Schluss zu wie auch Rafael Buschmanns (Spiegel) Recherchen zeigen. Er spricht von einer „Bankrotterklärung“ für die Frühwarnsysteme von FIFA und UEFA, weil sie nicht alle Wettanbieter überwachen.
Es steht zu befürchten, dass auch diese Ermittlungsergebnisse wieder nur die Spitze des Eisbergs darstellen und nur Fälle offenlegen, die klar beweisbar sind. Man kann dazu wohl nicht davon ausgehen, dass FIFA und UEFA in Zukunft wirksamere Methoden entwickeln. Erste Äußerungen von Platini und Blatter lassen vermuten, dass sie ein „weiter so“ bevorzugen und auf ihre bisherigen Ansätze vertrauen.
Deshalb bleibt nur zu hoffen, dass Untersuchungsbehörden wie Europol nach dieser Veröffentlichung mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet werden, um eine Chance gegen die weltweit agierende Wettmafia zu haben.
Sonst könnte Max von Malotki recht haben mit seiner Vermutung, dass der Fußball 2025 nur noch ein Fall für Spielcasinos in indianischen Reservaten ist.
Quote
„Wir erreichen ein Zeitalter, in dem nahezu jedermann ein Spiel manipulieren kann. Du kannst ins Internet gehen und im asiatischen Glücksspielmarkt auf alles setzen, was du willst. Es ist nicht schwierig. Keine Liga in Europa hat ein glaubwürdiges, effektives System, um es zu stoppen. Wir brauchen anonyme Anti-Korruption-Hotlines auf jeder Ebene, in jeder Liga, selbst für niedrigere Klubs.“
Declan Hill im Interview bei Spielverlagerung. Schon ein paar Monate alt, aber unbedingt lesenswert.
#matchfixing
380 Spiele in Europa, darunter Spiele in WM-Qualifikation und Champions League, insgesamt 425 verdächtige Personen, in rund 300 weiteren verdächtigen Fällen laufen weltweit noch Ermittlungen. Peter Ahrens (Spiegel) fasst die veröffentlichten Ergebnisse von Europol zusammen. Christian Spiller (Zeit) erklärt: So manipulieren Wettpaten den Fußball
Thomas Kistner (SZ) erläutert, warum Wettpaten ihr Geschäft vor allem in Asien machen (siehe auch Hörbar unten).
Declan Hill (siehe auch Interview oben) schreibt in seinem Blog, dass die Veröffentlichungen keinen schwarzer sondern einen guten Tag für den Fußball bedeuten. Besonders aus zwei Gründen:
The important point was that Europol estimates that 150 international matches in Asia, Africa and Latin America were fixed in two years. Note – these are not club matches, but games between national teams. 150 of these types of matches in two years is a fair proportion of the total number of all international matches of this type. […]
… the absolutely important point is that we know what is going on and who is responsible. Asian criminals have been traveling all over the world fixing sports in our countries. These are not ‘mysterious’, ‘unknown’ people. The alleged ringleaders are very well-known.
Christoph Becker (FAZ) berichtet, dass sich immer mehr Kriminelle vom Drogenhandel ab- und dem Wettbetrug zuwenden. Michael Ashelm (FAZ) wähnt die Sportart „in den Fängen der organisierten Kriminalität“.
Ein Profi des dänischen Zweitliga-Clubs FC Vestsjaelland ist vom nationalen Verband für ein halbes Jahr suspendiert worden. Ihm wird die Beteiligung an Spielmanipulationen vorgeworfen. (Spiegel)
Alkohol
Der tiefe Fall des englischen Ex-Fußballers Paul Gascoigne schockt die Insel. Bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung tauchte der 45 Jahre alte Ex-Nationalspieler volltrunken auf. (The Sun) Christian Eichler (FAZ) macht sich in seiner Kolumne „Eurogoals“ Gedanken über den Umgang mit Alkohol im Fußball.
Laut sid-Meldung (zum Beispiel beim Handelsblatt) ist Gascoigne jetzt zur Behandlung in den USA.
Kurzmeldungen
Im Montagabendspiel der 2.Liga gewinnt Kaiserslautern mit 1:0 gegen 1860 München. Philipp Schneider (SZ) lobt die Arbeit der Münchner auf dem Transfermarkt, sieht nach der Niederlage aber keine Chancen auf den Aufstieg.
Der Kampf gegen Rechtsextremismus als Feigenblatt für den Einsatz von V-Leuten? André Anchuelo (Jungle World) sprach mit Angela Furmaniak, Fananwältin im Umfeld des VfB Stuttgart, über die Anwerbung und den Einsatz von Spitzeln in der Fußballszene.
Kehren die Neonazis in die Fankurven zurück? (Deutsche Welle)
Philipp Schaper (NP) sprach mit Klaus-Peter Jördening, Leiter der Inspektion im hannoverschen Hauptbahnhof, über den umstrittenen Einsatz der Polizei gegen Fans von Hannover 96 vor dem Spiel bei Werder Bremen.
