CE085 Fallmuster


In der Slowakei fällt ein Spieler vor der Schiedsrichter-Assistentin auf die Knie, in der Bundesliga fallen sie reihenweise im Strafraum um. Als Schiedsrichter ist es dabei bisweilen hilfreich (manchmal aber auch irreführend), gewisse Muster zu erkennen. Zudem sprechen wir über die Frage, ob das Kneifen eine Form der Tätlichkeit ist, ob der »Selfie-Jubel« mit der Gelben Karte bestraft werden muss und ob es zu viel verlangt ist, von den Trainern zivilisatorische Mindeststandards zu erwarten. Außerdem klären wir einen Weltmeister über eine gar nicht mehr so neue Regel auf.
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Klaas Reese
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Alex Feuerherdt

Musik: Tha Silent Partner – P Pulsar (Album Version)

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Links: »11 Freunde« über eine Romanze in der fünften slowakischen Liga — Die »Deutsche Welle« porträtiert den syrischen Schiedsrichter Ammar Sahar — Die »Süddeutsche Zeitung« porträtiert den syrischen Schiedsrichter Hamdi Al-Kadri — Die Ankündigung der Veranstaltung »Der Schiedsrichter im Sportrecht« an der Uni Köln — Das offizielle Regelheft des DFB — Die Kolumnen von Collinas Erben auf n-tv.de — Collinas Erben bei Twitter und bei Facebook

Kapitelmarken: Diesmal leider nur manuell. 0:00 Hinweis in eigener Sache — 1:05 Intro: Rudi Völler zur »Foul-Debatte« — 2:00 Kurioses und Bemerkenswertes rund um die Schiedsrichterei — 13:00 Bundesliga, Spieltage 5 bis 10 (Hamburg – München, Dortmund – Freiburg, Darmstadt – Bremen, Freiburg – Frankfurt, Dortmund – Berlin, Mönchengladbach – Hamburg, Köln – Ingolstadt, Mainz – Darmstadt, München – Mönchengladbach, Leverkusen – Hoffenheim, Dortmund – Schalke, Köln – Hamburg, Berlin – Mönchengladbach) — 2:11:00 Fragen und Anmerkungen von Hörern — 2:16:30 DFB-Pokal und Widmung

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43 Kommentare » Schreibe einen Kommentar

  1. Höre gerade eure Diskussion über den Vorschlag „Handspiel erlauben“ :)
    Ist klar dass das nix ändern wird, aber ein wenig drüber nachdenken macht Spaß!

    Ich glaube ein Punkt warum Handspiel im Strafraum immer eine so große Diskussion ist, ist auch, weil der Unterschied des Strafmaßes so riesig ist – Weiterlaufen lassen gegenüber hohe Torwahrscheinlichkeit.
    Vielleicht wäre es ja dann eine gute Idee zu sagen, Handspiel ist immer strafbar, aber unabsichtliches Handspiel ergibt nur einen indirekten Freistoß. Gäbe auch dem Videoschiedsrichter Zeit zu entscheiden. Gibt zwar immer noch ne Diskussion, aber ich vermute die Gemüter kochen nicht ganz so hoch.

    • Das würde doch trotzdem dazu führen, dass man nur noch versucht, dem Gegner an die Hand zu schiessen? Ich glaub schon, dass ein indirekter Freistoss (sofern man die dann auch tatsächlich trainieren würde) keine schlechtere Erfolgschance hat als die Strafecke beim Hockey. Dazu kommt noch, dass dann der Schiedsrichter die Frage „Hand oder nicht Hand“ immer entscheiden muss, was er aktuell (bei unabsichtlich) nicht muss.

  2. Juhui, endlich wieder ein Folge! Ihr seit echt genial!
    Könnt ihr bitte das Rekordkartenspiel Portugal – Holland aus der WM 2006 mit 16 gelben und 4 roten Karten einmal aufarbeiten?
    Was ist da schiefgelaufen? Viele Karten scheinen da gerechtfertigt, einige aber auch übertrieben.
    (Wenigstens hat der Schiri seine Linie durchgezogen ;) ). Interessiert mich sehr, das aus eurer Perspektive zu hören!
    Liebe Grüsse aus der Schweiz

  3. Yay, endlich wieder da.
    Mal wieder eine sehr unterhaltsame Folge.

    Ich hoffe Alex hatte viel Spaß in göttingen.
    Es sei dir versichert, die Bahn kann noch schlimmer :D

  4. Liebe Erbengemeinde,

    könntet ihr bitte bei Gelegenheit noch einmal erläutern, nach welchen Kriterien das Gespann über die Länge der Nachspielzeit entscheidet? Mich würde auch interessieren, welche dieser Kriterien unter der Rubrik „kann“ und welche unter der Rubrik „muss“ geführt werden. Wer trifft die abschließende Entscheidung?

    Als Beispiel sei das Spiel vom vergangenen Spieltag Augsburg gegen Hertha genommen, bei der es in HZ2 zu einem schweren Zusammenprall zwischen dem Augsburger Hinteregger und dem Berliner Ibišević kam, in dessen Folge beide Spieler zu Boden gingen und behandelt werden mussten. Bei Hinteregger kam es zu einem Nasenbeinbruch. Die starke Blutung musste auf dem Platz gestillt werden. Bis das Spiel fortgesetzt werden konnte, verging eine geraume Zeit, mindestens jedoch zwei Minuten.

    Trotzdem entschied sich der SR, die Partie unmittelbar mit Ablauf der regulären Spielzeit zu beenden, ohne eine einzige Sekunde nachspielen zu lassen. Wie könnte der Entscheidungsprozess des Gespanns aus eurer Sicht ausgesehen haben?

    Grüße
    Henry

    • Was die Kriterien betrifft, gibt ein Blick in die Regel 7 (Dauer des Spiels) Aufschluss. Dort heißt es:

      »Der Schiedsrichter bestimmt in jeder Halbzeit die Nachspielzeit, um die Zeit zu kompensieren, die durch folgende Ereignisse verloren ging:
      — Auswechslungen
      — Untersuchung und/oder Abtransport von verletzten Spielern
      — Zeitschinden
      — Disziplinarmaßnahmen
      — Trinkpausen oder Pausen aus sonstigen medizinischen Gründen, die gemäß Wettbewerbsbestimmungen zulässig sind oder
      — sämtliche sonstigen Gründe, einschließlich etwaiger Verzögerungen bei der Spielfortsetzung (z. B. beim Torjubel).«

      In der Praxis ist es so, dass Auswechslungen, Disziplinarmaßnahmen und der Torjubel nur dann zu einer Nachspielzeit führen, wenn sie erkennbar länger als üblich (und nötig) dauern. Verletzungspausen dagegen sollen eigentlich konsequent nachgespielt werden. Warum das in dem von dir genannten Spiel nicht der Fall war, vermag ich nicht zu sagen. Mit der Festlegung der Nachspielzeit (oder dem Verzicht auf sie) trifft der Schiedsrichter aber eine Tatsachenentscheidung, die nicht anfechtbar ist.

