Die Nachwehen des 12.12. werden sicherlich noch ein paar Tage durch die Medienlandschaft ziehen. Der Boulevard wittert schon mal „Fan-Wut“, um den Leser auf brennende Stadien am Wochenende einzustimmen.
Wollen wir hoffen, dass die „Bild“ mal wieder nicht recht hat und die Fanszenen mit kreativem Protest auf die schnelle und oft intransparente Umsetzung vom „Sicheren Stadionerlebnis“ reagieren, um danach in einen Dialog zur Ausgestaltung der beschlossenen Sicherheitspositionen zu treten.
Die Blog- und Presseschau dreht sich heute aber nicht nur um die DFL. Ich empfehle die aufmerksame Lektüre der „Fußballnotizen“.
Nach der Ordentlichen Mitgliederversammlung des Ligaverbandes am 12. Dezember 2012 ist auf Bundesliga.de die beschlossenen Antragspakete veröffentlicht.
Diskussionen zum Sicherheitspapier
Kai Tippmann (altravita.com) beobachtet den deutschen Fußball aus Italien. In seinem Text „Lehrstück in Sachen Demokratie“ finden sich neben Medien und Politikschelte auch die Überzeugung wieder, dass die Fans gezeigt haben, dass sie Macht im Fußballgeschäft besitzen:
Es wäre schön, wenn Fußballfans in Deutschland sich dieser gewonnenen Macht bewusst werden und sie nicht einer Reflexreaktion opfern. Wir leben in einer Mediendemokratie und “12:12″ nichts ist Law & Order-Fanatikern unangenehmer als ein friedlicher, bunter und witziger Protest. Sollte sich irgendein Fan in irgendeinem Zelt vor dem Stadion tatsächlich nackt ausziehen müssen, kann man immer noch das Ende der Fankultur mit einem zünftigen Feuerwerk feiern. So weit ist es aber in Deutschland noch lange nicht.
Der Bolzplatzheld lud zum Google Hangout und ließ Journalisten, Blogger und Fans gut 70 Minuten über das verabschiedete Papier und das Getöse Drumherum diskutieren. Daraus:
„Je wichtiger der Sieg gemacht wird desto größer wird die Angst vor der Niederlage“
Franz Beckenbauer
Bei WDR 2 diskutierte Michael Brocker in der Sendung „WDR 2 Arena“ mit Andreas Rettig (designierter Geschäftsführer der DFL), Lorenz Rojahn (Gewerkschaft der Polizei), Jakob Scholz (Redakteur von schwatzgelb.de und Sprecher und Organisator der Fanproteste in Dortmund) und Anrufern zum selben Themenkomplex.
Das Deutschlandradio sprach mit dem Historiker Franz-Josef Brüggemeier. „Er befürchtet, dass die Freude am Spiel beim Publikum weiter verloren geht, wenn Stehplätze verboten oder Tickets nur noch personengebunden verwendet werden dürfen.“
Auch bei Sport 1 wurde unter anderem mit dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann diskutiert. Leider gibt es die Diskussion nur im Zusammenschnitt auf der Homepage des Senders. Dazu gibt es hier noch eine Aussage von Hansi Küpper, der sich über Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, echauffiert.
Der Rotebrauseblogger rollt das „Sicherheitsjahr 2012“ und die sich an verschiedenen Punkten aufgebauschte Debatte auf. Dabei bekommt jede Gruppe ihr Fett weg. So auch die DFL, die etwas fordert was sie bisher nicht geboten hat:
Apropos sprechen. Auch nach dem Abnicken der 16 Anträge betonte die DFL mit den Fans im Gespräch bleiben zu wollen. Was witzig ist, weil die Gespräche bisher nicht gerade dialogorientiert sind. Und man sich fragen darf, worüber denn DFL/ DFB und Fans reden werden, wenn die Verbände ihre Entscheidungen eh im Alleingang angehen und man über das Thema vieler Fans schlechthin Pyrotechnik (und nein, das schließt Böller nicht mit ein) nicht mal ansatzweise reden will.
