CE087 Calibrare, calibrare


Der Videobeweis ist da! Zwar handelt es sich offiziell nur um einen Test, aber kein Mensch glaubt, dass er anschließend wieder abgeschafft wird. Beim Confed Cup stotterte und rumpelte es allerdings noch gewaltig, das soll in der Bundesliga anders werden. Der Auftakt beim Supercup-Finale verlief jedoch auch nicht gänzlich reibungslos, was aber nichts mit menschlichem Versagen zu tun hatte, sondern mit den Tücken der Technik. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dieser Neuerung und haben dazu auch Interviews geführt, unter anderem mit dem Bundesliga-Schiedsrichter Sascha Stegemann. Doch bevor wir dazu kommen, diskutieren wir darüber, was Franck Ribéry eigentlich an den Schnürsenkeln von Bibiana Steinhaus zu suchen hatte und wie Steinhaus' Reaktion darauf einzuschätzen ist.
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Klaas Reese
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Alex Feuerherdt

Musik: Tha Silent Partner – P Pulsar (Album Version)

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Links: Bei einem Landesligaspiel in Württemberg hat ein Zuschauer den Ball von der Torlinie geschlagen — Eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte zum Thema Videobeweis von uns für n-tv.de — Das offizielle Regelheft des DFB — Die Kolumnen von Collinas Erben auf n-tv.de — Collinas Erben bei Twitter und bei Facebook

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49 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. „Aber da [beim Austausch mit anderen Nationen] spüren wir auch, dass wir klarer Vorreiter des Projektes sind und mit insbesondere den technischen und personellen Umsetzungen Maßstäbe setzen.“

    Eigentlich doch ganz schön, dass ihr die Folge erst nach dem ersten Spieltag veröffentlicht habt. Der war ja „insbesondere mit den technischen Umsetzungen“ eine ziemliche Katastrophe. Anderswo wird man sich seinen Teil denken über den deutschen Vorreiteranspruch.

  2. Um nochmal auf das Konzept „zentral vs. dezentral“ zurück zu kommen:
    In der NFL gibt es die Videobeweis ja schon lange. Dort war es bis vor kurzem so, dass in jedem Stadion oben ein Videoref saß und bei entsprechenden Szenen mit dem Hauptschiedsrichter zusammen das Replay bewertet hat. Dann kam es allerdings vor, dass eine identische Situation auf zwei Spielfeldern unterschiedlich bewertet wurde. Ein „Replay-Team“ sagt der war gefangen, ein anderes Team bei einem anderen Spiel sagt zu einer identischen Szene der war nicht gefangen.
    Das hat die Liga dann in große Erklärungsprobleme gebracht. Daher wurden die Replay-Regeln angepasst und jetzt redet der Hauptschiedsrichter mit der Ligazentrale (dort mit dem Regelverantwortlichen). Das führt dazu, dass identische Situationen auf verschiedenen Plätzen jetzt auch immer gleich bewertet werden.

    Vielleicht war das ja auch eine Idee der DFL hinter dem zentralen System. Man stelle sich nur vor ein Handspiel im Strafraum eines Bayernspielers wird vom Schiedsrichter nach Videobeweis als „keine Absicht“ eingestuft und am gleichen Spieltag wird auf einem anderen Platz eine gleiche Körperhaltung als Absicht und strafstoß entschieden…

  3. 1. Könnt ihr die Entscheidungsfindung zum Elfmeter, den Terodde für Stuttgart verschossen hat, mal näher betrachten?
    Für mich sieht das so aus, als ob sich der Schiedsrichter direkt dafür entschieden hat, den Elfer vom VA überprüfen zu lassen statt selbst eine Entscheidung zu treffen. Sollten die Schiedsrichter nicht einfach „normal“ pfeifen und dann bei Bedarf Korrekturanweisungen vom VA bekommen?

    2. Am Anfang des Jahres ist man noch davon ausgegangen, dass der VA generell keine eingeblendeten Abseitslinien bekommt weil sie zu ungenau sind. (DFB-PK: https://www.pscp.tv/w/1PlJQENPwaqJE ab 24:05)
    Schon seltsam, dass das Fehlen dieser Linien jetzt als Problem angesehen wird. Zumal der VA ja nur einschreiten soll, wenn ein klarer Fehler vorliegt. Wenn man aber eine Linie benötigt, kann der Fehler nicht mehr so klar sein.

    • Die Argumentation mit dem „klaren Fehler“ bezieht sich ja darauf, dass ein Schiedsrichter bei vielen Entscheidungen Handlungsspielraum hat. Der VAR darf nur eingreifen, wenn selbst unter Berücksichtigung des Handlungsspielraums die Entscheidung eindeutig falsch war.
      Beim Abseits existiert aber kein Handlungsspielraum, hier gibt es nur richtig oder falsch. Insofern ist selbst eine knappe Fehlentscheidung eine klare Fehlentscheidung.

    • Brand hat in dieser Szene auf Weiterspielen entschieden. Die Geste ist zwar zögerlich, aber es gab eine Entscheidung. In der Tat ist es so, wie du es sagst. Ich zitiere mal aus dem IFAB-Protokoll: »Der Schiedsrichter muss immer eine Entscheidung treffen, ungeachtet der Anwesenheit eines VA, d.h. dem Schiedsrichter ist es nicht erlaubt, eine Entscheidung zu ›vertagen‹ und die Situation an den VSA weiterzuleiten.«

  4. Huch! Neue Folge, war mir gar nicht bewusst. *Podcatcher anschmeiß* *auf Weg zur Arbeit freu*

    Warum ich eigentlich vorbei komme: Wenn dies genehm ist, dann möchte ich gerne mal wieder diese Kommentarspalte für eine Unterhaltung hijacken, für die mir Twitter zu eng wurde (niemals eine ernsthafte Diskussion auf Twitter führen).

    Und zwar hat @obiwan_30 das alte Thema aufgeworfen: „Man muss dringend für ekelhafte Schwalben Rot geben“.

    Bevor jetzt alle gähnend weiter klicken: Ich mag der einzige sein, auf den dies zutrifft, aber zumindest mir kam anlässlich dessen zu ersten Mal der Gedanke: Man könnte natürlich einfach weiterhin eine Schwalbe als einfache Unsportlichkeit mit einer Verwarnung ahnden, sie aber allein deshalb und ausschließlich dann, wenn sie im gegnerischen Strafraum verübt wird, mit einem Platzverweis belegen.

    Letztlich wäre dies aus Verteidiger-Sicht doch nur konsequent: Begehe ich als Verteidiger ein beliebiges Foul im Strafraum, dann werde ich mit einer der stärksten Konsequenzen bestraft, den das Regelbuch kennt. Dem Elfmeter für den Gegner. Völlig unabhängig von der Intensität des Fouls. Einfach nur deswegen, weil es im Strafraum passiert. Wir reden von Regelüberschreitungen, die außerhalb des Strafraums mit einem lapidaren Freistoß entlohnt werden – also regelphilosophisch mit nicht mehr, als einer Rückübertragung des zu Unrecht erworbenen Ballbesitzes. Nur im Strafraum wird dem Gefoulten so viel mehr zur Kompensation gegeben.

    Wäre es dann nicht logisch, dem Täuschendem im Strafraum eine ähnlich harte Strafe auf zu erlegen? Einfach nur deswegen, weil er sich im Strafraum befindet, wo es um harte Konsequenzen geht (und er dies ja auch weiß und im Zweifel genau deswegen so handelt)? Wäre das nicht letztlich nicht mehr als Herstellung der Waffengleichheit?

    Irgendwas in mir schreit, diese Einschätzung sei falsch. Aber ich kann es argumentativ nicht greifen. Kann es sonst jemand?

    p.s.: Wenn man das zu Ende denkt, dann wäre die konsequente Ahndung einer Schwalbe im Strafraum des Gegners übrigens eine Gelbe Karte plus ein Strafstoß für den Gegner. Erst dann hätte man die spiegelbildliche Ahnung der Vergehen erreicht. Würde sicher ziemlich… seltsam aussehen (ist das ein Argument?). Ich lasse diesen zusätzlichen Gedanken hier mal so stehen und weiß auch nicht, was daraus folgt.

    • Ein erster Gegen-Gedanke: Im Eishockey (ja, ich komme halt von dort und lege alles erstmal an diesem Maßstab an) wird Diving mit einer Zwei-Minuten-Strafe geahndet. Also die kleinste Sanktion, die das Regelbuch hergibt. Völlig unabhängig davon, wo oder wann das passiert.

      Schwalben sind im Eishockey jetzt kein völlig unbekanntes Phänomen (lasst Euch da nichts erzählen). Und selbst in professionell betriebenen Sportarten, in denen dies informell noch härter sanktioniert wird (ich denke da z.B. an Rugby) kommen Schwalben vor.