  5. Vielen Dank für eine erneut sehr unterhaltsame und lehrreiche Folge.

    Eine Regelfrage ist mir aber noch gekommen:
    Wie ist es zu beurteilen, wenn ein Verteidiger in eine Hereingabe noch hineingrätscht (und so möglicherweise ein Eigentor erzielt) um zu verhindern, dass der Ball zu dem im Abseits stehenden Angreifer kommt? Ist das noch passives Abseits oder ist er alleine durch seine Position und die Tatsache, dass er den Verteidiger zum Handeln gezwungen hat schon aktiv geworden?
    Es gab vorletzte Woche beim Spiel Arsenal-Tottenham ein Eigentor des Tottenham-Verteidigers Wimmer, das ähnlich ablief, da ging Wimmer per Kopf noch an den Ball, um vor zwei im Abseits stehenden Angreifern zu retten, traf mit seinem Klärungsversuch dann aber das Tor. Das Tor wurde gegeben, ist das eurer Auffassung nach korrekt?

    • Die Position und die Tatsache, dass ein Verteidiger eingreift, damit der Ball nicht zu einem (im Abseits befindlichen) Stürmer gelangt, sind für sich genommen noch keine hinreichenden Gründe, um auf strafbares Abseits zu entscheiden. Der betreffende Angreifer muss den Verteidiger schon dahingehend beeinträchtigen, dass er dessen Möglichkeit, den Ball zu spielen oder spielen zu können, erkennbar beeinflusst – etwa dadurch, dass er selbst zum Ball geht oder den Abwehrspieler behindert. Sofern er nur lauert – womöglich auch noch in einigem Abstand –, wäre nicht auf Abseits zu entscheiden.

      Im Fall von Wimmers Eigentor hätte aus meiner Sicht allerdings auf Abseits erkannt werden müssen. Denn beide Angreifer gingen mit zum Ball und waren in unmittelbarer Nähe zu Wimmer positioniert, der eine davon streckte sogar kurz seinen Arm in Wimmers Richtung aus. Das genügt an sich, um von einer Beeinträchtigung zu sprechen.

  6. Danke für die Erwähnung meines Kommentars im Podcast. Und weil’s so schön war, muss ich direkt nochmal mit Rafati um die Ecke kommen… Szene 6 in dieser Übersicht ist dieses Mal mein Stein des Anstoßes:
    http://www.liga3-online.de/strittige-szenen-am-15-spieltag-die-analyse-von-babak-rafati-2/

    Im Wesentlichen dreht sich meine Frage darum, wie mit einer Notbremse, bei der das Vergehen ansonsten nicht zu einem Feldverweis geführt hätte, nach einem Vorteil zu ahnden ist. Lassen wir mal außen vor, ob es sich bei der verlinkten Szene tatsächlich um eine Notbremse handelt (denn hier bin ich schon anderer Meinung als Rafati, da der Stürmer schon vor dem Foul abdreht).

    Im Falle eines Tores ist die Aussage des Regelwerks eindeutig (Regel 12, Abschnitt Vorteil): „Versuchte ein Spieler, eine offensichtliche Torchance zu verhindern, und wurde dennoch ein Tor erzielt, so wird der Spieler nur wegen unsportlichen Betragens verwarnt.“

    In dieser Szene liegt aber ein Vorteil ohne direkt anschließende Torerzielung vor. Rafati meint:
    „Wenn der Schiedsrichter hierbei auf Vorteil entscheidet, […] dann kann er seit Beginn dieser Saison, bei einer Torverhinderung nach vorangegangener Vorteilsauslegung, nachträglich eine rote Karte aussprechen, wenn anschließend der Vorteil nicht eintritt und doch kein Tor erzielt wird.“
    Das konnte ich bisher noch nicht aus den Regeln herauslesen. Also mal nachschlagen… Vor dem oben bereits zitierten Satz heißt es:
    „Wenn der Schiedsrichter bei einem verwarnungs-/feldverweiswürdigen Vergehen auf Vorteil entscheidet, muss die fällige Verwarnung/der fällige Feldverweis bei der nächsten Spielunterbrechung ausgesprochen werden.“
    Wortwörtlich genommen muss ich also nun nach jedem taktischen, ansonsten aber fahrlässigen Foul zwingend gelb zeigen. Und eben nach einer Notbremse immer rot, auch wenn ich einen Vorteil gegeben habe. Vor allem letzteres würde es für mich als SR wahrscheinlich einfacher machen, da ich viel leichter das Spiel laufen lassen kann, abwarten ob ein Tor fällt, und wenn dies nicht der Fall ist, immer noch Rot geben kann.

    Beide von mir zitierten Sätze des neuen Regelwerks sind im Übrigen nicht optisch so hervorgehoben, wie es Änderungen sind. Demnach sollte sich an dieser Auslegung nichts geändert haben. Ist das tatsächlich so?

    Im Fall der Torerzielung ist das auf Seite 93 der alten Regeln dokumentiert. Im anderen Fall wird es schwieriger. Auf Seite 28 und 31 gibt es Passagen zum Thema, die aber nicht so richtig passen:
    Der SR hat „von einer Spielunterbrechung abzusehen, wenn dies von Vorteil für dasjenige Team ist, gegen das sich das Vergehen richtete, und das ursprüngliche Vergehen zu bestrafen, wenn der erwartete Vorteil zu diesem Zeitpunkt nicht eintritt“. (Dabei interpretiere ich den zweiten Halbsatz eher so, dass der SR zwar noch abgewartet hat, aber keinen Vorteil angezeigt hat.)
    „Zieht das Vergehen einen Feldverweis nach sich, unterbricht der Schiedsrichter das Spiel und verweist den Spieler des Feldes, sofern dadurch keine Torchance vereitelt wird,“ (Auch nicht so richtig eindeutig. Es wird nicht gesagt, wie bei einer Torchance zu verfahren ist. Heißt das mittels Umkehrschluss nur, dass bei einer Torchance nicht zu unterbrechen ist? Oder dass bei einem gegebenen Vorteil kein Feldverweis zu geben ist? Oder beides?)
    Auf Seite 91 steht dann noch explizit, dass nach grobem Foulspiel oder Tätlichkei mit Vorteil rot zu zeigen ist. Umkehrschluss: Sonst nicht?