Reaktionen auf das Sicherheitspapier
Fanvertreter und Fanprojekte rechnen mit weiteren Protesten. (Deutschlandradio, FAZ) Stadionwelt interviewte einen Sprecher der Initiative „12:12“, Philipp Markhardt und blickt ausführlich auf den 12.12. in Frankfurt zurück.
Stadionwelt hat Stimmen aus allen Lagern zur Verabschiedung des Sicherheitspapiers gesammelt.
Boris Herrmann (SZ) über die Ablehnung der Anträge durch Union Berlin.
Die DFL hat das Papier aus Sicht vieler Fans in aller Eile ohne weitere Diskussionen und transparente Entscheidungsfindung verabschiedet. Die Verabschiedung wird sicherlich zu unterschiedlichen Bewertungen der Situation führen und verschiedene Reaktionen hervorrufen. Exemplarisch möchte ich hier nur auf geplante Proteste in zwei Städten eingehen, um die Blog- und Presseschau nicht zu umfangreich werden zu lassen.
In Kaiserslautern soll beim Spiel gegen Aalen statt bisher 12:12 nun 90 Minuten geschwiegen werden. In der Winterpause soll dann auf einer großen Versammlung von allen Fans gemeinsam über das weitere Vorgehen beraten werden (Der Betze brennt). In Köln will die Wilde Horde beim Ligaspiel gegen Sandhausen und im DFB-Pokal beim VfB Stuttgart auf Support verzichten, um der Enttäuschung über das Verhalten der DFL zum Ausdruck zu bringen:
Das nicht vorhandene Verständnis der DFL von einem Dialog mit Fanorganisationen, hat unser Vertrauen zum Ligaverband endgültig zunichte gemacht. Wir sind schlichtweg geschockt, dass sich die „Solidargemeinschaft Fußball“ dem Druck der Politik mit symbolischen Aktionismus beugt, anstatt diesem mit breiter Brust und sachlichen Argumenten entgegen zu treten.
Die Ankündigung hat dazu geführt, dass sich Effzeh.com in einem Offenen Brief an die Wilde Horde wendet:
Du verstehst es ja durchaus, mich immer wieder in ein Wechselbad der Gefühle zu jagen. Ich mag deine Show im Stadion, ich mag die Effekte bei Choreographien. Ich mag nicht deine uneindeutige Einstellung zum Thema Gewalttäter. Hier hätte ich schon lange ein klareres Statement erwartet. Schwamm drüber, in letzter Zeit hast du mich überzeugt, mir gefiel was auf den Tribünen im FC-Block passierte. […]
Der Verein und die Mannschaft sind viel zu groß, als sich von irgendwelchen Statuten und Papieren kaputt machen zu lassen. Der DFL und unserem Innenministerium wird sehr egal sein, ob du schweigst oder bunt und laut anfeuerst. Mir ist es das nicht, ich mag dich bunt und laut.
Fußballnotizen
Während die Klub WM in Europa nur einen geringen Stellenwert hat, ist die Euphorie in Südamerika groß. 20.000 Fans des SC Corinthians aus São Paulo sind in derzeit und geben auch mal eine Niere, um dabei zu sein. (NZZ) Die Corinthians haben sich für das Finale qualifiziert und treffen auf den Chelsea FC. Die Londoner haben sich mit 3:1 im Halbfinale gegen Monterrey aus Mexiko durchgesetzt. (NY Times)
Wie ticken eigentlich Polizisten? – Man bekommt meist leider nur die Meinung von Funktionären von Gewerkschaften zu hören. Das Interview mit Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften, liefert einen Einblick in das Innenleben der Polizei. (ballesterer.at)
Der FC Barcelona hat mehr Spieler ausgebildet, die aktuell in Europas Top-Ligen spielen, als jeder andere Verein in der Welt. (Sportintelligence.com)
In Ägypten haben die Ultras der Fußballclubs ihren Anteil am Sturz der Mubarak Diktatur. Auch in den aktuellen Auseinandersetzungen spielen sie eine gewichtige Rolle. Martin Krauss (taz) über den „Ultrademokratischen Sport“:
Es ist eben gerade die Behauptung der Fans, sie seien unpolitisch, die die politische Bedeutung des Fußballs beweist.