      Der Punkt ist: Mit der Verwarnung wird die Schwalbe im – schmalen – Strafenkatalog des Fußballs relativ gesehen bereits recht hart bestraft. Und ist trotzdem wohl so präsent wie in keiner anderen Sportart sonst. Könnte das nicht vielleicht doch ein kulturelles Problem sein? Kann man sich sicher sein, diesem durch noch härtere Bestrafung Herr zu werden?

  5. Interessanter Vergleich. Ich denke aber eine Schwalbe kann im Eishockey nicht Spielentscheidend sein, im Fußball schon. Ich hoffe ja das der VAR die Spieler soweit erzieht damit sie den Scheiss lassen. Das wäre das Beste für alle.

  6. Hallo,

    ich habe eine Frage zum Spiel Frankfurt – Wolfsburg des letzten Spieltages.

    Nach einem Foul an Boateng hat der Schiedsrichter zunächst auf Elfmeter entschieden. Diese Entscheidung hat er jedoch zurückgenommen, nachdem ihm vom Videoschiedsrichter mitgeteilt wurde, dass Boateng vorher im Abseits stand. Unabhängig davon, dass dies natürlich korrekt ist, war ich der Auffassung, dass bei einem Elfmeterpfiff nur das Foul vom Videoschiedsrichter untersucht wird. Hier wurde jedoch der vorige Angriff mit untersucht. Hätte dies nicht nur passieren dürfen, wenn Boateng ein Tor erzielt hätte?

    Zwar höhre ich fleißig euren Podcast, aber anscheinend bin ich noch lange kein Videobeweis Experte :)

    Vielen Dank und Grüße

    • Danke für die Frage, die wir auch im nächsten Podcast aufgreifen werden. In den IFAB-Richtlinien zum Videobeweis heißt es: »Bei Treffern, Strafraumsituationen und Vergehen, die zur Vereitelung einer offensichtlichen Torchance führen, kann der Schiedsrichter den Spielverlauf bis zum Beginn des Spielzugs, der zu dem Vorfall führte, sichten und, falls relevant, prüfen, wie der Ballbesitz zu Beginn dieser Spielphase zustande kam.« Unter die »Strafraumsituationen« fallen natürlich auch gegebene Strafstöße, und der »Spielzug« schließt eine nicht geahndete Abseitsstellung ein.

      Das heißt: Nicht nur nach erzielten Toren, sondern auch nach gepfiffenen Elfmetern wird geschaut, ob sich im Vorfeld eine Regelwidrigkeit der angreifenden Mannschaft zugetragen hat.

      • Zusatzfrage zu dieser Erklärung:
        Der Videoschiedsrichter darf doch nur bei klaren Fehlentscheidungen eingreifen. Ist dies bei Boatengs Abseitsstellung wirklich der Fall? Mit Linie sieht es sogar eher wie gleiche Höhe aus.

        Darf bei so minimalen Abseitstellungen trotzdem immer eingegriffen werden?

        • Anders als die Zweikampfbeurteilung ist das Abseits eine Schwarz-Weiß-Entscheidung (jedenfalls, was die Abseitsstellung als solche betrifft). Da wird also in der Regel einfacher zwischen richtig und falsch zu differenzieren sein. Aber es ist schon klar: Je knapper es zugeht, desto weiter bewegen wir uns vom Kriterium »klarer Fehler« weg (jedenfalls, wenn keine kalibrierten Linien zur Verfügung stehen). Die Video-Assistenten haben allerdings besonders gut geschulte Augen und außerdem noch ein paar Kameraperspektiven mehr zur Verfügung als die Fernsehzuschauer.

          • Verstehe diese Erklärung, fühlt sich aber immer noch befremdlich an.

            Gerade in so einem Fall wie diesem, der wahrscheinlich in 9/10 Fällen in der kein Tor oder Elfmeter folgt, einfach durchgewunken wird ohne das sich jemand beschwert.

            Ich weiß eine etwas wässrige Fragestellung, aber:

            Schaltet sich somit der VS bei Abseits vor Tor/Elfmeter somit konsequent immer ein, egal wie knapp?

          • @Joel: Richtig, bei strafbarem Abseits vor Toren und Strafstößen interveniert der VA immer dann, wenn sich das Abseits identifizieren lässt. Geht der Ball nicht ins Tor oder gibt es keinen Elfmeter, dann wird gar nicht auf Abseits überprüft. Wenn also z.B. ein Abseits ungeahndet bleibt, der Ball daraufhin zur Ecke abgewehrt wird und aus dem Eckstoß ein Tor fällt, zählt der Treffer.

  7. Ich habe es nur in der Arnd-Zeigler-Sendung gehört, nicht einmal der kicker hat es erwähnt: Bei der Papadopoulos-Schwalbe war der Videobeweis doch nicht zulässig, oder? Gelbe Karten darf der VA doch nicht ansagen. Spielen wir das weiter und es wäre seine zweite Gelbe, damit G-R, gewesen – das wäre doch ein schöner Anlass für eine Protest gewesen, wenn das Spiel verloren geht.

      • Herzlichen Dank für den Hinweis. Ist natürlich im Sinne der Regel, aber ganz überzeugt bin ich trotzdem nicht – sollte „trifft/ändert/widerrruft jegliche Disziplinarmaßnahme“ nicht nur für Cordoba und nicht auch für Papadopoulos gelten? Gegen den kann ja nie wegen einer eventuellen Roten Karte untersucht worden sein…
        Ist aber für mich ein weiterer Hinweis dafür, dass Schiedsrichter bald durch den Mann im Ohr weit mehr Entscheidungen fällen bzw. korrigieren werden als bis jetzt vorgesehen.

        • Anderes Beispiel: Wenn es eine Elfmeterentscheidung gibt, untersucht der Video-Assistent, ob auch wirklich ein Vergehen vorlag oder ob der Schiedsrichter sich eindeutig geirrt hat. Sollte sich beim Review herausstellen, dass der Angreifer eine klare Schwalbe hingelegt hat, was passiert dann? Der Elfmeter wird natürlich zurückgenommen, der Stürmer bekommt die Gelbe Karte, und es geht mit einem indirekten Freistoß weiter. Man könnte dann sagen: Bei der Ermitttlung gegen den Verteidiger ist ein Freispruch für diesen und eine Bestrafung des Angreifers herausgekommen.

          Bei Papadopoulous war es im Grunde nicht anders: Ermittlung gegen einen Spieler von Team A wegen des Verdachts auf einen gravierenden Verstoß gegen die Regeln, dieser Verdacht erhärtet sich nicht, stattdessen ergeben die Bilder eine Simulation des Gegners von Team B. Deshalb wird er verwarnt. Denn beim Review kann sich ja immer auch die Unschuld des Angeklagten und ein unsportliches Verhalten seines Kontrahenten herausstellen. Es ist dann, so meine ich, auch im Sinne der Regeln, dass der Kontrahent nicht ungeschoren davonkommt.

          Ich habe mal mit einem, der es, sagen wir, wissen muss, über den zitierten Passus aus dem IFAB-Protokoll gesprochen. Und sinngemäß zur Antwort bekommen: Nach einem Review muss am Ende immer die korrekte Entscheidung stehen.

  8. Zu der Frage, was die VAR pro Spiel verdienen, gab es ja bisher keine Aussage. Im Kicker stand nun, dass von der DFL insgesamt 10,8 Millionen € für die Schiedsrichter ausgegeben werden, davon 700.000 € für die VAR. Bei 306 Spielen macht das im Schnitt knapp 2.300 € und liegt damit wohl auf dem Niveau der normalen Assistenten.

  9. Dankeschön für die interessante Folge.
    Mir ist zum Videobeweis noch eine Frage eingefallen:
    Die Nachspielzeit läuft, ein Stürmer wird im Strafraum klar gefoult, der Schiedsrichter übersieht es.
    Ein klarer Fehler, der vom VAR in der nächsten Spielunterbrechung angeprangert worden hätte, und in dessen Folge es
    einen Elfmeter geben würde.
    Aber diese nächste Unterbrechung gibt es nicht mehr, denn der Schiedsrichter beendet die Partie.
    Pech für die Mannschaft? Oder versucht der VAR irgendwie vorher noch einzugreifen?

    Außerdem wollte ich euch über das Saisonfinale der deutschen Meisterschaft im Blindenfußball erzählen.
    http://www.blinden-fussball.de/2017/09/07/blindenfussball-bundesliga-saisonfinale-am-samstag-auf-dem-marktplatz-in-hallesaale/
    Dieses fand heute in Halle statt und es war ein für mich sehr interessantes Ereignis.
    Insbesondere die Schiedsrichter habe ich genau beobachet, inwiefern sie ihre Aufgaben vom normalen Spiel unterscheiden.
    Es gab viele Ähnlichkeiten zu anderen Sportarten, wie Handball oder Basketball.
    Jeweils 2 Schiris pro Partie, die gleichberechtigt waren.
    Auch gab es eine Menge an neuen Gesten, dazu das Zählen von Einzel- als auch Teamstrafen.
    Und ein viel direkterer Kontakt zu Spielern, wenn diese auch mal am Arm genommen und geführt wurden.