    Fazit: Nach alten Regeln ist unklar, ob rot zu geben ist. In der Praxis kann ich mich an keinen Fall erinnern, wo das getan wurde. Nach neuen Regeln klingt es so, dass nun aber rot zu geben ist. Obwohl im Regelheft suggeriert wird, dass sich nichts geändert hat.

    Bin gespannt auf andere Meinungen.

    • Wir haben das auf deinen Kommentar hin gestern Abend mit mehreren Mittelrhein-Lehrwarten diskutiert, und in die Diskussion hat sich schließlich auch unser Verbandslehrwart eingeschaltet. Ich fasse mal die Ergebnisse zusammen:

      1. Es ist leider so, dass nicht alle Änderungen im Regelwerk auch als solche gekennzeichnet sind (nämlich durch Unterstreichungen). Das war auch in der Vergangenheit schon der Fall.

      2. Die deutschsprachigen Verbände haben einen Fragenkatalog an das IFAB eingereicht, der zahlreiche Änderungs-, Ergänzungs- und Präzisierungswünsche enthält. Betroffen sind nahezu alle Regeln. Der Katalog enthält auch Fragen zum Thema »Vorteil nach feldverweiswürdigem Vergehen«, dazu zählt unter anderem exakt die von dir thematisierte Problematik.

      3. Bis auf Weiteres ist von folgender Auslegung auszugehen: Wenn ein Spieler versucht, eine offensichtliche Torchance zu verhindern, und danach trotzdem ein Tor erzielt wird, gibt es lediglich eine Verwarnung (es sei denn, das Vergehen ist als solches feldverweiswürdig, wie es z.B. bei einem groben Foulspiel der Fall ist). So steht es ja auch in der Regel 12 (du hast den entsprechenden Passus zitiert). Unmittelbar vor dieser Regelung heißt es dort: »Wenn der Schiedsrichter bei einem verwarnungs-/feldverweiswürdigen Vergehen auf Vorteil entscheidet, muss die fällige Verwarnung/der fällige Feldverweis bei der nächsten Spielunterbrechung ausgesprochen werden.« Das könnte man so interpretieren, dass ein Feldverweis verhängt werden muss, wenn trotz der Verhinderung einer offensichtlichen Torchance durch ein nicht ballbezogenes Vergehen im Strafraum (oder durch jede »Notbremse« außerhalb des Strafraums oder durch ein Handspiel) der Vorteil gewährt wird, der dann aber nicht zum Torerfolg führt. Andererseits ist es beim Vorteil ja so, dass sich das ursprüngliche Vergehen nicht ausgewirkt hat (die Torchance z.B. also letztlich nicht verhindert worden ist) und deshalb auch nicht sanktioniert wird (es sei denn, es ist per se verwarnungs- oder feldverweiswürdig – siehe oben), unabhängig davon, ob der Vorteil zum Torerfolg führt oder nicht. Deshalb lautet bei uns die Schlussfolgerung, dass hier genauso zu handeln ist wie bei einem Torerfolg, das heißt: Der Spieler wird für seinen Versuch, ein Tor oder eine offensichtliche Torchance durch ein Vergehen zu vereiteln, lediglich verwarnt. Die zitierten Formulierungen in der Regel 12 lassen aber auch eine andere Interpretation zu, deshalb ist das nicht in Stein gemeißelt; die Sache wird, wie gesagt, geklärt.

      4. Man kann Rafatis Einschätzung auch aus anderen Gründen widersprechen: Wenn man sich die Szene genau ansieht, wird man feststellen, dass der Torwart den Ball spielt und kein Foulspiel vorliegt. So hat es offenkundig auch der Schiedsrichter gesehen, denn es gibt keine Vorteilsanzeige. Somit war die Entscheidung, lediglich auf Abstoß zu entscheiden, korrekt. [Edit: Ich habe mich geirrt, was die Vorteilsanzeige betrifft. Kurz bevor der Referee aus dem Bild verschwindet, sieht man, wie er beide Arme vorstreckt, nämlich unmittelbar nach der Abgabe des Torschusses, also in dem Moment, als der Vorteil eingetreten ist. Somit hat er in der Aktion des Torwarts doch ein Foulspiel gesehen. Dass es dennoch keine Verwarnung gab, könnte daran liegen, dass der Schiedsrichter darin keine Verhinderung einer offensichtlichen Torchance erkannt hat.]

      • Inzwischen habe ich auch erfahren, wie die DFB-Lehrmeinung zu einer solchen Situation ist (unabhängig vom konkreten Fall des Drittligaspiels): Entscheidet der Schiedsrichter trotz der versuchten Verhinderung einer offensichtlichen Torchance durch ein Vergehen auf Vorteil, der dann jedoch vergeben wird, wird genau wie im Falle des Torerfolgs lediglich die Verwarnung ausgesprochen. Babak Rafati liegt mit seiner Einschätzung hier also definitiv falsch.

        • Vielen Dank für diese ausführlichen Antworten samt Recherche. Zwar war es nicht mein Hauptanliegen, aber in den Nebensätzen steckt es schließlich überall mit drin: Gehen wir weg von einer Notbremse hin zu einem „taktischen“ Foul (welches nur aufgrund der Unterbindung des aussichtsreichen Angriffs eine Verwarnung nach sich zöge), bei welchem der Vorteil gewährt wird. Nach alter Auslegung, meine ich, wäre nicht zu verwarnen. Ist hier in Zukunft trotzdem zu verwarnen? Oder verringert sich auch hier die Strafe dadurch, dass der eigentliche Grund der Verwarnung nicht mehr (zumindest nicht in vollem Umfang) gegeben ist?

          • Letztlich gilt, dass alles, was nicht ausdrücklich geändert wurde, so bleibt, wie es war. Und da es bislang keine Anweisung gibt, nach taktischen Fouls, die aufgrund des Vorteils nicht zum Tragen kommen, nun doch zu verwarnen, wird weiterhin auf die Gelbe Karte verzichtet.