In Hamburg setzen Polizei und Verfassungsschutz in der Fußball-Fanszene verdeckte Ermittler und V-Leute ein. Das hat der der SPD-Senat zugegeben. Konkrete Fragen blieben unbeantwortet berichtet (taz)
„Die Vorgehensweise ist stets dieselbe. Entweder auf der Straße oder per Telefon versuchen Beamte Kontakt aufzunehmen“, berichtet die Fangruppierung Ultra St. Pauli. „Sie kommen dabei nicht mal aggressiv rüber, sprechen einen mit Vornahmen an und bitten um ein Gespräch.“
„In Bed with Maradona“ hat die 100 besten Spieler Unter 23 gesucht. Hier wird die Herangehensweise erklärt. Hier gibt es die Liste. Knapp ein Zehntel besitzen den deutschen Pass.
Der Kommentatoren Blog hat die Medien-Ansetzungen zum 17.Spieltag. Im „Screensport“ von „Alles ausser Sport“ gibt es unter anderem die Fußballübertragungen des heutigen Tages.
Wie schlagen sich eigentlicht deutsche Fußballer im Ausland. Dieser Blog sammelt Ergebnisse und Geschichten.
Nach Ausschreitungen beim Spiel gegen Olympique Marseille darf der französiche Erstligist SC Bastia seine Heimspiele auf bisher unbestimmte Zeit nicht mehr im eigenen Stadion austragen. (ORF Sport)
Wegen Ausschreitungen beim U21-Match gegen England ist der serbische Fußballverband (FSS) hart bestraft worden. Die UEFA verurteilte den FSS zu einem U21-Spiel unter Ausschluss der Öffentlichkeit sowie einer Geldstrafe von 80 000 Euro. (spox) Aus Sicht von Owen Gibson (The Guardian) hat die UEFA es mit diesem Urteil wieder verpasst ein deutliches Zeichen gegen Rassismus zu setzen.
Das Finale der Copa Sudamericana wurde abgebrochen. Spieler wurden mit Waffen bedroht. (FAZ)
Die FIFA hat die Ermittlungen gegen den unter Korruptionsverdacht stehenden Mohammed Bin Hammam eingestellt. (Deutschlandradio, Spiegel Online)
In England zieht der Polizeiverband eine Wiedereinführung der Stehplätze in Fußballstadien in Betracht. (Stadionwelt)
Alessandro Del Pieros Auftakt in Australien verlief nicht rund: der Italiener ist verletzt, sein Verein ist Tabellenletzter. Es ist unklar, ob der Vertrag nach der Saison um ein Jahr verlängert wird. (ORF Sport)
Andreas Rüttenauer (taz) hat die aktuelle Biographie von Lothar Matthäus gelesen.
Extra
Das Projekt Spielfeldschnitte bittet um Spenden. 2013 soll ein Fußballturnier für Teams aus allen möglichen Ländern realisiert werden.
Bolzen Online sammelt die Videos des Jahres. Zum Beispiel ein besonders emotionales Meisterschaftsinterview.
Michael Wollny (Eurosport) schreibt in seiner Kolumne „Abgeblogged“ über ein Fußballszenario im Jahr 2017, dass zum Mitführen von Megafonen verpflichtet und die Abschaffung der Liegplätze nötig macht.
Welcher Spieler hat die meisten Berufungen in die „Kicker Elf des Jahres“ geschafft? Sportsaal hat die Antwort.
Fehlschuss des Tages: Mushaga Bakenga (Cercle Brugge)
Im Blog-G gibt es neben warmen Worten auch einen loriotesken Mikrofonumbau bei der letzten Pressekonferenz der Eintracht aus Frankfurt vor dem Jahresende.
Die Zeit lädt zum Randale-Quiz.
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Gestern war das „Sicheres Stadionerlebnis anno 1992: 1. FC Nürnberg gegen Bayer Leverkusen“ bei turus.net.