    Mir hat vieles davon gefallen und einiges davon könnte ich mir auch im ’normalen‘ Spiel vorstellen.
    Etwa ein Schiri mehr, sodass verschiedene Blickwinkel bestehen bzw die Konzentration nicht in einem
    hin und her wogenden Spiel nicht durch permanente lange Sprints leidet.
    Auch das Zählen von Teamstrafen könnte so manche Partie ansehnlicher machen. Es müsste ja nicht gleich einen Elfmeter
    für die häufig gefoulte Mannschaft geben, sondern etwa eine Verlegung des x-ten Freistoßes um 5 Meter nach vorne.

    Für mich, als ehemaligen Schiri (nur 2 Jahre), gab es jedenfalls viel zu entdecken.
    So wie es sich für mich darstellt, sind die Schiedsrichter
    auch im normalen Betrieb tätig und müssen sich demnach beide Arten beherrschen.
    (http://www.blinden-fussball.de/die-liga/schiedsrichter/)

    Habt ihr Erfahrungen/Begegnungen mit Schiedsrichtern im Blindenfußball?
    Falls nicht, vllt hab ich ja euer Interesse geweckt und ihr informiert euch dazu.
    Vllt ja sogar in einer Gastfolge.

    Viele Grüße und ich freu mich auf die nächste Folge.

    • Höhö, „Meisterwolf“ (hust), hattest Du um 17:40 Uhr wirklich nichts anderes zu tun? :)

      Ich unterstütze – sicher für alle völlig überraschend – diesen Vorschlag (btw: Bräuchtet Ihr Kontakt, Ihr wisst, wo Ihr mich ansprecht). Und ich möchte ihn um zwei Gedanken erweitern:

      Zum einen kann ich ja auch mal offen in der Kommentarspalte auf diese Bemerkung zum ganz allgemeinen Thema „Beurteilung von Spielszenen durch Zeitlupen“ hinweisen, die aus Anlass eines bemerkenswerten Pfiffs bei der Blindenfußball-EM entstand (Video dort verlinkt, einige Worte dazu hatte ich vorher hier verschwendet).

      Und zum anderen finde ich beim Schiedsrichter im Blindenfußball einen besonders interessanten Aspekt, dass er tatsächlich mehr weiß, als die Spieler wissen – einfach, weil er sieht. Gut, ein mehr an Regelkenntnis soll es in seltenen Einzelfällen auch im Sehenden-Fußball geben. Aber Ihr versteht, worauf ich hinaus will. Dies bewirkt also eine über die oben angesprochene Gestik und die Führung der Spieler in Unterbrechungen hinaus aus meiner Sicht nochmal eine ganz andere Verantwortung in der Rolle des Spielleiters: Wo greift er mit einer ausgesprochenen Information ein – z.B. dem Ruf „Spiel!“* oder ähnlichem um anzudeuten, dass er nicht abgepfiffen hat, auch wenn die Spieler dies zu glauben scheinen? Oder der Ermahnung „Nicht Einklemmen!“, „Hände weg!“, „Hände weg von der Bande!“ oder ähnlichem, um eine zu ahndende Regelübertretung zu vermeiden? Oder das Akustisieren, also treten auf den liegenden, damit akustisch toten Ball, um den Spielern beider Seiten, die ihn offenkundig verloren haben, seine Lage anzuzeigen? Wie entscheidet er, wann er zu einer Zusatzinformation greift, ohne eine Seite zu bevorzugen? Wobei er in seine Abwägung nicht nur einstellen muss, diese Hilfe ausgeglichen zu verteilen. Er muss auch bedenken, dass jede akustische Information in die akustische Orientierung der Spieler durch Kommunikation untereinander, mit den Guides und durch den rasselnden Ball eingreift – und vielleicht mehr Schaden als Nutzen erzeugt. Andererseits muss er ja zum Instrument Stimme greifen, um die Spieler zu leiten – Gesten bringen nicht so wahnsinnig viel. Ich finde, daraus leiten sich einige interessante Fragestellungen ab, die zwar vordergründig sehr speziell für den Blindenfußball gelten, letztlich aber für Fragen der Spielleitung und der Abwägung bei Entscheidungsfindungen auch für alle anderen Schiedsrichter in sonstigen Sportarten lehrreich sein sollten.

      Das alles führt Euch natürlich sehr weit von Eurem eigentlichen Thema weg. Aber Ihr habt ja angedeutet, zukünftig wieder öfter senden zu wollen. Und wie uns allen beim Fußball-Glotzen klar sein dürfte, werden Euch dann bereits in wenigen Wochen ganz sicher die Themen… ähm…

      Weg von Eurer Expertise führt Euch das übrigens nicht nur deswegen, weil die Regeln des Sehenden-Fußballs für den Blindenfußball modifiziert sind. Sondern vor allem, weil es sich bei diesen modifizierten Regeln nicht um die Fußball-Regeln, sondern um die Futsal-Regeln handelt. Aber was solls, ich finde, so ein Blick über den Tellerrand hilft immer. Klar, ich nerve hier ja auch ständig damit, in jeder Einlassung meinen Blick aus dem Eishockey ansprechen zu müssen.

      *[Exkurs: Das wird jetzt mangels Bildmaterial wohl kaum für wesentlich mehr als zwei Eurer Hörer interessant. Aber es gab gerade am heutigen Finalspieltag der Blindenfußball-Bundesliga bei Chemnitz – Schalke ein schönes Beispiel. Stürmer Chemnitz führt den Ball allein aufs Tor zu und kracht mit dem Schalker Torwart zusammen. Beide bleiben erstmal liegen, insbesondere beim Chemnitzer Stürmer stellt sich Frage nach Behandlung. Ball liegt neben ihnen. Allenthalben offenkundig klares Gefühl der Spielunterbrechung. Chemnitzer Stürmer rappelt sich mühsam auf, begreift die Situation und schiebt den Ball ins Tor. Pfiff. Tor Chemnitz.

      Eine zu 100% korrekte Entscheidung. Das Spiel war nicht unterbrochen. Die Akzeptanz beim Schalker Torhüter war eher so mittel.

      Aus meiner Sicht kann man auf diese Situation aus drei sich maximal widersprechenden Perspektiven schauen. Absurderweise finde ich beide gleich argumentierbar:

      Zum einen die des Regelpositivisten. Die Spieler wollen – zu Recht – als ganz normale Sportler wahrgenommen und behandelt werden? Dann sollen sie bitte nicht rum jammern. Unterbrochen ist, wenn der Schiri pfeift. Wenn Du das nicht auf die Kette kriegst, dann halt nicht. Und (Achtung: Spekulation) als sehender Torwart gegenüber dem blinden Stürmer irgendwelche Beschützerinstinkte aufzubauen ist erst recht nicht fair, sondern anmaßend.

      Zum zweiten die hier alles durchziehende Perspektive der Schiedsrichtertaktik: Pfeif das Ding halt kaputt, dann kräht da später kein Hahn nach. Machst Du daraus ein Stürmerfoul, dann ist die Entscheidung vielleicht falsch. Und wird vom Stürmer (und Deinem Beobachter) wahrscheinlich auch so empfunden. Aber was soll’s, Marginalie. Noch besser: Pfeif ab zwecks Spielerschutz, Frage nach Behandlung nebst anschließendem Schiedsrichterball und Fair-Play-Ritual. In Sekunden vergessen.

      Und zum Dritten, dass, was ich aus dem Eishockey als normal kenne: Ruf einmal laut „Spielen!“ oder ähnliches. Resultat ist wahrscheinlich, dass der Torwart lässig den Ball aufhebt. Aber vielleicht zünden die Synapsen beim Stürmer auch diesmal schneller und man hat zwar ein Tor wie oben, kann dem – bestimmt immer noch schimpfenden – Torwart jedoch immerhin ein gutes Argument entgegenhalten.

      Letzteres scheint mir beim Fußball irgendwie verpönt zu sein. Aus dem Eishockey kenne ich das z.B., dass die Linesman bei jedem ausgeworfenen Icing neben der klaren Gestik ein lautes „Go!“ rufen. Ich finde das hilfreich. Mir hat bis heuter keiner erklären können, warum man das nicht beim Fußball ähnlich konsequent handhabt. /Exkurs]

    • Vielen herzlichen Dank für die Eindrücke vom Blindenfußball! Ich selbst bin damit bislang noch nicht in Berührung gekommen, aber so, wie du es schreibst, sollte ich das wohl mal ändern. Die Referees entstammen dem herkömmlichen Spielbetrieb, das tun sie im Futsal übrigens auch. Ich schaue mir das mal näher an.

      Zur Frage mit dem Videobeweis: Nach dem Schlusspfiff ist ein Eingriff durch den VA nicht mehr möglich und eine Entscheidung nicht mehr korrigierbar.