    • Grundsätzlich ist es so, wie wir es gesagt haben: Das Auswechselkontingent wird erst nach dem Anstoß belastet, also wenn das Spiel läuft. In der Champions League gibt es allerdings in der Tat eine Sonderregelung, die mir auch neu war. Dort heißt es in §39 des Reglements:

      39.02 Die elf auf dem Spielblatt als Teil der Startformation gekennzeichneten Spieler (Spieler der Startformation) beginnen das Spiel, die übrigen sieben sind die Ersatzspieler. Die Rückennummern der Spieler müssen mit den auf dem Spielblatt angeführten Nummern übereinstimmen. Die Torhüter und der Mannschaftsführer müssen als solche bezeichnet sein.
      39.03 Beide Mannschaften haben das validierte Spielblatt spätestens 75 Minuten vor Spielbeginn beim Schiedsrichter einzureichen.
      39.04 Nur drei der auf dem Spielblatt aufgeführten Ersatzspieler dürfen eingesetzt werden. Ersetzte Spieler dürfen am Spiel nicht wieder teilnehmen.
      39.05 Nachdem die validierten Spielblätter von beiden Mannschaften beim Schiedsrichter eingereicht wurden, das Spiel aber noch nicht begonnen hat, ist das Ersetzen von Spielern auf dem Spielblatt nur noch in folgenden Ausnahmefällen erlaubt:
      a. Ist einer der Spieler, die auf dem Spielblatt als Spieler der Startformation aufgeführt sind, aus unvorhergesehenen Gründen körperlich nicht in der Lage, zu beginnen, darf er nur durch einen der sieben auf dem ursprünglichen Spielblatt aufgeführten Ersatzspieler ersetzt werden. Der entsprechende Ersatzspieler darf dann nur durch einen registrierten, auf dem ursprünglichen Spielblatt nicht aufgeführten Spieler ersetzt werden, so dass sich die Anzahl noch verfügbarer Ersatzspieler nicht reduziert. Während des Spiels dürfen weiterhin drei Spieler ausgewechselt werden.
      b. Sind Spieler, die auf dem Spielblatt als Ersatzspieler aufgeführt sind, aus unvorhergesehenen Gründen körperlich nicht in der Lage, eingesetzt zu werden, dürfen sie nur durch registrierte, auf dem ursprünglichen Spielblatt nicht aufgeführte Spieler ersetzt werden.
      c. Sind alle auf dem Spielblatt aufgeführten Torhüter aus unvorhergesehenen Gründen körperlich nicht in der Lage, eingesetzt zu werden, dürfen sie durch registrierte Torhüter ersetzt werden, die nicht auf dem ursprünglichen Spielblatt aufgeführt waren. Der betreffende Verein muss der UEFA-Administration auf Anfrage entsprechende Arztzeugnisse unterbreiten.

      http://de.uefa.com/MultimediaFiles/Download/Regulations/uefaorg/Regulations/02/35/87/93/2358793_DOWNLOAD.pdf

  7. Eine grundsätzliche Frage: immer öfter hört man bei Fußballübertragungen bei Foul durch einen angreifenden Spieler die Bezeichnung Offensivfoul. Ich dachte bisher, es gibt nur Foul oder Nicht- Foul, egal durch wen. Was soll denn im Fußball anders sein, ob das Foul durch einen Abwehr- oder einen Angriffsspieler gemacht wird?

    • Es gibt keinen Unterschied. Der Begriff »Offensivfoul« findet sich auch nirgendwo im Regelwerk. Ich habe ihn allerdings nie so verstanden, dass er irgendeinen Unterschied begründen soll, sondern immer nur als Synonym für ein Foul, das eben durch einen Stürmer bei einer Angriffsaktion begangen wird. Früher wurde da gerne von einem »Stürmerfoul« gesprochen, das fanden aber viele nicht gut, weil der Terminus aus dem Handball stammt.

      • Gerade deshalb finde ich eine zusätzliche Ergänzung wie offensiv oder defensiv bei einem Foul irre führend, da es keinen Unterschied gibt. In anderen Sportarten ist das teilweise so, womit ausgedrückt wird. Dass es verschiedene Fouls geben kann. Danke für die Erläuterungen.

        • Den Begriff Stürmerfoul(oder auch Offensivfoul) verstehe ich eher so, dass man damit in einer (vielleicht umstrittenen (Strafraum-)) Situation unabhängig von den aggierenden Personen/Mannschaften schnell bezeichnen kann, für wen/gegen wen entschieden wurde.

          • Das stimmt, so ist eine sofortige Zuordnung möglich. Trotzdem finde ich es irre führend, da damit tatsächlich sugeriert wird, es gäbe verschiedene Arten von Fouls im Fussball, d.h. dass bestimmte Spielerpositionen unterschiedlich agieren dürften. Das ist aber eben im Fußball nicht der Fall. Foul ist Foul (oder wenn der Schiri pfeift :-))
            ich gebe aber zu, dass ich da sehr erbsenzählerisch bin. :-)

  8. Wenn ich Euch bzw. Dich, Alex, im Podcast recht verstanden habe, hieltest Du es im Fall der zuletzt häufiger thematisierten Fouls unmittelbar nach dem Torabschluss (ggf. auch Abspiel zum Torabschluss) für einen gangbaren Weg, diese in Anlehnung an Herrn Rafatis Auslegung in der Regel nicht zu ahnden? (Brutalität, grobe Unsportlichkeit o.ä. mal außen vor.)

    Das überrascht mich, weil es für mich einem Freifahrtschein für (geschickte, klar, aber Ihr betont ja nicht zu Unrecht regelmäßig das Geschick der Spieler, Spielräume zu nutzen) kleine Frustfouls gleichkäme. Was früher „Wenn wir schon nicht gewinnen, treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt“ hieß, fände dann seine Entsprechung in „Wenn ich schon nicht mehr rankomme, gebe ich ihn wenigstens noch eine mit. Darf ich ja.“

    Pointiert, klar, und Dich vielleicht auch überinterpretierend; gleichwohl fände ich das Signal einer solchen Auslegung nicht sehr sportlich. Um nicht zu sagen verheerend.

    (Sorry, falls Ihr das hier schon ausführlich hattet.)

    • Ich bin zunächst einmal vor allem ein Freund einer funktionierenden und akzeptierten Regelpraxis. Es gibt ja so einiges im Fußball, das streng genommen nicht regelkonform ist, aber dennoch in der Praxis niemanden stört. Zwei Beispiele: 1. Wenn beim Strafstoß Spieler zu früh in den Strafraum laufen oder sich der Torwart zu früh von der Linie nach vorne bewegt, lassen die Schiedsrichter das normalerweise durchgehen, solange ein gewisser Toleranzbereich (der meist bei etwa zwei Metern liegt) nicht überschritten wird. Diese Toleranz ist weithin akzeptiert, es kommt nur ganz selten zu Protesten. 2. Eigentlich darf der Torwart den Ball maximal sechs Sekunden lang in den Händen halten, in der Praxis pfeift aber auch bei acht, zehn oder zwölf Sekunden kaum ein Referee – und keiner will das anders haben. Natürlich gibt es gute Gründe zu sagen: Die Regeln haben schließlich ihren Sinn (und Geist!), warum also nimmt man an manchen Stellen einen laxen Umgang hin? Aber so ist das eben mit Vorschriften und Gesetzen: Wenn sich eine abweichende Praxis bewährt hat und eine strenge(re) Auslegung Unruhe stiften würde, tastet man das im Sinne des sozialen Friedens nicht an. Oder, um es mit Adi Preißler zu sagen: Die Wahrheit is aufm Platz.