Länderspiel
Die Dortmunder Schmelzer, Reus und Götze und der Italien-Legionär Miroslav Klose fallen für das Testspiel in Paris verletzungsbedingt aus. (Spiegel) Auch Schweinsteiger hat abgesagt. Nicht zum ersten Mal:
8 – Bastian Schweinsteiger verpasste die letzten 8 Freundschaftsspiele der DFB-Elf. Verletzungspech.
— OptaFranz (@OptaFranz) February 4, 2013
Pierre Littbarski über Aufeinandertreffen mit Frankreich bei der WM ´82 und ´86 und über seine Zeit bei Racing Paris. (dfb.de)
Frank Hellmann (FR) schreibt über René Adler, der sich per Tablet auf das Spiel gegen Frankreich vorbereitet. Jan Christian Müller (FR) meint, dass Mario Gomez nicht beleidigt ist, dass er bei den Bayern nicht zum Einsatz kommt. Deshalb ist er heiß auf den Auftritt im Nationaltrikot – hofft Manager Oliver Bierhoff.
Bei welchen Spielen war Joachim Löw eigentlich in dieser Saison? A Whole Lotta Löw hat eine Übersicht. Kießling hat er also bis zu vier Mal live im Stadion gesehen.
Der Kommentatoren.Blog hat die Ansetzungen für die Länderspielwoche.
Bundesliga
Endreas Müller liefert eine interessante Datenvisualisierung der Ticketpreise in der Bundesliga. (Leider kann man nicht sehen wieviele Tickets des günstigsten Kategorie es gibt. Vielleicht wäre es noch interessant zu sehen, wieviel Tickets in den Bundesligastadien im Durchschnitt kosten.)
Die Schalker Fangruppierung „Ultras GE“ tritt aus dem Fandachverband aus. (RevierSport)
Oliver Fritsch (Zeit) beschreibt Bayer Leverkusen nach der Niederlage gegen Borussia Dortmund als „sympathischen Plastikclub“.
David Nienhaus und Francois Duchateau über Düsseldorfs Neuzugang aus Japan: Genki Omae. (DasSportWort)
Leverkusen-Fan warf mit Gummibärchen nach Trainer Jürgen Klopp. Von Ermittlungen ist bisher nichts bekannt. Scheint ein minderes Vergehen zu sein. (WAZ, Focus)
„Football has no gender“. Meinen (nicht nur) Werder-Fans – aber in Bremen zeigt man es offen. (BattesBuliBlog)
International
Die spanische as berichtet, dass der Ex-Präsident von San Sebastian von Dopingnutzung über sechs Jahre vor seiner Amtszeit spricht. Daniel Drepper (WAZ) erklärt die Hintergründe und die Verbindungen zu Dopingarzt Fuentes.
In Zypern wurde ein Fußballer im Dezember Doping nachgewiesen. Der Spieler gibt an, unschuldig zu sein. (Cyprus Mail)
Die Polizei glaubt den Mörder des brasilianischen Sportreporters Valério Luiz de Oliveira zu kennen. Laut Reporter ohne Grenzen wurde Mauricio Sampaio, einst Funktionär beim Fußballclub Atlético-Goiás verhaftet. de Oliveira wurde demnach ermordet, weil er Kritik an der Vereinsführung von Atlético-Goiás geübt hatte.
Mario Balotelli tritt nach. Nach seinem Wechsel in die Heimat meckert er über England: Wetter. Presse. Essen. Die Art wie man fährt. Hat ihm alles nicht gefallen. (BBC)
Die FIFA untersagt dem französischen Zweitligisten FC Nantes weitere Neuverpflichtungen. (kicker)
Steven Gerrard ist Englands Nationalspieler des Jahres. (SZ)
Chris O hat seine fünf Lieblingstrikots der englischen Nationalmannschaft gewählt (The Football Attic)
Beim mexikanischen Drittligisten Murciélagos FC entscheiden die Anhänger über Facebook und Twitter über Taktik und Aufstellung. (11 Freunde)
Hörbar
Im Interview mit Jürgen Zurheide (Deutschlandradio) spricht Thomas Kistner über „einen gigantischen rechtsfreien Raum“, der der Wettmafia in Asien zur Verfügung steht.
Der Verband der Prostituierten in Brasilien bietet zur Fußball-WM Sprachkurse an, damit die Frauen bei Preisverhandlungen nicht über den Tisch gezogen werden. (DRadioWissen)
Videothek
Aus dem Gefängnis ins Mittelfeld – sportinside über Süleyman Koc, der für den Drittligisten SV Babelsberg 03 spielt und nachts zum Schlafen in die Justizvollzugsanstalt muss.
Ein TV-Tipp für Nachtschwärmer. zdfinfo zeigt aus der Reihe „Verrückt nach Fußball“ den Bericht aus England: Englische Fans im Abseits.
Der FC St. Pauli hat eine neue Gegengerade. Beim ersten Heimspiel des Jahres wurde sie stimmgewaltig eingesungen:
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Gestern suchten die meisten den Weg zum Banner in Düsseldorf, das die 11 Freunde angriff.
Extra
Wenn Jan Delay mit Thomas Schaaf die Finger zum „W“ kreuzt, dann ist das schon ein besonderer Schnappschuss. (BattesBuliBlog)