  10. Danke Alex für deine Antwort.
    zum VB: Finde ich auf jeden Fall die logische Entscheidung. Mal schauen, ob
    irgendwann eine solche Situation passiert und wie dies dann aufgenommen wird.

    Und schön, dass du dich mal mit dem anderen Thema auseinandersetzen willst.

    Und danke Sternburg für deine ausführlichen Gedanken.
    (Dass du mir da beistehst, ist für mich nicht überraschend; aaaas-leser :))

    bzgl: mehr Wissen:
    Danke für die gute Beschreibung der Besonderheiten. Mir ist vieles von dem auch aufgefallen, vermochte es aber nicht so zu formulieren.
    Besonders die Fragen, wann mache ich auf den toten Ball aufmerksam bzw wie leite ich mit der Stimme,war für mich, der eine normale Ausbildung + Schulung bekam, neu.
    Die Spieler brauchen einen gut kommunizierenden Schiedsrichter.
    Auch die Kunst der Intensität des Pfiffs, um zwischen leichten Vergehen und gröberen allein akustisch zu unterscheiden (und damit Emotionen zu kontrollieren), die ja im normalen Fussball schon bei gutem Gebrauch Akzeptanz schafft, ist hier noch wichtiger.
    Ich würde dir also zustimmen, dass diese Aspekte auch für andere Schiris lehrreich sind.

    bzgl der Szene in Halle:
    Tja, wir reden ja leider ohne Bilder.
    Ich finde, du hast den generellen Konflikt zwischen Ansage (Pfiff oder Ruf) oder stillem Abwarten gut beschrieben.
    Den ‚Sicherheitspiff‘ Stürmerfoul mag ich nicht, auch wenn ich dies als Mittel der Schiedsrichtertaktik verstehe.

    Dem Schiedsrichter fällt beim Abwarten sicherlich die passivste Rolle der drei Möglichkeiten zu, was durchaus nichts schlechtes ist.
    Ich kann diejenigen schon verstehen, die deswegen für ein „Unterbrochen ist erst, wenn der Schiri pfeift“ sind.

    Aber ich finde die Ansage in diesen knappen, undurchsichtigen Situtionen besser.
    Ich war total verwundert, dass das Tor zählte, weil alle Spieler passiv wirkten.
    Um mich herum haben die Menschen auch etwas gebraucht, um den Pfiff und die Gestik richtig zu verstehen.
    Ich würde also den kurzen Ruf „spielen“ bevorzugen.

    • Ich muss zugeben, der Gedanke, über die Intensität des Pfiffes eine Botschaft zu transportieren, ist mir neu.

      Ich habe da auch noch nie drauf geachtet. Ich würde aber gleichwohl behaupten, dies passiert nicht.

      [Offenlegung: Ich war noch gar niemals (Fußball-, Futsal-, BliFu-) Schiri und habe selber überhaupt keine Ahnung]

      Was „die Szene“ angeht: Du bist mit Deiner Beobachtung nicht allein. Auch um mich herum herrschte großes Rätselraten während ich (Eigenlob stinkt) aufstand. um der cleveren Aktion zu applaudieren.

      Ansonsten hätte ich noch die eine oder andere Rückfrage, mit der wir hier aber endgültig die Halle leer spielen würden. Könntest Du Dir z.B. einen Twitter-Account klicken und mich dort per DM ansprechen? Oder über die E-Mail-Adresse im Impressum von aaaas? Man muss so Gastfreundschaft ja auch nicht überstrapazieren.

  11. Sind die Schiedsrichter eigentlich angewiesen, die Zeit, die für den Videobeweis aufgewendet wird, verpflichtend nachspielen zu lassen?

  12. Lieber Alex,
    ich möchte mit diesem Kommentar eine Schutzschwalbe für Klaas vorbringen, das allgemeine Tragen von Fahnen der Assistenten betreffend. Auch ich möchte wie Klaas sagen, dass es mir persönlich nicht darum geht, die Fahnen abzuschaffen.
    Schutzschwalbe deswegen, weil meine Argumentation „ein echtes Foul“ umfasst und weitergeht als Reeeses Argumentation.
    Mir kam nach dem ersten Spieltag der Gedanke: Warum die Assistenten nicht komplett abschaffen? Die letzte Entscheidungsgewalt bleibt beim Schiedsrichter, aber alle Empfehlungen kommen von einem oder mehreren Videoassistenten. Dann wären alle Ungerechtigkeiten technisch aufklärbar, auch wenn es immer noch einen Graubereich gäbe.

    Auch wenn der Videoassistent sicher nicht mehr abgeschafft wird: Als Kreisligaschiedsrichter finde ich den Videobeweis schwierig, weil eigentlich für alle Ligen die gleichen Regeln gelten sollten. Ich finde, mit dem Videobeweis ist eine neue Stufe des Auseinanderdriftens von Profibereich und Amateursport erreicht.

    Sonst bleibt mir nur als Kommentar, dass ich natürlich immer nach neuen Folgen giere :)

    • Nur mal so außer der Reihe: Als im – auch nicht so krass finanziell auf Rosen gebetteten – Kinder- und Jugend-Eishockey Sozialisierten empfinde die (gegen Dinge wie den VAR immer wieder geäußerte) Behauptung, es müssen doch bitte „für alle Ligen die gleichen Regeln gelten“ völlig absurd.

      Habe ich schon oft erzählt: Ich bin so aufgewachsen, dass ich spätestens bei sämtlichen Begegnungen der Kleinschüler (erster Jahrgang, der wirklich Punktspiele austrägt) mit zwei Hauptschiedsrichtern auf dem Eis stand. Ordentlichen, vom Verband entsandten (und ausgebildeten) Schiris, die nicht nur für uns Kinder eine absolute Respektsperson darstellten, sondern natürlich auch für alle anwesenden Eltern und/oder Trainer und Betreuer. Und während meiner – kurzen – Episode als Schiedsrichter wusste ich auch, warum: Weil ich nämlich als Neuling zwar zu genau diesen Kinderspielen geschickt wurde. Aber immer als Passmann mit einem der erfahrensten Schiedsrichter im Verband zusammen. Nicht selten mit dem damaligen Berliner Schiedsrichter-Obmann himself. Und das war in einen Ausmaß wichtig, wie ich das vorher nicht erwartet habe. Weil ich in meinen ersten Spielen mit dem bisschen Kinder-Hockey nämlich in einem Grade überfordert war („Scheiße – wegen dem Foul von wem hebst Du gerade den Arm?! Scheiße, scheiße, scheiße!“), wie ich mir das vorher in meinen schlimmsten Alpträumen nicht hätte schlimmer ausmalen können.

      Und jetzt Du, Fußball.

  13. Köln hat ja angekündigt, Protest einzulegen, weil gepfiffen wurde, bevor der Ball im Tor war. Somit klarer Regelverstoß, aber berechtigt dieser einenProtest, der zu einer Spielwiederholung führt? Ich nehme an, sie werden, so es tatsächlich zu einem Protest kommt, salomonisch lösen und sich darauf berufen, den Pfiff nicht wahrgenommen zu haben. Dann wäre es ein Wahrnehmungsfehler. Ist diese Argumentation stimmig?

  14. Danke, dann lag ich ja ziemlich gut auch dank eures fantastischen Podcasts. Noch was. Der VAR hat ja keinen Ton, wie ich gelesen habe. Müsste man das nicht schleunigst ändern? Denn das wird ja nicht die letzte strittige Aktion in dieser Hinsicht sein.

  15. [Achtung: Bitte vorsichtshalber schon mal Scrollfinger stretchen]

    Ich habe zu den VAR-Szenen bei BVB-Köln bei uns eine (sehr) längliche Textwüste verbrochen und kippe die jetzt einfach mal so hier ab. Falls Die jemand interessiert. Falls nicht, bitte einfach überscrollen. Und wenn das die freundlichen Gastgeber stört, dann bitte löschen. Kurze Anmerkung: Mit „hier“ meine ich jeweils bei uns.

    Wobei ich eigentlich zu den sachlich-inhaltlichen Punkten gar keine besonders dedizierte Meinung aufbieten kann. Mich beschäftigt eher, was für – aus meiner Sicht – unbedingt dezidiert zu unterscheidende Fragen bei diesem Thema unzulässig vermengt werden.

    Beginn Textwüste:

    Hab mir jetzt mal die VAR-Szenen aus dem BVB-Köln-Spiel in der Datzen-Zusammenfassung angeschaut (wo sie natürlich vorkommen, aber nicht gesondert thematisiert werden) und kann irgendwie die Aufregung nicht ganz nachvollziehen.

    Das eine ist ein klares Handspiel im Strafraum, das für die Schiedsrichter im Stadion quasi nicht zu sehen ist. Für den VAR ist es ein leichtes, dies zu erkennen. Genau dafür ist der Videobeweis doch eingeführt worden.