      Genau so argumentiert Babak Rafati letztlich in Bezug auf Vergehen nach erfolgtem Torabschluss: »Hier muss man Theorie und Praxis voneinander unterscheiden. In der Theorie kann der Schiedsrichter regeltechnisch diese Szene zurückpfeifen, denn der Verteidiger Odak trifft Wriedt ohne Zweifel. Da aber der Angreifer bereits geschossen hatte und die Aktion damit abgeschlossen war, hat die Attacke des Verteidigers keinen Einfluss mehr. Die Schiedsrichter lassen in der Praxis dann immer weiterspielen. Man merkt auch an den heftigen Protesten der Erfurter Spieler, dass diese Szene gängig fußballtypisch ist und so etwas einfach nicht gepfiffen wird.«

      Widersprechen würde ich zunächst einmal dahingehend, dass diese Praxis nicht so durchgehend ist, wie Rafati es durch die Verwendung des Wortes »immer« behauptet. Mir fielen hier einige gegenteilige Beispiele ein, etwa der Elfmeterpfiff für die Bayern im ersten Rückrundenspiel 2015/16 beim HSV, als Thomas Müller den Ball bereits aufs Tor gehoben hatte, als er von René Adler umgemäht wurde. Hätte Rafati »zumeist« geschrieben, läge er aber wohl richtig. Die Frage ist nun: Wie findet man diese Praxis? Da sage ich erst mal: Sie ist uneinheitlich – und das sollte sie nicht sein. Entweder handhabt man das so, wie Rafati es befürwortet. Oder man sagt: Ein Foul nach enem Torabschluss bleibt ein Foul und muss entsprechend geahndet werden.

      Und da stimme ich dir zu, Heinz. Ich bin für eine einheitliche Auslegung, bei der auch Fouls nach dem Abschluss gepfiffen werden. (Davon hatten wir’s in der Tat schon häufiger im Podcast, beispielsweise nach Hummels‘ Foul im Spiel der Bayern bei Schalke – das wurde nicht geahndet.) Zumal ich eben nicht sehe, dass sich da eine Praxis etabliert hat, die so unumstritten ist, wie das bei den beiden eingangs erwähnten Situationen der Fall ist. Und aus dem Grund, den du genannt hast.

  9. Hallo, ihr beiden,

    kurze Frage: Im Vorfeld eurer sportjuristischen Veranstaltung hattet ihr angekündigt, diese aufzuzeichnen bzw. dass sie aufgezeichnet wird.
    Ist das passiert? Und wenn ja, wo kann man diese erhalten?

    Mit sportlichen Grüßen
    Joaker

  10. Ich möchte gerne eine Diskussion hierhin ziehen, in die sich Alex unlängst auf Twitter hat verwickeln lassen.

    Und zwar aus zwei Gründen. Erstens empfinde ich Twitter nicht als sinnvollen Ort für Diskussionen.

    Und zweitens befremdet mich die Empörung zutiefst. Ich sehe das Problem überhaupt nicht. Der Ablauf (soweit ich ihn verstanden habe, man mag mich korrigieren): Es existiert eine klare Regel ohne jeden Ermessensspielraum für den Schiedsrichter. Eine Regel, die übrigens aus sehr guten Gründen eingeführt wurde, aber das nur am Rande. Ein Spieler übertritt wissentlich diese Regel, weil ihm die abzusendende Botschaft so wichtig ist. Wichtig genug, dass er die Sanktion dafür sehend in Kauf nimmt. Der Schiedsrichter geht daraufhin zu ihm, bedeutet ihm, dass er die Botschaft wohl verstanden habe und ihr menschlich voll und ganz zustimme und sie ihm auch sympathisch ist. Aber er sie gleichwohl sanktionieren müsse. Der Spieler nickt, bedeutet, dass ihm das natürlich bewusst ist. Der Spieler sieht also die von ihm erwartete Gelbe Karte, das Spiel geht weiter. Fertig.

    Da sehe ich, wenn überhaupt, ein Beispiel für zwei Erwachsene, die ihm hektischen Profibetrieb eine schöne Geste zu schätzen wissen. Ich muss zugeben, ich habe dadurch erst erfahren, als diese Diskussion auf Twitter an mir vorbeiflog. Sie hat mir ein kleines Lächeln geschenkt. Das ist doch schön, wie die beiden Profis Schneider und Cavani da miteinander umgehen. Auf Augenhöhe.

    Aber so pathetisch wollte ich gar nicht werden. Man kann das, wenn man will, gerne auch albern finden – davon wird ja niemand wieder lebendig. Aber darum geht es mir nicht. Ich sehe einfach, egal, von welchem Winkel ich darauf schaue, absolut keine Möglichkeit für Empörung. Und gleichzeitig nehme ich wahr, dass mehrere grundsätzlich des Denkens fähig scheinende Menschen sich empört haben. Tief empört haben. Null Menschlichkeit gezeigt. Schlimm.

    Und wenn ich das wahrnehme, dann frage ich mich natürlich, ob das vielleicht einfach an mir liegt.

    Ich würde mich also sehr freuen, wenn Ihr Euch in Eurer nächsten Sendung dem kurz annehmt. Und wenn der feine Hörr Reese sich nicht in der Lage sieht, den Advocatus Diaboli zu spielen, dann vielleicht in Form einer kleinen Umfrage: Kann vielleicht einer, den das empörte. hier in der Kommentarspalte nochmal ausführlich darlegen, was er daran als empörenswert empfand? Nur weil das in den paar Zeichen auf Twitter nicht gelungen ist, heißt das ja nicht, dass es keine bedenkenswerten Überlegungen dazu gibt.

    Ich bin schließlich gerne anderer Meinung. Aber ich möchte die Meinung, gegen die ich bin, zumindest vorher verstanden haben. Sonst macht mich das nervös.

    • Martin Rafelt von der Spielverlagerung hat uns diesen Kommentar dazu geschickt (ich füge das hier manuell ein, weil das Absenden aus irgendeinem Grund nicht geklappt hat):

      Also ich hatte nicht den Eindruck, dass da jemand „zutiefst empört“ war. Eher schien mir das eine kleine, eher nebensächliche Kritik zu sein.

