Von Zeit zu Zeit werden hier nun auch externe Autoren zu Wort kommen. Den Anfang macht Jörn Schweichler (30), Medien- und Kulturwissenschaftler, der als freier Sportjournalist u.a. für den Sport Informations Dienst arbeitet und auf 500 Wörter über Fußball bloggt.
Die Meldung im Gewand eines Hintergrundberichts, dass Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs kurz vor einem Wechsel zum Ligakonkurrenten VfL Wolfsburg stehen würde, kam gestern gegen 14.45 Uhr und sie traf die (Online-)Medien und den Rest des Internets mit voller Wucht.
Was nun folgt, hat gefühlt nur noch wenig mit hochwertigem Journalismus zu tun. Deshalb ist die Meldung des möglichen Allofs-Wechsels auch ein Lehrstück darüber, dass bei der Jagd nach Exklusivität und Aufmerksamkeit vor allem die Sorgfalt leidet. Eine Chronologie.
Die Onlineausgabe der „Welt“ berichtete, dass Allofs sich offenbar beruflich neu orientieren wolle, der Wechsel zum Nordkonkurrenten könne „offenbar schon zur Winterpause“ erfolgen. Als Quelle für ihre Informationen gaben die Autoren (Lars Wallrodt und Kai Niels Bogena) eigene Recherchen an. In dem Text heißt es:
Offiziell bestätigen kann und will das noch niemand, denn die Verträge sind noch nicht unterschrieben. Ein Bremer Vereinsverantwortlicher, der namentlich nicht genannt werden möchte, sagte der “Welt”: “Wir werden Allofs keine Steine in den Weg legen, wenn er gehen möchte.”
Nachdem zunächst niemand auf die Geschichte angesprungen war, veröffentlichten die Onlineausgaben der „Wolfsburger Allgemeine Zeitung“ und des „kicker“ je eine Meldung, deren Informationen ebenfalls auf eigenen Recherchen beruhten. Die WAZ berichtete sogar, dass „zwischen dem VfL und Allofs grundsätzliche Einigkeit“ bestehe, Verträge seien aber noch nicht unterschrieben. Genaueres blieb unklar.
In Bremen ließ sich unterdessen Werder-Präsident Klaus-Dieter Fischer bei „kreiszeitung.de“ zitieren, dass man in der Geschäftsführung nichts über derartige Absichten des Kollegen wisse und fügte an: „Bei dem Verhältnis, das wir untereinander pflegen, wüssten wir so etwas.“
Statt einer offiziellen Stellungnahme des Vereins oder zusätzlichen Informationen seitens der „Welt“, erschienen weitere Berichte u.a. bei den Online-Ablegern von Spiegel, der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (dpa-Bericht). Neue Informationen zum Sachverhalt lieferte keiner der Texte, die sich im Kern auf die Inhalte der „Welt“ bezogen.
Um 17.12 Uhr veröffentlichte die Nachrichtenagentur dpa eine Pressemitteilung, in der Klaus Allofs die Gerüchte um seinen Abschied dementierte. Dort hieß es knapp aber deutlich: „Mir liegt kein Angebot des VfL Wolfsburg vor. Es hat auch keine Gespräche gegeben. Also muss ich mich mit dem Thema nicht beschäftigen.” Ob es jedoch eine Anfrage seitens des VfL Wolfsburg gegeben haben könnte, blieb offen.
Die Sendung „Bundesliga Aktuell“ sendete um 18.30 Uhr ein Stück (unter neue Videos) zum Thema. Die Information, dass Allofs die Gerüchte bereits vor mehr als einer Stunde zurückgewiesen hatte, wurde mit keinem Wort erwähnt. Vielmehr behauptete der Autor des Films, die Verträge zwischen Allofs und dem VfL würden bereits kommende Woche unterzeichnet werden. Erst Moderator Frank Buschmann wies die Zuschauer in der Abmoderation des Beitrags darauf hin, dass es „im Moment einen ersten Ansatz eines Dementis“ gebe.
Um 20.30 Uhr befragte kabel 1-Moderator Matthias Killing vor dem Europa-League-Spiel zwischen Leverkusen und Wien seine Gäste Rudi Völler und Bernd Schuster zum Thema, ebenfalls ohne zu erwähnen, dass es bereits ein offizielles Dementi von Bremer Seite gegeben hatte. Erhellendes kam bei dem Gespräch überraschender Weise nicht heraus.
Die Debatte gewann erst wieder an Qualität, als das Thema in der Radio-Bremen-Sendung sportblitz (ab Minute 2:45) abgehandelt wurde*. „Ich habe das zum Anlass genommen, um mit dem verantwortlichen Redakteur des „kicker“ zu sprechen“, sagte Co-Moderator Henry Vogt. „Der sagte mir: ,Wir haben recherchiert und mit führenden Leuten bei Wolfsburg geredet. Die haben uns mitgeteilt, dass Klaus Allofs Gespräche geführt hätte’, somit bleibt ein Rest an Zweifeln“, so Vogt.
Die Unkenntnis der Geschäftsführerkollegen Fischer und Klaus Filbry und die ungewöhnlich lange Dauer der kurzfristig angesetzten Vorstandssitzung nannte Vogt „merkwürdig“. Werders Aufsichtsratsvorsitzender Willi Lemke wurde von Moderator Ludwig Evertz mit den Worten zitiert, die Geschichte sei „auf jeden Fall“ aus Wolfsburg gekommen. Sie sei von dort lanciert worden.
Die erschienenen Texte sind mittlerweile größtenteils überarbeitet worden – bis auf den Ursprungstext der „Welt“, die Meldung der WAZ und den frühen dpa-Bericht auf der Online-Seite der FAZ. Auf Spiegel Online erschien zudem ein Text, in dem Autor Nils Lehnebach aufzählt, welche Gründe für einen Allofs-Wechsel nach Wolfsburg sprechen.
Was bleibt sind viele Fragezeichen und die Tatsache, dass die Berichterstattung im Fall Allofs den qualitativen Unterschied zwischen On- und Offline-Journalismus einmal mehr deutlich macht. Die kommenden Tage dürften mit Spannung erwartet werden.
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* Der sportblitz wurde bereits um 19.15 Uhr ausgestrahlt, ich habe das Video allerdings erst nach 21 Uhr gesehen.
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