    Beim anderen kann ich gut verstehen, dass Ittrich ein Stürmerfoul zu sehen glaubte. Aber es war keins (finde ich jedenfalls). Ob dies ein “klarer Fehler” ist? Darüber ließe sich sicher streiten. Aus meiner Sicht lassen sich beide Ansichten vertreten. Und das scheint mir das eigentliche Problem bei diesem Kriterium zu sein: Es wurde und wird allenthalben so getan, als wäre “Es werden nur klare Fehlentscheidungen geändert” ein objektives Kriterium, das in jeder Situation nur eine richtige Antwort kennt. Das ist es aber nicht. Es ist ein subjektives, der Auslegung zugängliches Kriterium. Und da ist es doch von vornherein klar, dass es etwas dauert, bis dazu eine einheitliche Linie gefunden wird. Wie soll das denn anders vonstatten gehen, als über Einzelbeispiele?

    Natürlich ist es dem betroffenen Fan schwer zu vermitteln, dass er jetzt plötzlich mit zwei Abwägungsentscheidungen aus dem Graubereich auf einmal konfrontiert wird: Stürmerfoul ja/nein, klarer Fehler ja/nein. Aber man kann es (das vermitteln) ja wenigstens mal versuchen. Denn auch wenn es sich für diesen betroffenen Fan so anfühlt (und da habe ich auch Verständnis für): Bedeutet dies tatsächlich ein mehr an Unsicherheit für den Fan, wenn über mehrere Entscheidungen auf einmal von einer kompetenten Person jeweils eine Abwägung getroffen werden muss? Ich finde das nicht. Ich finde im Gegenteil, in je mehr klar zu benennende Einzelaufgaben so eine Gesamtentscheidung zerteilt werden kann, um so leichter fällt es, der richtigen (oder sagen wir lieber: Der besten) Entscheidung nahe zu kommen.

    Ich meine, ich habe natürlich leicht reden. Ich finde nämlich, dass beide Entscheidungen richtig getroffen wurden. Ich finde, es war kein Stürmerfoul und ich finde, auf Stürmerfoul zu entscheiden war in der Gesamtschau mit den Fernsehbildern eine klare Fehlentscheidung – die für das Team auf dem Platz aber schwer zu vermeiden war. Aus meiner Sicht ist da alles richtig gelaufen. Würde ich diesen Prozess ähnlich beurteilen, wenn ich eine dieser beiden Fragen anders beurteilen würde? Wo mir doch schon so klar ist, dass dies zulässig ist? Ich weiß es nicht. Ich hoffe nicht. Aber wer kann für seine eigene Aufrichtigkeit im Diskurs schon seine Hand ins Feuer legen?

    Trotzdem aus meiner Sicht bis zu dieser Betrachtungsebene alles ordentlich gelaufen.

    Natürlich ist das alles in der öffentlichen Wahrnehmung total egal wegen der einen Sache mit dem Pfiff. Der Videobeweis hat dazu geführt, dass ein irreguläres Tor falsch zuerkannt wurde! Der Videobeweis hat den sowieso immer benachteiligten Effzeh zusätzlich benachteiligt. Der Videobeweis als Dolchstoß des DFB in den Rücken der Effzeh-Fans! An diesem Teil des Diskurs stören mich – auch hier – gleich zwei Dinge auf einmal: Wie groß ist dieser Skandal? Und ist es ein Skandal des Videobeweises?

    Wie groß ist dieser Skandal?

    Wie gesagt, in der Zusammenfassung auf Datzen wird das überhaupt nicht thematisiert. Es gibt davon keine Wiederholung, schon gar keine mit Fokus auf den Ball und den Zeitpunkt des Pfiffs. Aber ich habe immerhin vorher genau gewusst, was kommt. Und ich musste trotzdem zurück spulen. Ich habe erst beim zweiten Anschauen überhaupt bemerkt, wo das Problem liegt. Beim ersten Mal ist mir das nicht – und damit meine ich gar nicht, kein Stück – aufgefallen. Hätte ich nicht vorher genau gewusst, wie diese Szene aussieht und um welches Tor es geht, ich hätte mich nach dem Beitrag am Kopf gekratzt und mich gefragt, wo ich sie verpasst habe.

    Sicher, wenn man drauf achtet, dann bin auch ich der Meinung, dass der Pfiff wohl zumindest beginnt, bevor der Ball die Torlinie überschreitet. Damit ist dieses Tor irregulär, keine Frage. Aber ich möchte mal sehen, wer als Schiedsrichter auf den Zweikampf um Torwart und Ball achtet und dies sofort bewusst bemerkt. Ich jedenfalls habe dies nicht getan (wie gesagt: Obwohl ich drauf geachtet habe). Klar ist das ein Fehler. Und auch ein dummer Fehler mit quasi maximal negativen Konsequenzen für eine Mannschaft. Aber ist es ein unverzeihlicher Fehler? Ich finde das nicht. Ich finde ganz im Gegenteil – so schwer das den Kölnern und ihrem Anhang verständlicherweise fallen mag – dies ist ein Fehler, den man klar benennen, aber auch verzeihen kann. Und vor allem kann ich von allen, die weder die Kölner noch deren Anhang sind, verlangen, dass sie dies ebenfalls so darstellen. Statt publizistisch auf der billigen Kölner Empörungswelle mit zu schwimmen.

    Zumal, aber dies nur am Rande bemerkt, Patrick Ittrich sein erstes Bundesligaspiel als HSR im Februar 2016 bestritt. Oft genug thematisiert (leider eher hier oder bei Collinas Erben, Rasenfunk oder so): Ittrich gehört zum ganzen Schwung junger Schiedsrichter, mit deren ersten Gehversuchen in der Liga wir nach den Opfern der Altersgrenze in den letzten Jahren halt leben müssen. Es ist noch kein Knut Kircher vom Himmel gefallen. Mein subjektiver Eindruck ist: Einem jungen Spieler, der seit eineinhalb Jahren in der Liga ist, würde ein in der Konsequenz solch fataler Fehler deutlich eher verziehen.

    Aber gut, niemand muss gnädig sein, wenn er nicht will. Schon gar nicht im Hämesport Fußball (Selbstbeschreibung). Wo mir aber wirklich der Kamm schwillt: Wenn – auch und gerade hier – sofort die Aluhut-Häme-Welle los getreten wird in Bezug auf Ittrichs vermutete spätere Darstellung der Situation. Ja klar, der wird natürlich später angeben, er habe gedacht, erst nach dem Tor gepfiffen zu haben. Und wenn nicht, werden sie ihn schon dazu bringen. Der gibt doch keinen Regelverstoß zu – und selbst wenn er wollte, damit lassen sie sich doch den schönen Videobeweis nicht kaputt machen. Ein Paradebeispiel für das unlautere Spiel mit objektiv richtigen Behauptungen. Denn natürlich stimmt der Satz: “Selbst wenn es anders wäre – im Nachhinein wird er natürlich angeben, den Zeitpunkt des Pfiffs in Bezug auf das Queren der Torlinie falsch wahr genommen zu haben. Sonst haut er sich ja selber in die Pfanne.” Mindestens genauso richtig ist aber der Satz: “Wäre ihm dies auf dem Platz auch nur im geringsten bewusst gewesen, dann hätte er den Treffer genau deswegen auf gar keinen Fall gegeben.” Denn egal, was sich in Ittrichs Hirn abgespielt haben mag und egal, wie jung, unerfahren und abgelenkt er gewesen sein mag: Die Annahme, ihm sei diese Regel zu diesem Zeitpunkt entfallen, ist völlig abwegig. Er hat in diesem Moment keinen Gedanken daran verschwendet, weil er kein Problem bemerkt hat (und übrigens auch niemand aus seinem Team – und wohl auch keiner der Spieler). Nicht mehr und nicht weniger. Genau dies wird er wahrheitsgemäß zu Protokoll geben und genau damit ist ein Wiederholungsspiel halt ausgeschlossen. Kann er ja nun nichts für. Diesen jungen Schiedsrichter deswegen jetzt mit fein am Rande der Falschbehauptung entlang tänzelnden Andeutungen in die Richtung einer sich sowieso immer alles zurecht biegenden Verschwörung im Schiedsrichterwesen des DFB (nicht, dass ich Verschwörungen im DFB ansonsten ausschließen würde) zu reden, das empfinde ich als ernsthaft unredlich. Wer mag, der darf jetzt übrigens noch die “Er hat damals Rafati gefunden”-Keule schwingen. Ich halte dies nicht für nötig – für völlig falsch aber auch nicht.

    Ist es ein Skandal des Videobeweises?