      Nämlich an folgender Prämisse: Die Befolgung der Regel hat oberste Priorität. Sie ist wichtiger als die soziale Komponente und ohne Alternative, selbst wenn die Regel im konkreten Fall offenbar Unsinn ist.
      Regeln werden gemacht, um Konflikte zu lösen. Hier wäre ohne die Regel gar kein Konflikt aufgetreten. Niemand (vermute ich) hätte ohne die Regel gefordert „hey, wie kann der da sein Trikot ausziehen? der muss verwarnt werden!“. Jedem ist klar: Hey, schöne Geste, warum nicht?

      Nun kann man diese Prämisse, die im konkreten Falle etwas unschön ist, durchaus vertreten, weil sie eben im allgemeinen Fall eine gewisse Funktion erfüllt. Wie Alex gesagt hat: Wo zieht man die Grenze? Dass der Schiedsrichter einfach macht was er will, will keiner. Die Regeln sollen generell befolgt werden und so objektiv wie möglich. Um daran erst gar keinen Zweifel aufkommen zu lassen, ziehen wir das einfach IMMER durch. Das ist sozusagen die sichere, systematisch durchgeplante Alternative. Bisschen deutsche Ingenieursmentalität.

      Man kann sich aber auch auf den Standpunkt stellen: Wir befolgen die Regeln weitestgehend und wenn sie Sinn machen, aber unsere oberste Richtlinie ist die „soziale“ Komponente. Wenn eine Regel Kacke ist, dann scheißen wir halt mal drauf. Davon bricht nicht gleich Anarchie aus. (Um es philosophisch zu verallgemeinern: Nicht mehr Anarchie als sowieso, denn die Natur der Existenz ist halt eine chaotische; Regeln erzeugen das Bild der Ordnung und Unfehlbarkeit, aber jede Ordnung ist letztlich menschengemacht und damit instabil. Daher meine Antwort auf Alex‘ Frage, wo man die Grenze zieht: Irgendwo, so funktioniert das Leben.)

      Vom zweiten Standpunkt aus betrachtet ist der vorliegende Fall ein gutes Beispiel dafür, wo der erste Standpunkt versagt. Das ist ein bisschen, wie die Polizei zu rufen, wenn der Nachbar laut ist, anstatt einfach mal selber anzuklopfen und nett zu fragen.

      Mir persönlich war das ganze, wie dargestellt, ziemlich egal, weil es subjektiv ist. Ich fand es nur albern, sich darauf zu versteifen, dass die Gelbe „alternativlos“ sei und überhaupt jede Kritik daran völliger Quatsch. Wenn sich jetzt jemand darauf versteift hätte, dass der Schiri ein ekelhafter Unmensch ist, dann hätte ich das genauso albern gefunden. (Wenn das jemand getan hat, dann vermutlich auch eher, weil das ein sehr plakatives Beispiel für ein generelleres Problem darstellt…insofern mehr ein Trigger für Empörung als eigentlicher Gegenstand der Empörung.)

      Kann aber gut sein, dass die ursprüngliche Kritik etwas harsch vorgetragen war, angesichts dessen, dass der Schiri in dem Moment das ganze halt auch einfach durch den Tunnel seiner professionellen Berufsausübung betrachtet und die gelbe Karte ja auch normalerweise keine dramatische Sache ist.

      Eigentlich kann man da beide möglichen Handhabungen mit einem Schulterzucken quittieren, im konkreten Fall. Den zugrunde liegenden theoretischen Konflikt fand ich aber ganz interessant.

      • Da ja anscheinend sonst keiner mehr antwortet:

        Ich glaube, wir sind da kaum auseinander, Martin. Insbesondere beim Schulterzucken. Vielleicht habe ich auch den Grad an Empörung in den falschen Hals bekommen.

        Und natürlich danke ich Dir für Deine ausführliche Antwort. Die für mich einen eindeutigen Beleg (*luftsägt mit Unterarm*) für die These darstellt, Twitter sei einfach kein Ort für Diskussionen.

        Um auf Dein Beispiel einzugehen „Das ist ein bisschen, wie die Polizei zu rufen, wenn der Nachbar laut ist, anstatt einfach mal selber anzuklopfen und nett zu fragen.“: Der Vergleich hinkt hier. Die Polizei ist nämlich schon da. Denn anders als die Beteiligten am Konstrukt Nachbarschaft sind die Beteiligten am Konstrukt Profifußball übereingekommen, ihre Betätigung lückenlos vom Schiedsrichter überwachen zu lassen und Verstöße gemäß dem geltenden Regelwerk ahnden zu lassen.

        Um dennoch auf diesem Weg weiter zu schreiten: Mich erinnert das ein Erlebnis, dass ich vor ein paar Jahren im Straßenverkehr hatte. Ich bin später Abends mit meinem Rad von einer – um die Uhrzeit toten – Haupt-Einkaufsstraße rechts in eine kleine Einbahnstraße abgebogen. Wo ich von der Streife angehalten wurde, die gerade hinter mir fuhr. Ich bog nämlich bei Rot ab.

        Ich zeigte mich natürlich ehrlich erschrocken (man ist ja nicht blöd). Anscheinend nur auf den Verkehr geachtet und auf die nicht vorhandenen Fußgänger, gar nicht mitbekommen, vielleicht das Grün der Fußgängerampel?, meine Güte, das ist ja schlimm, bin in der Kälte schon quer durch die Stadt und freute mich gerade auf mein Bett in wenigen hundert Metern usw. Die Bullen daraufhin: Wir waren ähnlich verblüfft, weil wir uns eigentlich gerade darüber unterhielten, was für ein endlich mal vorbildlicher Radfahrer das ist. Beleuchtet wie ein Weihnachtsbaum, aufrechte Körperhaltung, Warnweste, klare Abbiegegestik (BTW: Schiedsrichter sein schult fürs Leben), defensive Fahrweise. Kurz gesagt: Wir glauben ihnen das und lassen sie leben. Aber nur das ihnen das bewusst ist: Eigentlich kostet das soundso, also bitte auch als Warnung ernst nehmen. Natürlich.

        Warum erzähle ich das: Weil diese Polizisten das gemacht haben, was Du Dir erhoffst: Sie haben einen Ermessensspielraum gesehen (jetzt mal unabhängig davon, ob sie den auch hatten) und haben den genutzt.

        Schneider begegnet Cavani aber nicht in einer dunkeln Seitenstraße. Er steht mit ihm vor Zehntausenden Zuschauern und Dutzenden Kameras inmitten eines Stadions. Da kann er nur den Ermessensspielraum nutzen, den ihm die Regeln gewähren. Und die gewähren ihm keinen.