    Kurze Frage, kurze Antwort: Nein. Gäbe es den Videobeweis nicht und wäre dieser Hinweis (“Kein Stürmerfoul!”) statt vom VAR z.B. über Funk vom vierten Offiziellen gekommen, dann wäre exakt das selbe Prozedere abgespult worden und Ittrich hätte exakt genauso wenig drüber nachgedacht, ob die Szene vielleicht unabhängig davon von ihm schon abgepfiffen wurde. Auch hier wieder: Ja, der Satz “Ohne den Videobeweis wäre dieses irreguläre Tor nicht gegeben worden” ist objektiv richtig. Aber ist dies ein Problem des Videobeweises? Würden wir bei meinem obigen Gegenbeispiel darüber diskutieren, den vierten Offiziellen abzuschaffen? Der VAR hat einen Fehler korrigiert und einen zweiten Fehler nicht bemerkt, nicht thematisiert und konnte dies wohl auch nicht. Trotzdem hat er doch erst einmal einen Fehler korrigiert. Das ist doch erst einmal etwas gutes. Wenn ich es schaffe, vor einem auf die Straße laufenden Kind gerade noch zu bremsen und hinter mir kachelt deswegen einer rein und dadurch sterben zwei Kinder – schaffen wir dann Bremsen ab?

    Wobei man darüber reden kann, warum Brych als VAR diese zusätzliche Problematik nicht bewertet hat und wohl auch nicht bewerten konnte. Wenn ich dies am Rande richtig mitbekommen habe, ging dies schon deswegen nicht, weil er in Köln zwar Bild, aber keinen Ton hatte. Damit ist er nicht nur selber aus dem Schneider, sondern auch das Konzept VAR an sich. Denn mal ganz im Ernst: Völlig egal, wie wir das bewerten, dass er Bild ohne Ton hatte – ist ein VAR mit Bild ohne Ton ein Vorteil gegenüber gar keinem VAR oder nicht? Ich denke, die Antwort ist klar.

    Zumal ich unabhängig davon aus den oben erwähnten subjektiven Gründen davon ausgehe, dass auch einem Brych mit Ton diese Problematik nicht aufgefallen wäre. Und selbst das wäre dann halt so. Wenn zwei Augenpaare auf eine Situation schauen und beide zusammen dem einen Problem Herr werden, dem anderen aber nicht, dann empfinde ich dies als Vorteil. Selbst wenn es in einem solch absurden Beispiel wie heute zu einem unter dem Strich falschen Ergebnis führt. Solch absurde Beispiele sind ja nicht die Regel, sondern absurd. In aller Regel sollte es von Vorteil sein, wenn nicht alle, aber einige Fehler ausgeglichen werden.

    Trotzdem kann man ja mal unabhängig von dieser konkreten Situation darüber nachdenken, warum Brych wohl keinen Ton hatte. Und damit kommen wir zu dem einen Punkt, den ich tatsächlich kritikwürdig – und meinetwegen auch als Skandal zu bezeichnen – finde: Warum sitzt der in Köln? Man hat mir ja mehrfach schon meine vor der Saison geäußerte Zuversicht über die Praxis des Videobeweises im DFB um die Ohren gehauen. Allerdings möchte ich dann doch zu meiner Verteidigung anführen, dass bei sämtlichen Feldversuchen, die nach meiner Beobachtung zur Zufriedenheit aller Beteiligten verliefen, VAR und Video-Operatoren in einem gesonderten Ü-Wagen neben dem Stadion saßen. Warum hat man das denn bitte nicht erstmal einfach so weiter geführt?

    Ich meine, ich kann mir natürlich ausmalen, welche positiven Effekte (u.a. finanzieller Natur) man sich davon erhofft. Aber warum nicht erst einmal das nutzen, was erwiesenermaßen funktioniert, bevor man sich völlig unnötig diese weitere Baustelle aufreißt? Das ist doch völlig hirnrissig.

    Und erinnert, um mal den Bogen weit weg zu schlagen, an so manchen (Streaming-) Dienstleister der letzten Jahre, der unbedingt direkt mal alles ausrollen musste, was auf dem Datenblatt stand. Statt sich erstmal auf das zu beschränken, was funktioniert und dies Stück für Stück zu verbessern. Da, und genau da sollte man draufhauen. Da haue ich dann auch gerne mit.

    Ende Textwüste.

    Wie gesagt, ich transportiere da Meinungen. Aber die sind mir im Einzelnen gar nicht so wichtig. Wichtig ist mir, die Gesprächsthemen voneinander
    zu trennen.

  16. Gute Gedanken, Sternburg.

    Falls der Eindruck entstanden ist, ich würde Ittrich unterstellen, wider besseren Wissens zu sagen, er habe geglaubt, der Bäll wäre falsch, dann ist er falsch. Ich bin ziemlich sicher, er war sich sicher, dass der Ball im Tor war, sonst hätte er auf VAR verzichtet.

  17. Hallo Herr Feuerherdt,

    mit Interesse habe ich Ihren Auftrittt in der Rasenfunk-SK zum VAR gehört und mich etwas was verwundert (wie allgemein die dt. Medien) gelesen, wieso im Spiel Köln gegen Frankfurt der Elfmeter als „zweifelhaft“ bzezeichnet wird.

    Da ich in Kanada lebe (und somit auf den Internationalen Feed (i.d.R von der gegenüberliegenden Seite abgefilmt) angewiesen bin), bin ich aus diesem Grund verwundert, weil der Internationale Kommentar den Elfmeter als berechtigt bzw. als zwingend bezeichnet hat.

    Schaut man sich die Bilder genau an, läuft Gacinovic alleine auf Horn zu. Es gibt keine Diskussion, dass Horn den Ball spielt bzw. berührt. Jetzt rutscht der Ball an Horn vorbei Richtung Torauslinie und es kommt zum Kontakt von Horns ausgefahrener Sohle mit Gacinovics Ferse, während Gacinovic versucht an Horn vorbei zu kommen. Natürlich ist der Kontakt minimal, allerdings hat er in dieser Situation große Wirkung, weil der Stürmer behindert wird den Ball zu spielen.

    Daraufhin kommt Gacinovic ins Straucheln und kommt nicht zum Torabschluß. Für mich persönlich ist die Entscheidung von Herrn Petersen mindestens nachvollziehbar (Fahrlässiges Verhalten im Strafraum gemäß Regel 12). Aus diesem Grund gab es ja auch keine Gelbe Karte. Zumal Herr Petersen ja auch einen perfekten Blick hat (gut zu sehen im Internationalen TV Feed) und auch einen Moment zögert (ggf. um Rückmeldung vom SRA auf die Frage, ob der Stürmer noch eine Chance gehabt hätte den Ball zu spielen) eher auf den Punkt zeigt.

    Gut Pfiff und viele Grüße aus dem schönen Kanada,

    sunny2k1

    • Vielen herzlichen Dank für das Statement aus Übersee!
      Es ist in der Tat ein verbreiteter Irrglaube, dass schon die kleinste Berührung des Balles in solchen Zweikämpfen genügt, um einen Strafstoß hinfällig werden zu lassen. Dem ist selbstverständlich nicht so. Umgekehrt ist ein Kontakt mit dem Angreifer nach dem Spielen des Balles aber natürlich auch nicht in jedem Fall strafbar. Im Falle des erwähnten Spiels sehe ich es so, dass Horns Einsatz riskant war, aber in erster Linie dem Ball galt, der auch deutlich zuerst getroffen wurde. Deshalb wäre es nach meinem Dafürhalten die bessere Entscheidung gewesen, weiterspielen zu lassen. Ein Elfmeterpfiff war aber aus den von Ihnen genannten Gründen auch kein klarer Fehler, und deshalb entsprach es den Regularien, dass der Video-Assistent nicht eingriff.
      Beste Grüße nach Kanada!

    • Mal so außer der Reihe (und etwas anmaßend): Respekt an sunny2k1 (Grüße) für diese aus meiner Sicht hervorragend klar, fair und verständlich formulierte Frage. Gut, die Fairness mag als Eintracht-Fan in diesem Fall nicht schwer fallen, aber trotzdem.

      Ich hab das schon mal gesagt und es wird vielleicht auch langweilig (zumal mir das im Grunde ja auch gar nicht zusteht). Aber was Ihr Euch hier in Eurer Kommentarspalte für eine wunderschöne Ecke des deutschsprachigen Internets herangezüchtet habt, das kann man nicht oft genug loben. Denn das ist kein Zufall. Das ist direktes Ergebnis Eurer Arbeit.

      Und das ist – gerade bei einem so kontroversen Thema – ganz sicher nicht selbstverständlich.

      Zur Wiedervorlage gedacht immer dann, wenn sich der feine Herr Feuerherdt mal wieder in 140-Zeichen-Diskussionen mit irgendwelchen Halbgestörten auf Twitter verirrt (gepriesen – und mit Besorgnis betrachtet – sei seine Ausdauer).

  18. Vielleicht bin ich es einfach vom Eishockey zu sehr gewohnt. Aber auch bei dem Elfer für die Bayern gegen Wolfsburg sehe ich den allenthalben beschriebenen Skandal nicht, dies nicht als klare Fehlentscheidung zu werten.