        Zumal ich aus bloßer Unachtsamkeit (behauptete ich jedenfalls) bei Rot abgebogen bin. Ich habe kein Rotlicht missachtet, weil ich ich unbedingt ein sinnvolles Zeichen setzen wollte. Es fällt mir jetzt schwer, dazu ein sinnvolles Beispiel zu bilden. Aber gesetzt den Fall, ich würde vor lauter Fernsehkameras und jeder Menge Publikum eine rote Ampel überfahren, um damit ein total sinnvolles Zeichen zu setzen. Dann erwarte ich von den anwesenden Polizisten, die erkennen, dass es sich um ein wirklich total sinnvolles Zeichen handelt (aber mein Handeln trotzdem nicht z.B. von der Demonstrationsfreiheit gedeckt ist), dass sie mich aufschreiben. Und würde das natürlich vorher in mein Handeln einkalkulieren. Wäre es mir anscheinend wert.

  11. Ich habe das vorhin in der Sportschau gesehen und leider bin ich mir gar nicht mehr sicher, bei welchem Spiel das war. Folgendes:

    Zwei Mannschaften, nennen wir sie Werder Bremen und 18,99 Hoffenheim, bestreiten ein Bundesligaspiel. Mit Ablaufen der Spielzeit der ersten Hälfte erhält Werder Bremen nochmal einen Freistoß im Mittelfeld. Der Schiedsrichter bedeutet den Spielern, diesen auch noch ausführen zu lassen. Die Spieler von Werder Bremen laufen vorne also in Position, um den langen Ball zu empfangen. Gleichzeitig lassen sich die Spieler in Ballnähe unendlich Zeit, um den Freistoß auszuführen. Einer legt sich den Ball hin, läuft dann weg. Ein anderer läuft zur Ausführung, läuft dann aber doch am Ball vorbei und lässt ihn für irgendjemand anderen liegen. Dem Schiedsrichter wird das irgendwann zu blöd, er unterbricht das Schauspiel und pfeift einfach zur Halbzeit.

    Ich bin mir unsicher, inwieweit diese Entscheidung von den Regeln gedeckt ist. Ich muss zugeben, mir da noch nie Gedanken drüber gemacht zu haben. Aber aus meinem spontanen Verständnis heraus ist zwingende Spielfortsetzung beim Freistoßpfiff die Ausführung des Freistoßes. Ein Pfiff zur Beendigung des Spiels wäre nach diesem Verständnis frühestens möglich, (unmittelbar) nachdem der Ball zurück ins Spiel gebracht wurde. Und seiner berechtigten Genervtheit müsste der Schiedsrichter dann während der Spielunterbrechung schon mittels Er- oder ggfs. Verwarnung Ausdruck verleihen.

    Ich hoffe sehr, ich liege mit dieser Einschätzung daneben. Ich fand die Situation nämlich grandios. Das nenne ich eine souveräne Spielleitung.

    Zumal aus meiner Beobachtung auch keiner der Bremer Spieler dagegen protestierte, dass ihnen dieser sicher geglaubte Angriff doch noch weggepfiffen wurde. Eher war ihnen das wohl selber sichtlich peinlich. Letztere Beobachtung war im Sportschau-Zusammenschnitt allerdings kaum wirklich zu treffen. Mich würde sehr interessieren, wie das Leute wahrgenommen haben, die das Spiel komplett vor der Glotze oder sogar im Stadion verfolgt haben.

    • Die einzige Spielfortsetzung, die nach Ablauf der Spielzeit zwingend noch ausgeführt werden muss, ist der Strafstoß. Insofern hat der Schiedsrichter hier korrekt gehandelt.

  12. Das freut mich.

    Weiter gesponnen: Angezeigte Nachspielzeit 2 Minuten. Ausgleich in der 90. Minute. Der Schiedsrichter pfeift das Tor und zeigt klar zum Mittelkreis (das ist doch das Zeichen, dass dort fortgesetzt wird?). Die Feierei dauert aber etwas länger. Schuld ist meinetwegen die Mannschaft, die das Tor gefressen hat. Die Spieler traben zum Mittelkreis, nunmehr voll konzentriert, wollen diese eine Chance noch nutzen, um doch wieder in Führung zu gehen. Der Schiedsrichter pfeift vor Ausführung des Anstoßes ab. Richtige Entscheidung?

    Kluge Entscheidung?

    • Da die Zeitnahme und die Festlegung der Nachspielzeit in den Aufgabenbereich des Schiedsrichters fallen, wäre es theoretisch denkbar, dass er eine Nachspielzeit von zwei Minuten anzeigt und nach deren Ablauf abpfeift, obwohl in dieser Zeit das Spiel geruht hat. Allerdings ist er gehalten, Zeit, die während der Nachspielzeit durch Verzögerungen verloren geht (z.B. durch eine Verletzungsunterbrechung), wiederum nachspielen zu lassen. Bei der vergeudeten Spielzeit (worunter auch übermäßig langer Torjubel fällt) ist die Sache etwas komplizierter, denn diese wird laut den Ergänzungen des DFB zur Regel 7 (Dauer des Spiels) nur dann hinten draufgeschlagen, wenn die Mannschaft, die sie verursacht hat, dadurch keinen Vorteil bekommt.

      Erstes Beispiel: Nach 89:30 führt Heim mit 1:0 und hat während des Spiels schon reichlich verzögert, um den Vorsprung über die Zeit zu retten: Der Torwart ließ sich immer viel Zeit beim Abstoß, bei den Einwürfen ließ mehrmals ein eigentlich einwurfbereiter Spieler den Ball fallen, damit ein Mitspieler ihn übernimmt, das Tor zum 1:0 nach 65 Minuten wurde ausgiebigst gefeiert. Zwei Gelbe Karten wegen Spielverzögerungen hat es auch schon gegeben. Der Schiedsrichter will deshalb drei Minuten nachspielen lassen – zusätzlich zu den zwei Minuten, die wegen zwei Verletzungsunterbrechungen draufkommen sollen –, hat das aber noch nicht angezeigt.

      Bei 89:31 fällt der Ausgleich. Soll man nun nur zwei Minuten (wegen der Verletzungen) draufpacken oder doch fünf? Es ist ja nicht eingetreten, was Heim mit seiner Verzögerei unbedingt erreichen wollte.

      Variante 1: Kurzer Blick zum Gast: Für ihn spricht das Momentum, Heim ist niedergeschlagen, deshalb will er jetzt auch noch den Sieg. Der Kapitän ruft: »Los, Jungs, die können nicht mehr, das gewinnen wir jetzt noch!« Den Ball hat er höchstpersönlich aus dem Netz geholt und zum Anstoßkreis getragen. Also entscheidet der Schiedsrichter, die vergeudete Spielzeit auch noch nachspielen zu lassen, und zeigt bei 89:59 fünf Minuten Nachspielzeit an.