    Tisserand drückt Lewandowski runter, während dieser ohnehin schon in Rücklage ist und Lewandowski verliert daraufhin das Gleichgewicht. Jetzt mal dahingestellt, ob Lewandowski da so leicht fallen muss – das soll man nicht als Elfmeter pfeifen. Aber man kann.

    Wird in der späteren Auswertung sicher als Dingerts Fehler behandelt. Aber eine glasklarer Fehlentscheidung, also eine unter gar keinen denkbaren Gesichtspunkten vertretbare Entscheidung, die ausschließlich auf einem Wahrnehmungsfehler oder Regelunkenntnis beruhen kann – das etwas anderes.

    • So sehe ich das auch. Ein schönes Beispiel dafür, dass es beim Videobeweis nicht um die Frage geht, ob eine Entscheidung richtig ist (oder eine andere besser wäre), sondern vielmehr darum, ob sie klar falsch ist. Besser wäre es hier gewesen, weiterspielen zu lassen, aber glasklar falsch war der Elfmeterpfiff sicherlich nicht. Und deshalb gab es für den Video-Assistenten keinen Anlass für einen Eingriff.

  19. Eine Wortmeldung aus der Datzen-Zusammenfassung von Augsburg – Dortmund:

    Das 0:1 schiebt Jarmolemko den Ball Finnbogason durch die Arme. Jetzt mal gesetzt den Fall, man würde darin die eindeutige Absicht erkennen, den Ball absichtlich in Torhütermanier mit der Hand zu klären (tue ich nicht, nur für die Frage), was ja bei Erfolg eindeutig einen Platzverweis zur Folge hätte. Könnte man ihn dann für den Versuch – neben dem Strafstoß – persönlich belangen? Mir ist natürlich klar, dass versuchtes Handspiel an sich von den Regeln her nicht strafbar ist. Andererseits wird mit der roten Karte für das absichtliche Handspiel in Torhütermanier, um ein Tor zu verhindern, dieses an sich „nur“ verwarnungswürdige Vergehen in den Rang einer groben Unsportlichkeit erhoben. Könnte man ihn mit diesem Gedanken für den bloßen Versuch als Minus dessen für eine einfache Unsportlichkeit verwarnen?

    Mein Gefühl sagt „nein“. Die Regeln sind insoweit aus meiner Sicht abschließend. Aber ich sehe – wie gesagt – Argumente für die gegenteilige Antwort.

    Zumal es eine ganz gut passende Wertungs-Analogie zum Beinstellen als „Notbremse“ im Strafraum ergäbe: Wenn derjenige, der wegen des verhängten Strafstoßes dafür, dass er sich beim Beinstellen zumindest halbwegs bemüht hat, fair zu spielen („Kampf um den Ball“), damit belohnt wird, dass er von roter Karte auf gelbe Karte herunter gestuft wird – sollte man dann denjenigen, der sich keineswegs bemüht hat, fair zu spielen dafür, dass er in Torhütermanier Hand spielen wollte aber einfach keine Erfolg damit hatte (und nicht mal einen Strafstoß verwirkt) wirklich von roter Karte auf gar nichts herabstufen?

    Sich aufdrängendes Gegen-Gegen-Argument: Beim Beinstellen ist der Versuch strafbar. Beim Handspiel nicht. Punkt.

    Es kann also sein, dass ich mich mit der Frage total lächerlich mache. Aber ich finde sie spannend.

    Und kann das sein, dass wir von Finnbogason nach seiner Chance in der Nachspielzeit (wo er von zwei Dortmundern eingeklemmt wurde – aus meiner Sicht völlig fair und hat auch niemand thematisiert) in der Bundesliga die erste random Reklamiergeste im Vorbeigehen mit Griff zum Ohr („…willste Dir das nicht wenigstens nochmal anhören?“) gesehen haben? Ob das der neue Reklamierarm wird?

    • Da muss man die Regeln glücklicherweise mal nicht interpretieren. In ihnen heißt es, dass ein Spieler zu verwarnen ist, wenn er »ein Handspiel begeht, um ein Tor zu erzielen (egal ob erfolgreich oder nicht), oder erfolglos versucht, ein Tor zu verhindern«. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass man das Handspiel als absichtliches, also strafbares bewertet (was ich, wie du, bei Finnbogason nicht tue).

      Das grundsätzlich nicht strafbare versuchte Handspiel bezieht sich auf die Situation, in der ein Spieler mit der Hand zum Ball geht, ihn aber gar nicht berührt. In einem solchen Fall unternimmt der Schiedsrichter nichts, auch dann nicht, wenn durch diesen Versuch ein Gegner beeinflusst wird.

  20. Ich möchte gerne über den durch Videobeweis zurück genommenen Elfer heute bei Stuttgart – Köln reden [in Teilen schamloses Selbstzitat].

    Zunächst ein Wort über meinen mal wieder extrem unzureichenden Kenntnisstand: Ich habe mir bloß eine kurze Zusammenfassung auf Datzen angeschaut. Und aus dritter Hand wurde mir zugetragen, was Stöger im Nachspiel-Interview dazu gesagt hat. Danach stellt sich dies für mich wie folgt dar:

    HSR pfeift einen Strafstoß. Objektiv könnte man den geben, aber man sollte es wirklich nicht. Verbindung zum VAR nach Köln kommt zu keinem klaren Schluss, der HSR schaut sich dies auf „Nr. 5 lebt“ an und nimmt daraufhin die Entscheidung zurück. Stöger beschwert sich später, dies sei keine klare Fehlentscheidung gewesen und verbittet sich, sich diese Kritik mit dem Hinweis, es sei aber doch nun wirklich kein Elfer gewesen, aus der Hand nehmen zu lassen.

    Ich möchte gerne wieder das Spiel spielen „Egal, ob mein Eindruck stimmt, lasst uns doch mal so tun – denn er führt zu interessanten Fragen“.

    Kann es sein, dass Stöger – als vielleicht erster in seinem Metier – die Regelungen a) verstanden hat und b) nichts weiter tut, als auf ihre korrekte Anwendung zu pochen?

    Und zur Entscheidung: Ich finde sie falsch. Ist im besten Fall ein sehr enger Grenzfall des Begriffs “klare Fehlentscheidung” in meinen Augen. Mein Gefühl ist mittlerweile: Die Letztentscheidung auch über diesen einen Aspekt dem HSR anzuvertrauen war ein Fehler. Menschen neigen letztlich wohl selbst auf dieser Ebene dazu, ihre Fehler ungeschehen machen zu wollen. Und lassen dies in ihre Entscheidungsfindung einfließen. Menschlich verständlich. Aber falsch.

    Dazu passt mein Empfinden des Ablaufs. Man steckt nicht drinnen, aber ich bin mir fast sicher, die Kommunikation lief in etwa wie folgt ab:

    VAR: „Berührung liegt vor… auch ziemlich unbeholfen… aber das ist kein Elfmeter. Sollte man so nicht pfeifen, sage ich. Gleichwohl, Entscheidung noch vertretbar. Also keine klare Fehlentscheidung. Meine Empfehlung: Strafstoß bleibt bestehen.“

    HSR: „WTF? Was jetzt? Falsch oder richtig?“

    VAR: „Eher falsch. Aber nicht eindeutig. Kein Fall für die Rücknahme:“

    HSR: „Inwiefern? Das musst Du mir genauer erklären.“

    VAR: „Nun… [Ausführungen]“.

    HSR: „Moment! Noch mal. Wie war das nochmal, wie ist er da rein gegangen?“

    VAR: „[Ausführungen]“

    HSR: „Warte, warte, warte! Das wird so nichts. Dafür haben wir keine Zeit. Ich glaube, ich schaue mir das einfach selber an.“

    HSR (schaut an)

    HSR (in Gedanken): „Mist. Das war falsch. Ein Glück, dass ich das noch zurücknehmen kann.“

    Ich glaube, ich erwähnte es bereits: In Reaktion auf die Häme bezüglich der Erfahrungen mit dem Videobeweis beim Confetti Cup hatte ich mich – eingedenk der Erfahrungen aus den Testläufen des DFB – ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt und angesagt, dies werde in der Bundesliga ganz, ganz anders laufen. Unter anderem verstieg ich mich in die Behauptung, wir würden in der gesamten Saison nicht ein einziges Mal erleben, dass der HSR sich das Video selber anschaut. Dies wurde mir bereits mannigfaltig um die Ohren gehauen.