      Variante 2: Kurzer Blick zum Gast: Großer Jubel über den Ausgleich, Zufriedenheit, mehr will man heute nicht mehr. Ausgiebiger Jubel. Der Kapitän läuft kurz zum Referee und murmelt: »Komm, Schiri, pfeif ab!« Danach rennt er wieder zu seinen feiernden Mitspielern. Bei 89:59 zeigt der Schiedsrichter zwei Minuten Nachspielzeit an, wegen der Verletzungspausen. Die müssen auf jeden Fall gespielt werden, und wenn der Jubel noch weitere zwei Minuten dauert, kommen eben noch mal zwei Minuten drauf.

      Zweites Beispiel: Nach 89:59 führt Heim mit 1:0 und hat während des Spiels schon reichlich verzögert, um den Vorsprung über die Zeit zu retten (Beispiele wie oben). Der Schiedsrichter zeigt deshalb drei Minuten Nachspielzeit an (verlorene Zeit gab es nicht, nur vergeudete). Bei 91:00 fällt der Ausgleich. Die angezeigte Nachspielzeit darf nur verlängert, aber nicht verkürzt werden, Vorteil hin, Vorteil her. Also bleiben noch zwei Minuten. Die gehen allerdings komplett fürs Jubeln drauf.

      Wir hatten also erst eine Verzögerung durch Heim, derentwegen überhaupt erst nachgespielt wurde, und jetzt eine durch den Gast, der mit dem Unentschieden vollkommen zufrieden ist. Was nun? Ich würde mich da als Schiedsrichter grundsätzlich durchmogeln und den Mittelweg wählen, also noch eine zusätzliche Minute nachspielen lassen. Es sei denn, Heim signalisiert mir, dass es ebenfalls den Schlusspfiff herbeisehnt. Dann würde ich noch kurz anstoßen lassen (sieht einfach besser aus) und dann nach drei Sekunden abpfeifen.

  13. Noch so eine Diskussion, in die sich Alex auf twitter hat hinein ziehen lassen. Nämlich mit mir.

    Folgende Situation (wie so oft schamlos an den Haaren herbeigezogen): Der Torwart hält im eigenen Srtrafraum den Ball in den Händen und bekommt von seinem eigenen Mitspieler eine aufs Maul. Er lässt darob den Ball fallen, der ins Tor rollt.

    Ich denke, wir sind uns alle einig, welche die angemessene Entscheidung des Spielleiters ist: Tor für den Gegner und rote Karte für den Mitspieler.

    Bloß wie wird das regeldogmatisch korrekt begründet? An sich ist doch im Moment der Backpfeife das Spiel zu unterbrechen. Es sind ganz klar (jedenfalls möge man sich das Beispiel bitte so vorstellen) zwei Ereignisse, die nicht gleichzeitig stattfinden: Erst gibt’s aufs Maul, dann rollt der Ball Richtung Tor und überschreitet irgendwann die Torlinie. Vorläufig fortgesetzt werden kann das Spiel doch nur, wenn ein Gegenspieler des Übeltäters in Ballbesitz ist und sich eine aussichtsreiche Torchance erspielen könnte, oder? Davon kann hier keine Rede sein. In Ballbesitz ist ausschließlich die Mannschaft des Täters.

    • Die Gleichzeitigkeit muss nicht gegeben sein, vielmehr kann hier die Vorteilsbestimmung angewendet werden, auch ohne Ballbesitz für den Gegner. Denn in der Regel 5 heißt es lediglich: »Der Schiedsrichter hat das Spiel bei einem Verstoß oder Vergehen weiterlaufen zu lassen, sofern das regelkonforme Team dadurch einen Vorteil erhält.« Und das ist hier der Fall. Wenn ein Spieler gegenüber einem Mitspieler tätlich wird und der Ball daraufhin ins Tor rollt, wäre es ja auch widersinnig, abzupfeifen und auf Strafstoß zu entscheiden.

  14. Ah, dann hatte ich für mich den Begriff Vorteil immer falsch definiert. Danke.

    Ein kleiner Blick in den Regeltext hätte zwar genügt. Aber so hast Du wenigstens auch mal was zu tun gehabt.

  15. Kurze Frage: Ein Spieler stoppt den Ball hinter der eigenen Torlinie in Torwartmanier mit dem Arm. Er hatte offensichtlich gehofft, den Ball noch vor der Linie aufzuhalten.

    Das Tor zählt natürlich. Auch eine rote Karte ist überflüssig. Aber könnte man dem Spieler eine gelbe Karte zeigen wegen der zwar gescheiterten, aber eindeutig versuchten klaren Unsportlichkeit?

    • Da der Ball die Linie bereits überschritten hat, ist er im Tor und damit nicht mehr im Spiel. Deshalb liegt hier kein Handspiel vor, auch kein versuchtes. Anders wäre es, wenn dieser Spieler den Ball vor der Torlinie mit der Hand spielen würde, aber nicht verhindern könnte, dass er ins Tor geht. Dafür gäbe es eine Verwarnung. Berührt er ihn erst hinter der Linie, entfällt die persönliche Strafe.

      • Es gibt also keinen Weg, die böse Absicht zu sanktionieren?

        Jetzt mal regelphilosophisch – wie findest Du das? Ich frage, weil ich mir selber nicht sicher bin. Einerseits ist das Gegentor Strafe genug. Andererseits finde ich das unbefriedigend.

        • Nein, da gibt es keinen Weg. Und das finde ich auch logisch. Hinter der Linie ist schließlich hinter der Linie. Außerdem wird ja auch ein versuchtes Handspiel – also eines, bei dem der Ball nicht berührt wird – nicht sanktioniert, das heißt, da geht das Spiel einfach weiter. Hier wird der Ball sogar erst mit der Hand berührt, als er schon aus dem Spiel ist.

          • Nunja gut, aber das normale Handspiel wird ja auch nur verwarnt. Hier geht es ja um das absichtliche Torverhindern mit der Hand, und das ist meines Wissens rot. Das scheint also nach dem Geist der Regel (huibuh) eine sehr verwerfliche Tätigkeit zu sein. Mit sehr verwerflicher, besonders unsportlicher Absicht. Und die bleibt es doch auch beim fehl geschlagenen Versuch.

          • Nein, der Versuch ist nicht fehlgeschlagen, weil der Ball schon die Linie überschritten hatte. Ein fehlgeschlagener Versuch sieht so aus, dass der Spieler den Ball vor der Linie mit der Hand spielt, aber nicht verhindern kann, dass er ins Tor geht.

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