    Trotzdem stehe ich noch immer zu dieser Einschätzung. Weil ich finde, genau dies ist ein Symptom dafür, dass mit der konkreten Umsetzung des Videobeweises in der Bundesliga nicht nur etwas schief läuft, sondern dass man hinter die Standards aus den Probeläufen zurück fällt. Und dies nicht aus den völlig erwartbaren, logischen und aushaltbaren Kriterien wie „das muss sich erst einspielen“ oder „da muss erst eine Linie gefunden werden – wie soll das gehen, wenn nicht durch Einzelbeispiele?“ Sondern durch mangelndes Selbstvertrauen in das Grundkonzept. Ich finde nämlich, der HSR sollte den Einschätzungen des VAR vertrauen. Und er sollte sich die Situation nur dann selber anschauen, wenn sie so kompliziert ist, dass der VAR dies in der gebotenen Kürze verbal nicht sinnvoll darstellen kann und/oder der VAR sie so absurd findet, dass er die Entscheidung ungern allein treffen möchte (ich kann mir solche Situationen vorstellen – diese gehört nicht dazu).

    Und insbesondere finde ich, die Entscheidung über die Grundsatzfrage „klare Fehlentscheidung oder vertretbare Fehlentscheidung“ sollte er in aller Regel immer beim VAR belassen. Weil sie dort strukturell besser aufgehoben ist. Denn der VAR ist wahrscheinlich der einzige Beteiligte, der diese Entscheidung ohne eigene Emotion treffen kann.

    Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, dass der HSR formal das Recht hat, auch in dieser Frage den VAR zu überstimmen. Denn der HSR muss sie letztlich auf dem Platz und darüber hinaus vertreten. Aber ich wünsche mir, dass jeder HSR, der dies tut, nach dem Spiel seinem VAR ins Gesicht sagen muss: „Ich habe Dir nicht zugetraut, diese Frage objektiv zu beantworten.“ Ich denke, dadurch regelte sich das ganz schnell ein.

    [dies hat sich offensichtlich damit überschnitten, dass Eure nächste Folge bereits aufgenommen, aber noch nicht veröffentlicht ist. Inhaltlich gehört dies dann natürlich eher unter diese nächste Folge als höflicher Themenvorschlag für die übernächste Folge. Würdet Ihr dies also später dorthin verschieben, dann wäre ich nicht böse.]

  21. Noch eine Bemerkung anlässlich dieses zurück genommenen Elfers heute bei Stuttgart – Köln:

    Mir wurde zugetragen, die längliche Behandlung des Videobeweises sei über seinen vollen Zeitraum davon geprägt gewesen, dass die Spieler beider Mannschaften auf den Schiedsrichter einlaberten.

    Empört zugetragen (ich muss nicht extra festhalten, dass ich diese Empörung teile). Eine Empörung, die in folgender Bemerkung gipfelte:

    „Eine schnelle Hilfe wäre vielleicht, wenn der Schiri ähnlich wie beim Freistoß mit dem Spray einen Kreis o.ä. zieht, den kein Spieler betreten darf. Wer das macht oder die gesprühte Linie übertritt, bekommt gelb.“

    Ich will jetzt gar nicht darüber reden, wie unfassbar lächerlich ich diese Idee finde, sobald ich mir das bildhaft vorstelle. Worüber ich reden möchte ist, dass die Bemerkung zunächst mal völlig legitim wirkt. Was bitte ist mit einer Sportart los, wenn die Menschen, die sie lieben, auf solche Gedanken kommen?

    Und natürlich kann man das an die Spieler, die Fans und die allgemeine Kultur der Sportart adressieren. Aber ich adressiere das einfach mal an die Schiedsrichter: Warum werft Ihr in solchen Fällen nicht mal kurz mit ein, zwei gelben Karten um Euch? Und zwar immer und konsequent (Ihr dürft ja gerne taktisch im Hinterkopf behalten, wer schon verwarnt ist)? Klar, kurzfristig gibt das eher noch ein weiteres Boulevard-Thema und das Stadion gewinnt man so auch nicht unbedingt. Aber nach wenigen Gelegenheiten ist Ruhe im Schiff. Die Spieler sind doch nicht bescheuert (meine Güte, wir haben 2017). Wenn die wissen, dass sich die Konsequenz nicht lohnt, dann werden die das lassen. So einfach ist das.

  22. Hallo zusammen,
    ich hätte einmal eine Anmerkung zu Ribbi und Bibbi… oder so…

    Ich bin mir nicht sicher ob eure Einordnung dieses Geschehens (welche sich ja offensichtlich mit der der DFB SR und des DFB im allgemeinen deckt) so sinnvoll ist.
    Also, dass das ja alles Spaß sei und man da drüber stehen muss.

    Ihr hattet in einer eurer ersten Sendungen mal einen Schiedsrichterin zu Gast. Es ging unter anderen auch darum, dass der nach dem Spiel die Schuhe geklaut wurden. Ich krieg es nicht mehr ganz zusammen aber ich meine die musste dann Barfuß in die Vereinskneipe, alle haben gelacht und sie hat die wieder bekommen.
    In einer weiteren Folge habt ihr das Urteil der Spruchkammer zu diesen Geschehen besprochen. Ich meine die Entscheidung war maximal sehr milde und die Begründung in etwa genau so wie eure Einschätzung dieser Ribbi/Bibbi Szene oder auch zu der Gelben Karte des Schalke Maskottchens gegen einen Schiri nach dem Spiel.
    Wo ist da der Unterschied?
    Warum kritisiert ihr Entscheidung auf Amateurebene, tragt aber eine ähnliche auch Profi Ebene mit?

    Das können Spieler und Sky-Vorberichtszuschauer auch alles gerne witzig finde. Hier werden Schiedsrichter in aller Öffentlichkeit verarscht. Und weil alle lachen muss man mitlachen.
    Was hat das für eine Außenwirkung auf die Amateurbereiche?

    Ich war ja lange Handballschiedsrichter auf Amateurniveau. Wenn da auch nur einer auf die Idee gekommen wäre mir die Schnürsenkel zusammenzubinden der wer mit Rot vom Platz geflogen und der Bericht mit Sicherheit so formuliert worden dass der n paar Wochen zuschauen darf. Und das wär von allen Instanzen mitgetragen worden.
    In der Zeitung lese ich heute, dass im Fußballkreis Arnsberg an diesem WE alle Spiele abgesagt werden weil die Gewalt gegen Schiedsrichter zuletzt zu groß geworden ist.
    Jetzt frage ich mich wo fängt das an? Und was begünstigt so etwas?
    Und frage mich, warum ist mir das im Handball nie passiert? Warum würde ich nach Handballmaßstäben fast jedes Fußballspiel nach 10 Minuten abbrechen müssen weil zu viele Spieler mit rot vom Platz sind?

    Ich freue mich da über eure Meinung.

    Grüße!

    • Die Schiedsrichterin, die wir im Podcast interviewt haben, hatte schon im besagten Spiel eine sehr unangenehme Konfrontation zu überstehen, als ihr ein Spieler die Karte aus der Hand riss und sie zu zerstören versuchte. Die Demütigung mit den versteckten Schuhen kam hinzu. In dieser Partie wollten es beide Mannschaften erkennbar nicht akzeptieren, dass das Spiel von einer Frau geleitet wird. Die Aktionen ihr gegenüber waren bösartig (und selbst bei allerbestem Willen nicht als Spaß zu verstehen), der Handlungsspielraum der Kollegin lag bei null.

      Bei Bibiana Steinhaus lag der Fall etwas anders. Es gab in ihrem Pokalspiel keinerlei Akzeptanzproblem, die Schiedsrichterin war schlicht kein Thema. Vor diesem Hintergrund hatte sie die Möglichkeit, Ribérys Aktion – beim Stand von 3:0 für Bayern in einem Spiel ohne jede Schwierigkeit für die Unparteiische – nicht als bösartig, sondern als dämlichen Scherz aufzufassen und entsprechend damit umzugehen. Das hat sie getan, nicht ohne im »Sportstudio« klar und deutlich zu sagen, dass der Nächste, der ihr auf diese Art und Weise kommt, nicht bloß eine Ermahnung zu gewärtigen hat.

      Ich kann es verstehen, wenn du da keinen Unterschied im Umgang machen willst. Und ich hätte es auch vollkommen verstanden, wenn Bibiana Steinhaus anders, nämlich rigoros reagiert hätte. Dass sie es nicht getan, sondern die Angelegenheit kraft ihrer Persönlichkeit geregelt hat, fand ich bemerkens- und bewundernswert. Die Kollegin im Amateurspiel hatte diese Option gar nicht erst.

      • Ich finde du machst es dir da etwas einfach, Alex.
        ich hatte die Situation der Schiedsrichterin wie ich schon schrieb nicht mehr richtig im Kopf. Und ich geb dir recht, das ist wenn man genau drauf schaut nicht zu vergleichen.
        Aber meine Frage ist eben, wo hört Spaß auf, wo fängt Ernst an?
        Und ich bezweilfe ganz massiv das man da so eine harte grenze ziehen kann wie du das hier machst und sagst das hätte nichts miteinander zu tun.
        Du bist aber nicht der Alex, bei dem ich mir sorgen mache dass er in der Buli was sieht und meint er könne sich auf Asche nun genau so benehmen.

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